Naturschutzgebiete der Stadt Erfurt
Auf der Grundlage des § 23 Bundesnaturschutzgesetz sowie der übergeleiteten früheren Naturschutzgesetze der deutschen Staaten wurden im Gebiet der Stadt Erfurt bislang drei Naturschutzgebiete (NSG) mit einer Gesamtgröße von 132,3 ha ausgewiesen.
Das älteste davon ist das NSG "Schwellenburg", von dem der größere Teil bereits auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes seit 1939 festgesetzt ist. Eine Erweiterung erfuhr dieses Gebiet im Jahr 1996.
Die NSG "Aspenbusch" und "Alacher See" bestehen seit 1961 bzw. 1967.
- NSG "Schwellenburg" (22,0 ha)
- NSG "Aspenbusch" (95,9 ha)
- NSG "Alacher See" (16,4 ha)
Das NSG "Schwellenburg" ist das älteste Naturschutzgebiet in Erfurt. Eine Teilfläche von 14,9 ha wurde bereits 1939 auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes unter Schutz gestellt. Die Gesamtgröße beträgt seit 1996 22,0 ha.
Die Schwellenburg ist eine markante Erhebung am Rand der Geraaue im nördlichen Teil des Stadtgebietes. Der aus den relativ harten Gesteinen des Mittleren Keupers aufgebaute und sich von West nach Ost erstreckende Rücken überragt seine Umgebung um mehr als 50 m. Einige Funde deuten auf eine Besiedelung in der Jungsteinzeit hin. Später könnte hier eine frühgeschichtliche Fluchtburg gestanden haben (Name!). Im Plateaubereich wurde bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kleinflächig Gips abgebaut. Der mittelalterliche Weinbau vor allem an den Südhängen kam im 17. Jahrhundert zum Erliegen, spätere Neuanlagen führten zu keinem dauerhaften Erfolg.
Das NSG zeichnet sich durch großflächige kontinentale Trockenrasen aus, die insbesondere die flachgründigen und teils terrassierten Süd- und Westhänge sowie Teile des Plateaus bedecken. Am Nordhang und auch auf dem Plateau gedeihen daneben Trespen- und Fiederzwenken-Halbtrockenrasen, die lokal zur Verbuschung neigen. Insbesondere am flachen Osthang finden sich zudem Streuobstwiesen. Zu den bemerkenswerten Kleinstrukturen des Gebietes gehören Rohbodenstandorte (sog. "badlands") am Westhang und durchragende Gipsfelsen im Plateaubereich.
Das NSG ist vor allem floristisch und mykologisch von landesweiter Bedeutung. Neben der Bunten-Erdflechten-Gesellschaft sind u. a. die Vorkommen von Steppen-Stiefmütterchen (Viola kitaibelliana) an seinem einzigen deutschen Fundort, Roter und Gelber Hornmohn (Glaucium corniculatum, G. flavum), Zierliches Hartheu (Hypericum elegans), Gewöhnlicher Andorn (Marrubium vulgare) sowie an den Ackerrändern Rundblättriges Hasenohr (Bupleurum rotundifolium) hervorzuheben. Unter den Steppenpilzen sind die Nachweise von Steppen-Trüffel (Gastrosporium simplex), Zitzen-Erdstern (Geastrum corollinum) sowie Weißliche Wiesenkoralle (Ramariopsis kunzei) beachtlich. Faunistisch ist das Naturschutzgebiet insbesondere wegen der vorkommenden spezialisierten Insekten - insbesondere Laufkäfer, Schmetterlinge und Zikaden - bekannt. So lebt die Zikade Praganus hofferi hier an ihrem einzigen mitteleuropäischen Fundort, unter den Laufkäfern sind u.a. Harpalus zabroides und Harpalus politus herauszustellen. Die Vorkommen mehrerer hochgradig gefährdeter Tagfalterarten wie das der Berghexe (Chazara briseis) gelten mittlerweile leider als verschollen, allerdings hat die Population des Malven-Dickkopffalter (Carcharodus alceae) bis heute überdauert.
Im Süden des Stadtgebietes gelegen, ist das etwa 96 ha große NSG "Aspenbusch" vollständig bewaldet. Die Unterschutzstellung erfolgte bereits 1961, allerdings einschließlich der quer durch den Mittelteil führenden Trasse der Autobahn A 4. Die den Charakter des Gebiets bestimmenden Eichen-Hainbuchen-Wälder werden teilweise von Buchenmischwäldern abgelöst, die beide überwiegend aus ehemaligen Mittelwäldern hervorgegangen sind. Einige flache Einsenkungen in Folge von Auslaugungen im Untergrund sind wegen stauender Tonunterlagen zeitweise oder fast ganzjährig mit Wasser gefüllt. In deren Umfeld stocken Schwarzerlen, die kleinflächig zu Erlenbruch-ähnlichen Beständen vermitteln. Geologisch herrschen die Abfolgen des Oberen Muschelkalks vor, die oft von Lösslehmen bedeckt sind.
Botanisch bedeutsam sind das regelmäßige Auftreten der Elsbeere (Sorbus torminalis), die Vorkommen mehrerer Orchideenarten, darunter die Violette Stendelwurz (Epipactis purpurata), sowie Funde der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica) im Bereich der halboffenen Erlenbrüche. Relativ gut untersucht sind auch die Großpilze, darunter mehrere in Thüringen bestandsbedrohte Arten wie die in Deutschland sehr seltene Südliche Täublingstrüffel (Elasmomyces mattirolanus) als Erstnachweis für den Freistaat.
Die Fauna gilt hingegen als wenig bekannt. Beachtlich sind das Vorkommen der Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) sowie die Funde einiger in Thüringen teils stark gefährdeter Tagfalterarten wie Großer und Kleiner Schillerfalter (Apatura iris, A. ilia) sowie Kleiner Eisvogel (Limenitis camilla).
Innerhalb der NSG-Grenzen wurde ein 9,1 ha großes Totalreservat ausgewiesen.
Der Alacher See und dessen Umfeld wurde 1967 mit einer Gesamtgröße von 16,4 ha als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der stark verlandete See liegt in einer rinnenförmigen, durch Auslaugungen im Untergrund entstandenen Senke mit flachen, teils auch steileren Uferpartien. Das Gewässer wird ausschließlich durch Niederschlags- und wohl auch Grundwasser gespeist und weist daher stark schwankende Wasserstände auf. Ein Abfluss, der Mollbach, entwässert das Gebiet zur Nesse, weitere Kleingewässer ("Bombentrichter") befinden sich im Nordteil der Senke. Pflanzensoziologisch dominieren Schilfröhrichte, Seggenriede und Kohldistel-Feuchtwiesen. Lokal sind Weiden-Gebüsche und Hybridpappel-Anpflanzungen vorhanden. An trockenen Standorten wird das Grünland seit einigen Jahren durch Rinder und Pferde sehr extensiv beweidet. Unter den etwa 270 im Gebiet nachgewiesenen Farn- und Blütenpflanzen kann das Vorkommen des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) heraus gestellt werden. Als sehr gut untersucht gilt die Fauna des Gebietes. So ist der Alacher See ein bedeutsames Brut- und Rastgebiet nicht nur für Wasservögel. So brüten mehr oder weniger regelmäßig Rohrweihe (Circus aeruginosus), Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) und Braunkehlchen (Saxicola rubetra) im NSG. Unter den Amphibien laichen u. a. Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) und Moorfrosch (Rana arvalis), letzterer allerdings nur mit wenigen Individuen, in den Gewässern. Beachtlich hoch ist außerdem die Diversität verschiedener Insektengruppen wie Schmetterlinge, Heuschrecken und Käfer, darunter die bemerkenswerten Laufkäferarten Carabus monilis und Odacantha melanura. Auch die Mollusken gelten als gut bekannt und leben mit zahlreichen seltenen und bestandbedrohten Taxa in verschiedenen limnischen und terrestrischen Habitaten. Allerdings konnte die bundesweit vom Aussterben bedrohte Kleinmuschel Pisidium pseudosphaerium seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr lebend im Gebiet festgestellt werden.
Problematisch erscheinen die fortschreitende Verlandung des Sees sowie der starke Nährstoffeintrag, einhergehend mit Faulschlammbildung. Eine Gewässersanierung ist derzeit allerdings kaum möglich wegen fehlender Kampfmittel-Beräumung. Die eher trockenen Offenlandbereiche unterliegen einem zu geringen Beweidungsdruck und werden von aufkommender Gehölzsukzession bedrängt.