Blumenstadt Erfurt – Die Tradition
Bereits im 7. Jahrhundert haben sich vermutlich die Mönche der zahlreichen Erfurter Klöster mit dem Anbau von Gemüse und Kräutern befasst. Wertvolle Löß- und Lehmböden sowie günstige klimatische Bedingungen schufen dafür die Voraussetzung. Die gärtnerische Tätigkeit war allerdings gering im Vergleich zum Waidanbau.
Wie die Chronik berichtet, hat ohne Zweifel der Waidanbau in Erfurt seinen Anfang genommen und war im 13. Jahrhundert hier hoch entwickelt. Das fertige Produkt fand Verwendung als Blaufärbemittel und wurde auf dem hiesigen Handelsplatz umgesetzt. Waidanbau und -handel verhalfen dem mittelalterlichen Erfurt zu seiner wirtschaftlichen, kulturellen sowie politischen Machtstellung und ließen die Stadt weit über die Grenzen hinaus bekannt werden.
Auch der Weinanbau stellte lange einen wesentlichen Faktor im Wirtschaftsleben der Ansiedlung dar, die im Mittelalter in einem grünen Kranz von Weinstöcken lag. Schon um das Jahr 1000 wird der Weinanbau erwähnt und über große Rebenhügel des Petersklosters berichtet. Zehn Pestjahre, der Dreißigjährige Krieg, eine erstarkte Konkurrenz und die Verlegung der Handelswege in Deutschland brachten den Waid- und Weinanbau allerdings völlig zum Erliegen.
Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts kam es wieder zum Aufleben des Erfurter Gartenbaus. Durch seine Anordnung aus dem Jahr 1705, wonach jeder Bürger 12 Obstbäume zu pflanzen hatte, bewirkte der Kurmainzische Statthalter Philipp Wilhelm von Boineburg, dass um 1750 das Dreienbrunnenfeld und andere Gebiete der Stadt bewirtschaftet wurden.
Durch den Ratsmeister Christian Reichart angeregt, kamen tüchtige Gärtner, die sich hauptsächlich mit der Anzucht von Blumen- und Gemüsesamen befassten, zusammen. Der gewerbsmäßige Gartenbau war geboren.
Gleichzeitig entwickelte Reichart die Brunnenkressezucht bei größtmöglicher Ausnutzung des Bodens. Auch die Gründung des intensiven Erfurter Gemüseanbaus, der Erfurter Samenzucht und des Erfurter Samenhandels gehen auf ihn zurück.
Im Jahr 1756 öffnete die erste Handelsgärtnerei in Erfurt ihre Pforten, die ihre Erzeugnisse auch auswärts absetzte. 1768 erschienen die ersten Handzettel als Vorläufer der später in der ganzen Welt bekannten Samenkataloge.
Während die napoleonische Fremdherrschaft (1806–1814) die gartenbauliche Entwicklung stark hemmte, wurde die Lage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich günstiger. In dieser Zeit entstanden solch weltbekannte Saat- bzw. Kakteenzuchtbetriebe wie E. Benary, J. C. Schmidt, Haage & Schmidt, Franz Anton Haage, F. C. Heinemann, N. L. Chrestensen und Weigelt & Co.
Bemerkenswert ist, dass der Name „Blumenstadt“ schon in jenen Tagen geprägt wurde und der Erfurter Blumenzucht sowie den ausgedehnten Blumenfeldern zur Saatgutgewinnung an den Rändern der Stand galt.
Der 1838 gegründete Gartenbau-Verein machte es sich zur Aufgabe, den in Erfurt nunmehr etablierten Gartenbau zu fördern. Fortan war man bemüht, Leistungsschauen in kurzer Abfolge zu organisieren. So fand beispielsweise 1865, verbunden mit dem 2. Kongress deutscher Gärtner, Botaniker und Gartenfreunde, die Allgemeine deutsche Ausstellung von Produkten des Landes- und Gartenbaus in Erfurt statt. Eine weitere große Schau folgte 1876 auf einer Anhöhe des Steigerwaldes, dem späteren Augustapark.
Erfurt erlangte auf dem Gebiet des Samenanbaus eine internationale Führungsposition und hatte etwa 1914 seinen Gipfelpunkt erreicht. Zwei Weltkriege genügten jedoch, um die Saatzucht schwer zu erschüttern und den Export nahezu unmöglich zu machen.
Mit der 1950 auf der Cyriaksburg veranstalteten Gartenschau „Erfurt blüht“ sowie der 1. Samenexportschauschau und Gartenbauausstellung im Jahr 1955 versuchte man wieder Anschluss an die gärtnerische Tradition zu finden, doch die durch das DDR-Regime verordnete Zwangsverstaatlichung der renommierten Saatzuchtbetriebe stand dem hinderlich entgegen.
1958 wurde die auf dem Entwurf des Landschaftsarchitekten Reinhold Lingner basierende Internationale Gartenbau Ausstellung Erfurt (IGA) gegründet und präsentierte von 1961 bis 1990 wechselnde Expositionen.
Die Zuneigung der Erfurter Bevölkerung zur IGA – mittlerweile zu einem Wahrzeichen der Blumenstadt geworden – blieb ungebrochen, so erhielt das Gelände 1991 die Bezeichnung Erfurter Gartenbauausstellung (Ega) und wird seit 2006 als Egapark Erfurt betrieben. Dort beheimatet ist auch das Deutsche Gartenbaumuseum, das sich u. a. der Tradition des Erfurter Gartenbaus widmet.
Quelle: vgl. Hans Bien „Blumenstadt im Grünen“, Dr. Willibald Gutsche „Von der Klostergärtnerei bis zur iga“, Claus Seidel „Über die Historie des Grüns in der Blumenstadt Erfurt“, Stadtarchiv Erfurt „Feines Obst und zartes Gemüse, ebenso Bouquets – 160 Jahre Gartenbauausstellungen in Erfurt“