Aktuelle Informationen: Aufarbeitung der Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und Machtmissbrauchs am Theater Erfurt
Am 23. Februar 2024 wurde entsprechend des Beschlusses des Werkausschusses vom 21. Februar 2024 die Rechtsanwaltsgesellschaft PwC Legal unter anderem beauftragt, eine Überprüfung des Umgangs sowie der Aufarbeitung der Vorfälle am Theater Erfurt seitens der verantwortlichen Stellen bzw. Organe des Eigenbetriebes (Werkleitung, Werkausschuss, Stadtrat, Oberbürgermeister) und der Zukunftsfähigkeit des Theaters unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchzuführen sowie eine Bewertung zur Veröffentlichung einer Kurzfassung des Untersuchungsberichts von FS-PP Berlin Part mbB vom 3. Januar 2024 vorzunehmen.
Aufgrund der Dringlichkeit hat PwC Legal für die Sondersitzung des Werkausschusses am 8. Mai 2024 nunmehr ein umfangreiches vorläufiges Gutachten vorgelegt, das bereits wesentliche und grundlegende Ergebnisse der Prüfung umfasst. Zusammenfassend ergeben sich hierbei die folgenden (vorläufigen) Einschätzungen:
Es konnten vorläufig folgende Pflichtverletzungen der Werkleitung festgestellt werden:
- Verletzungen von Informationspflichten
- Missachtung der Mitbestimmungsrechte des Personalrats in verschiedenen Fällen
- Verstoß gegen Haushaltsrecht bei der Vergabe eines Stellenverfahrens
- Missachtung der Zuständigkeiten des Werkausschusses und des Stadtrates
Im Hinblick auf die übrigen Organe des Eigenbetriebes (dem Oberbürgermeister, dem Stadtrat und dem Werkausschuss) konnten seitens PwC Legal bisher keine Pflichtverletzungen festgestellt werden. Sowohl bezüglich der Pflichtverletzung der Werkleitung als auch bezüglich der allgemeinen Wirtschaftlichkeit wurden seitens der Stadtverwaltung die gebotenen Maßnahmen ergriffen (u.a. die Verhängung einer Ausgabensperre, die Freistellung der Werkleitung, die Beauftragung des Rechnungsprüfungsamtes und die Beauftragung eines externen Gutachters).
Die historisch-begründeten strukturellen Defizite im Eigenbetrieb im Hinblick auf Informations- und Kontrollrechte bedingten zudem, dass keine frühere Kenntniserlangung erfolgte.
In der Gesamtschau ist laut dem Gutachten auch zu beachten, dass aus Sicht der handelnden Organe zunächst eine hinreichende Sachverhaltsaufklärung zur Schaffung einer Entscheidungsgrundlage erfolgen musste. In diesem Zusammenhang war weiterhin zu berücksichtigen, dass auch zugunsten der 1. Werkleitung und der weiteren im Untersuchungsbericht von FS-PP Berlin Partnerschaft mbB angesprochenen Mitarbeiter die Unschuldsvermutung gilt und eine fehlerhafte Vorverurteilung auch das Theater als Eigenbetrieb der Landeshauptstadt Erfurt schaden könnte.
Zur Zukunftsfähigkeit des Theaters unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und zum Berichtswesen, äußert sich das Gutachten, wie folgend:
- Die Ertragslage des Theaters entspricht im Vergleichszeitraum grundsätzlich den branchenüblichen Verhältnissen
- Der prozentuale Anteil der Zuschüsse seitens der Landeshauptstadt Erfurt liegt im Vergleichszeitraum unter dem Branchenvergleich, d.h. ein vergleichsweise höherer Anteil wurde aus eigener Kraft durch Einnahmen, wie beispielsweise Kartenverkäufen, erzielt
- Festzustellen ist auch, dass die Ertragslage des Theaters stark vom Erfolg der Domstufen-Festspiele abhängig ist
- Hinsichtlich der Berichterstattung (insbesondere die Quartalsberichterstattung) ist aufgefallen, dass diese bisher nicht den üblichen wirtschaftlichen Standards entsprach. Darüber hinaus sind derzeit keine adäquaten Kontrollmechanismen i. S. e. Risikomanagementsystems eingerichtet
- Sowohl die Berichterstattung als auch fehlende Eingriffsmöglichkeiten bieten Anlass dafür, die Strukturen des Eigenbetriebs anzupassen.
Zur Veröffentlichung einer Kurzfassung des Compliance-Berichtes von FS-PP Berlin Part mbB vom 3. März 2024 wird seitens PwC Legal wie folgend Stellung genommen:
Die Rechtsanwaltskanzlei FS-PP Berlin Partnerschaft mbB wurde von der Landeshauptstadt Erfurt am 2. November 2023 beauftragt, Hinweisen auf sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch am Theater Erfurt nachzugehen. FS-PP Berlin führte hierzu eine Compliance-Untersuchung durch. Ziel der Untersuchung war die Anfertigung einer Ergebnisberichterstattung zu der Frage, ob Tatsachen festzustellen sind, die einen Anfangsverdacht von Straftaten oder Rechts- oder Regelverletzungen begründen. Die Prüfung erfolgte auftragsgemäß objektiv, umfassend und ergebnisoffen. Für die Durchführung der Compliance-Untersuchung befragte die FS-PP Berlin mündlich und schriftlich Interviewpersonen über ihre Wahrnehmung und stellte umfassende Ermittlungen an.
Gemäß den Ausführungen von PwC wird von einer Veröffentlichung, auch in einer gekürzten oder geschwärzten bzw. anonymisierten Fassung, dringend abgeraten. In der Einschätzung wird durch PwC mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Personen und Rechten von einer möglichen Veröffentlichung betroffen wären. Der Bericht enthält sensible Informationen über Einzelpersonen, die geeignet sind, deren Privatsphäre und Reputation nachhaltig zu beschädigen. Eine Veröffentlichung oder Bekanntgabe an den Kreis der Betroffenen wäre auch aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig. Der überwiegende Teil der im Rahmen der Compliance-Untersuchung interviewten Personen hat sich als Bedingung für ihre Aussage Vertraulichkeit hinsichtlich ihrer Identität erbeten und zusichern lassen. Eine Veröffentlichung oder Bekanntgabe, auch in gekürzter oder anonymisierter Form, würde die Betroffenenrechte und allgemeinen Persönlichkeitsrechte sämtlicher im Gutachten genannten Personen verletzen, da selbst die Struktur des Berichts Rückschlüsse auf die Identität der handelnden Personen zulässt. PwC Legal kam somit zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Schutzes der Betroffenenrechte und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sämtlicher im Gutachten genannten Personen eine Veröffentlichung, auch in gekürzter oder anonymisierter Form, unterbleiben muss.
In Bezug auf die Verwaltung der Stadt Erfurt in der Person des zuständigen Beigeordneten und des Oberbürgermeisters stellt der Untersuchungsbericht fest, dass diese vor Juli 2023 keine Kenntnis von den oben genannten Verdachtsfällen hatten.
PwC Legal äußert sich zugleich zu Maßnahmen zur Vermeidung in der Zukunft:
Als Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse hat die Stadt Erfurt PwC Legal beauftragt zu prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um sicherzustellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen. Dafür wird PwC Legal nach Abschluss der Prüfung Empfehlungen aussprechen.
Die Kanzlei PwC Legal arbeitet planmäßig an der Aufgabenstellung, ebenso das Rechnungsprüfungsamt der Stadtverwaltung Erfurt. Das Dezernat Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe finalisiert die Drucksache zur Neustrukturierung des Theaters Erfurt (künstlerisches Profil, Leitungsstruktur, Betriebs- und Rechtsform sowie verbessertes Controlling) für den Stadtrat, so dass nach Vorlage aller Untersuchungsergebnisse eine Entscheidung über die Weiterentwicklung getroffen werden kann.
Zu den öffentlichen Spekulationen über die wirtschaftliche Situation des Theaters Erfurt: Bereits im vergangenen Jahr hat der Beigeordnete für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe aufgrund der Einnahmenentwicklung und der von der Theaterleitung geplanten Rücklagenabschmelzung bis 2025 vorsorglich eine Ausgabensperre für das Haushaltsjahr 2024 angeordnet. Über diese Maßnahme sowie weitere Vorgaben aufgrund von Steuerungsproblemen bei der Werkleitung informierte er das Aufsichtsgremium (Werkausschuss Theater) auf der Sitzung vom 25.10.2023. Ursächlich waren vor allem der Negativvortrag für das Haushaltsjahr 2023 in Verbindung mit erheblichen Tarifsteigerungen und einem geringeren Ertrag bei den Domstufen-Festspielen. Die maßgeblichen Informationen basieren auf der Haushaltsplanung, dem Berichtwesen sowie mündlichem Vortrag im Ausschuss. Es lagen und liegen keine manifesten Informationen über weitere Betriebsrisiken oder gar strafrechtlich relevante Fehlleistungen auf diesem Gebiet vor. Alle notwendigen Maßnahmen wurden ergriffen. Mit der neuen Werkleitung werden nun die betrieblichen Steuerungsdefizite aufgearbeitet und Vorschläge für die Optimierung des Berichts- und Kontrollwesens erarbeitet.
Die Kommission trat letztmalig zusammen und führte ein abschließendes Auswertungsgespräch. Mit dem Sitzungstermin wurde die Kommission am 28. Februar 2024 aufgelöst.
Am 23. Februar wurde entsprechend des Beschlusses des Werkausschusses die Rechtsanwaltsgesellschaft (PwC) beauftragt, die über eine weitreichende rechtliche Expertise zu Fragen der öffentlichen Hand und zu den für die Stadt Erfurt relevanten Rechtsgebieten vorweisen kann. Ein Zwischenbericht durch PwC Legal soll dem zuständigen Ausschuss bis Ende April 2024 vorgelegt werden.
21. Februar 2024: Werkausschuss des Theaters Erfurt beschließt Beauftragung einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit weiterer Untersuchung zum Theater
Der Werkausschuss Theater tagt im Rathaus. Ausgehend von der Compliance-Untersuchung am Theater Erfurt beschließt der Werkausschuss, dass neben der fortlaufenden Überprüfung durch das Rechnungsprüfungsamt eine weitere externe Untersuchung durch die Anwaltsgesellschaft PricewaterhouseCoopers Legal (PwC) zum Umgang mit der Thematik seitens der Stadtverwaltung, der zuständigen Gremien sowie der maßgeblichen Organe des Eigenbetriebs erfolgen soll. Auch die Zukunftsfähigkeit des Theaters soll konkret unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einschließlich der Compliance-Strukturen untersucht werden. Ferner wird eine arbeitsrechtliche Bewertung von gewonnenen Erkenntnissen beauftragt sowie die Erarbeitung eines Aufhebungsvertrages mit dem Generalintendanten
Gemäß den Beschlüssen des Stadtrates wurde am Theater Erfurt eine neue Werkleitung einbestellt. So ist Malte Wasem, künstlerischer Betriebsdirektor, ab dem 2. Februar als erster Werkleiter tätig. Christine Exel, bisher Mitarbeiterin der Stadtwerke Erfurt, hat ihre Stelle als Verwaltungsdirektorin und damit als zweite Werkleiterin ebenfalls am 2. Februar angetreten.
Am 31. Januar fand die Sondersitzung des Stadtrates zu aktuellen Fragen im Zusammenhang mit dem Theater statt. Bei der Sitzung ging es um den Umgang mit dem fehlerhaften Verhalten der bisherigen Werkleitung. Der Stadtrat folgte dem Oberbürgermeister bei der Abberufung der alten Werkleitung und der Bestellung einer neuen Interims-Werkleitung und beschloss die Abberufung der bisherigen Werkleitung, sowie die Verdachtsmomente im Theater – insbesondere die wirtschaftlichen – weiter zu ermitteln und eine Anwaltskanzlei, die ausdrücklich nicht aus Erfurt kommen soll, mit den Verhandlungen zu einem neuen Aufhebungsvertrag mit dem Genrealintendanten zu beauftragen.
Zur Aufarbeitung der Vorkommnisse im Bereich sexueller Gewalt und des Machtmissbrauchs hat das Dezernat Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe einen 10-Punkte-Plan erarbeitet, der mit der kommissarischen Theaterleitung und den Führungskräften diskutiert und in dieser Woche eingesetzt wird.
Die Stadtverwaltung Erfurt als Rechtsträgerin des Theaters Erfurt hat bereits erste Schritte vollzogen, die Ergebnisse der Untersuchung in aktives Handeln zu übersetzen:
- Es erfolgte eine umgehende rechtliche Bewertung des Berichts, um arbeits- und dienstrechtliche Schritte zu prüfen und ggf. zu vollziehen.
- Es wurde der Empfehlung gefolgt, einen organisatorischen Neustart mit neuer Werkleitung vorzunehmen (zunächst kommissarisch, später folgt die Ausschreibung der Theaterleitung und ein beteiligungsorientiertes Besetzungsverfahren). Der Vollzug steht auf der Tagesordnung der Sondersitzung des Stadtrats am 31. Januar 2024.
- Die neue Werkleitung wird gemeinsam mit dem zuständigen Dezernat eine Informationsveranstaltung zu den wesentlichen Verfehlungen (Typologie) und Empfehlungen des Berichts für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbieten. Bei Bedarf kann dieses Format so oft wiederholt werden, bis alle Interessentinnen und Interessenten die Möglichkeit hatten, sich mit dem Thema ausführlich zu befassen.
- Darüber hinaus werden Angebote geprüft, die eine professionelle Beratung zum Thema sexuelle Gewalt, Machtmissbrauch und Diskriminierung im Haus erlauben.
- Bereits die kommissarische Werkleitung wird mit Unterstützung des Dezernats die Initiative ergreifen, ein Compliance Management System zu entwickeln, das die Fortführung oder Wiederholung festgestellter Regelverstöße vereitelt.
- Das Dezernat prüft – wenn der Stadtrat sich für den Beibehalt der Rechtsform eines Eigenbetriebes entscheidet – die Entwicklung eines Aufsichtsgremiums über den gesetzlich vorgesehenen Werkausschuss hinaus.
- Auf das Meldesystem zu Gewalterfahrung und Hilfesuche wird mit einem speziellen Aushang hingewiesen.
- Beobachtungen aus dem Bericht werden, soweit sie sich auf konkrete Fälle beziehen, bei denen Hilfe gewollt ist, weiter analysiert und ggf. mit Betroffenen/sich Fehlverhaltenden bearbeitet.
- Werkleitung und Leitungskreis werden sich mit dem Thema Führungskultur pflichtig befassen, überkommene Machtverschiebungen analysieren und beheben sowie aktiv an der Transformation des Leitungsmodells mitarbeiten.
- Die Stadtverwaltung Erfurt wird die Erkenntnisse aus dem Bericht und den Konsequenzen im Theaterbetrieb, die daraus gezogen werden, in den Stadtrat einbringen, um ein neues Modell der Theaterleitung mit mehr Macht- und Leitungsteilung zu entwickeln und mit der regulären Neubesetzung der Theaterleitung durchzusetzen.
Die Stadtspitze verhandelte die Demission des 1. Werkleiters zum 1. Februar 2024, seine Weiterbeschäftigung als Generalintendant bis zum Ende der Spielzeit sowie die Anpassung des Beschäftigungsverhältnisses an die zum 1. August 2024 herzustellende neue Theaterstruktur, die keinen inszenierenden Intendanten mehr vorsehen soll. Zum 1. Februar soll zudem eine kommissarische Werkleitung bis zur Neuausschreibung und Neubesetzung der Theaterleitung das Haus führen und ein Compliance-Management-System entwickeln. Auf einer Sondersitzung des Stadtrats am 31. Januar 2024 stehen die Bestätigung der Vereinbarung mit dem Generalintendanten sowie die personellen Maßnahmen auf der Tagesordnung.
Beratung und Abstimmung der dem Stadtrat vorzulegenden Verfahrensvorschläge mit der Thüringer Staatskanzlei, da über alle personellen Maßnahmen gemäß gemeinsamer Finanzierungsvereinbarung Einvernehmen hergestellt werden muss.
Die abschließende arbeitsrechtliche Bewertung liegt vor und fließt in die Entscheidungsvorlage der Verwaltung für die Sitzung am 31. Januar 2024 ein.
Zu den Ergebnissen und Feststellungen des Untersuchungsberichts und weiteren Defiziten
In Auftrag gegeben wurde bei der Kanzlei FS-PP Berlin Part mbB eine Compliance-Untersuchung vor dem Hintergrund von Vorwürfen sexueller Belästigung und des Machtmissbrauchs am Theater Erfurt. Die Bewertung der zu treffenden Feststellungen sollte in erster Linie mit Blick auf die künftige Gewährleistung von Rechts- und Regeleinhaltung in der Organisation erfolgen. Deshalb waren auch Verdachtsfälle in die Untersuchung einzubeziehen, die strafrechtlich verjährt oder mangels rechtzeitig gestellten Strafantrags nicht verfolgbar sind und möglicherweise wegen der seitdem verstrichenen Zeit heute auch keinen Anlass für reaktive dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen mehr geben könnten. Es war zudem festgelegt, dass die arbeitsrechtliche Vertiefung durch die Stadtverwaltung erfolgen würde. Ferner sollte auch das Verhalten der Stadtverwaltung als Rechtsträger des Theaters untersucht werden.
Festgestellt wurden im Ergebnis Rechts- und Regelverstöße im Theater Erfurt, aber keine verfolgbaren Straftaten. Gravierend ist die Erkenntnis, dass die Organisationskultur Vorgänge, wie sie im Untersuchungsbericht aufgedeckt wurden, zulässt: „Im Theater Erfurt ist keine Compliance-Kultur etabliert, die der Begehung von Taten der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs entgegenwirken würde. Wir mussten im Gegenteil einen klar negativen Tone from the Top feststellen.“
Gegen den Generalintendanten bestehen Verdachtsfälle, durch unangemessenes Verhalten gegenüber Beschäftigten schuldhaft seine dienstlichen Pflichten bzw. seine Fürsorgepflicht verletzt zu haben. Gleichwohl kann nicht von einem Tatnachweis oder auch nur hinreichendem Tatverdacht im engeren strafprozessualen Sinne gesprochen werden, weil dies eine vollständige Ausschöpfung der Beweismittel erfordern würde. Entscheidend aber ist, dass diese Art der Führungskultur, die ganz offensichtlich ein nicht zeitgemäßes Verhaltensmilieu prägt, abgestellt werden muss. Auch anderen Mitarbeitenden und Gästen des Hauses werden derartige Regelverstöße zugewiesen.
Weiterhin hält der Bericht fest, dass die Leitungskräfte des Theaters, nämlich die beiden Werkleitungen und der langjährige Personalleiter, es versäumt hätten, ein auf Prävention von Diskriminierung, insbesondere Diskriminierung auf sexueller Grundlage, ausgerichtetes Konzept zu etablieren und fortzuentwickeln. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit wären intern gegeben gewesen.
Die organisatorisch durch zwei gleichgeordnete Werkleitungen vorgesehene Machtbegrenzung durch Arbeitsteilung und Funktionstrennung habe sich vollkommen in Richtung des Generalintendanten verschoben. Es sei mindestens eine neue Aufsichtsfunktion erforderlich, das bisherige System sei nicht mehr zeitgemäß.
Der sorgfältige Aufbau eines Compliance-Management-Systems sei dringend geboten. An dem dafür erforderlichen Prozess zur Identifikation gemeinsamer Werte seien die Beschäftigten zu beteiligen. Außerdem wird empfohlen, die Rechtsform und die Kontrollgremien zu überprüfen; ein Eigenbetrieb in dieser Form wird als nicht zeitgemäß erachtet.
Schließlich habe die Untersuchung keine Feststellungen ergeben, welche die Schlussfolgerung tragen würden, die Verwaltung der Landeshauptstadt Erfurt in der Person des zuständigen Beigeordneten oder des Oberbürgermeisters habe vor Juli 2023 Kenntnis von Verdachtsfällen gehabt. Es habe keine Feststellungen gegeben, welche die kolportierte Vermutung tragen würden, ab Juli 2023 seien durch die städtische Verwaltung Vorfälle vertuscht oder eine sachgerechte Aufklärung unterlassen, behindert oder verhindert worden.
Einen Neustart mit der bisherigen Werkleitung sieht die Kanzlei als nicht möglich an.
Diese summarische Ergebnisveröffentlichung ist mit der Kanzlei FS-PP abgestimmt.
Unabhängig von der Compliance-Untersuchung hat das Dezernat Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe im Zuge des Theatertransformationsprozesses Defizite in der Betriebsführung festgestellt. Da eine kooperative Abstellung der Mängel nicht gelungen ist, werden diese dem Stadtrat ebenfalls zur Kenntnis gebracht. Darüber hinaus hat das Dezernat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Werkleitung in Fragen des Personalvertretungsrechts bearbeitet und wird die Ergebnisse seiner Untersuchung ebenfalls einspeisen.
Der Oberbürgermeister lädt die Fraktionsspitzen der demokratischen Parteien zu einer Vorberatung zum Umgang mit den Erkenntnissen ein, da sich die Vertrauensbasis gegenüber der Werkleitung nach beginnender Kenntnisnahme des Berichts weiter eintrübt. Ohne die Entscheidungsfindung des Stadtrates vorwegzunehmen, sprechen sich die Vertreter/innen der Fraktionen für eine Freistellung der Werkleitung bis zur nächsten Stadtratssitzung (7. Februar 2024) aus. Der Oberbürgermeister vollzieht diesen Schritt im Anschluss an die Sitzung.
Der Beigeordnete für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe informiert im Anschluss die Mitarbeiter/innen des Theaters Erfurt über die eingetretene Situation. Er terminiert für den 22. Januar 2024 eine Sitzung des Leitungskreises und legt die kommissarische Werkleitung – soweit möglich nach geltenden Vertretungsregelungen – fest. Die 1. Werkleitung übernimmt der stv. Generalintendant, die 2. Werkleitung vorübergehend wegen Krankheitsfällen der Beigeordnete selbst.
Der Werkausschuss Theater tagt im Rathaus. Die Stadtverwaltung erläutert das vorbesprochene Verfahren und stellt eine kurzfristige Beschlussvorlage für eine Sondersitzung in Aussicht (31.01.2024), die Vorschläge für Konsequenzen aus dem Untersuchungsbericht, der laufenden betrieblichen Untersuchung des Dezernats sowie einer laufenden Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Werkleitung enthalten wird. Sie räumt den Stadträten ab 18.01.2024 auf Basis einer Verschwiegenheitserklärung aufgrund sensibler Daten und des Opferschutzes die Möglichkeit des vollständigen Einblicks in den Bericht an. Damit ist eine umfassende, datenbasierte Vorbereitung auf die Sondersitzung möglich.
Zu den Untersuchungsergebnissen wird aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Aufbereitung der Beratungsergebnisse vom 15.01.2024 und noch ausstehender entscheidungsrelevanter Informationen keine Aussage getroffen, da sie der Stadtrat nicht nachvollziehen könnte. Rechtssicheres Entscheiden und Handeln werden als oberstes Gebot benannt. Die Verwaltung informierte aber, dass es keine strafrechtlich verfolgbaren Sachverhalte, wohl aber Rechts- und Regelverstöße gebe, denen mit Maßnahmen zu begegnen sei. Sie stellte konsequentes Handeln der Stadtverwaltung in Aussicht, das sich auch in einer Beschlussvorlage widerspiegeln werde.
Die Kommission tritt zusammen und berät den von den Mitgliedern gelesenen Bericht. In der Zwischenzeit wurde eine arbeitsrechtliche Prüfung des Berichts in Auftrag gegeben sowie das Rechnungsprüfungsamt mit einer ergänzenden Untersuchung beauftragt. Mit dem Ausschussvorsitzenden ist bereits der Vorschlag einer Sondersitzung des Werkausschusses Theater Ende Januar vereinbart worden, da für die planmäßige Sitzung am 17. Januar 2024 keine angemessene Vorbereitung der Stadträte gewährleistet werden kann.
Die beauftragte Berliner Kanzlei FS-PP hat ihren vertraulichen Bericht über die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und Amtsmissbrauches der Kommission vorgelegt (123 Seiten zzgl. Anlagen). Die Kommission wird diesen Bericht analysieren und ausführlich besprechen sowie gegebenenfalls ergänzende Anhörungen durchführen. Mögliche organisatorische, dienst- und arbeitsrechtliche Konsequenzen müssen geprüft werden, dieser Vorgang soll Ende Januar vollständig abgeschlossen sein. Je nach Erkenntnis- und Verfahrensverlauf entscheidet die Stadtverwaltung, wann und in welcher Form sie die Öffentlichkeit unter Berücksichtigung des Datenschutzes und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte näher unterrichten wird.
Zwischenbetrachtung der Arbeitsergebnisse und Beratung über die ungefähre Zeitschiene der Fertigstellung.
Der Werkausschuss war auf seiner Sitzung am 29. November 2023 über den Stand informiert worden. Ihm wurde in Aussicht gestellt, dass er keinen Zwischenbericht, sondern gleich das Endergebnis der Untersuchung auf seiner nächsten Sitzung erhalten werde. Dabei war davon ausgegangen worden, dass der Bericht vor Weihnachten vorliegen und eine Auswertung rechtzeitig zur Gewährleistung der Ladungsfrist erfolgen könne. Dies trat aufgrund der schwer kalkulierbaren Gesprächsfülle, die sich erfreulicherweise einstellte und auch aussagekräftiges Material für eine Auswertung einbrachte, nicht ein.
Auftaktberatung der Kommission, Klärung der Zusammenarbeit, des Verfahrens und der vertrauensvollen Zusammenarbeit
Die Kanzlei FS-PP Berlin wird auf Basis einer Aufgabenstellung beauftragt, die sowohl die Befragung von Betroffenen, Zeugen und anderen Auskunftswilligen vorsieht als auch die Beleuchtung der Rolle des Rechtsträgers (Stadtverwaltung), der mit Misstrauen begegnet wird.
Die Kommission soll gewährleisten, dass die Aufklärungsarbeit objektiv und – unter Einbezug der Personalvertretung des Theaters Erfurt – vertrauensvoll erfolgen kann. Die anwaltliche Ebene erlaubt zudem auch den Austausch mit der Rechtsvertretung der ehemaligen Gleichstellungsbeauftragten sowie der Staatsanwaltschaft, die die Stadtverwaltung nach der Informationsverweigerung der Gleichstellungsbeauftragten ebenfalls sofort eingeschaltet hatte.
Aus der Aufgabenstellung für die Kanzlei:
„Durchführung einer anwaltlichen Untersuchung mit dem Ziel einer Ergebnisberichterstattung zu folgenden im Verlauf der Untersuchung ggf. zu präzisierenden oder zu erweiternden Fragestellungen:
1. Sind Tatsachen festzustellen, die gegen Personen einen Anfangsverdacht von Straftaten begründen, insbesondere strafbarer Verletzungen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung?
2. Sind Tatsachen festzustellen, die unterhalb der Grenze zu Straftaten einen Anfangsverdacht von Rechts- oder Regelverletzungen im beruflichen Umfeld begründen, insbesondere von sexueller Belästigung oder Machtmissbrauch?
3. Sind Tatsachen festzustellen, die – ohne unmittelbare Tatbeteiligung – einen Anfangsverdacht gegen Verantwortliche begründen, Rechts- oder Regelverletzungen der vorgenannten Art geduldet zu haben oder nicht gegen sie eingeschritten zu sein oder sonst durch Verletzung dienstlicher Pflichten es unterlassen zu haben, die Begehung solcher Rechtsverletzungen in ihrem Verantwortungsbereich zu verhindern oder mindestens zu erschweren?
Außerdem wurde bestimmt: Die Untersuchung soll die seit Bekanntwerden der Vorwürfe erfolgten Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung, auch im Geschäftsbereich der Gleichstellungsbeauftragten, einbeziehen und bewerten. (…)
Die Untersuchung wurde als Compliance-Untersuchung beauftragt und durchgeführt. Die Bewertung der zu treffenden Feststellungen sollte also in erster Linie mit Blick auf in der Zukunft zur Gewährleistung von Rechts- und Regeleinhaltung in der Organisation zu treffende Maßnahmen erfolgen. Deshalb waren auch Verdachtsfälle in die Untersuchung einzubeziehen, die strafrechtlich verjährt oder mangels rechtzeitig gestellten Strafantrags nicht verfolgbar sind und möglicherweise wegen der seitdem verstrichenen Zeit heute auch keinen Anlass für reaktive dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen mehr geben könnten.“