Offener Brief von Dr. Tobias J. Knoblich
Sehr geehrter Herr Goldberg,
eigentlich lohnt es nicht, Ihnen zu schreiben, da Sie sich noch nie die Mühe gemacht haben, mich zu befragen, bevor Sie etwas über mich schreiben oder weitreichend urteilen. Darum auch veröffentlichen Sie Ihre galligen Texte unter der Rubrik „Meinung“ – wobei auch eine journalistische Meinung mehr sein sollte als bösartig verrührtes Halbwissen; ein journalistischer Kommentar setzt eigentlich auf gut recherchierten Sachverhalten auf und wird dann subjektiv. Er soll zur Meinungsbildung bei der Leserschaft beitragen; Ihre Kommentare sind daher keine, Sie polemisieren vom hohen moralischen Ross aus, ohne sich mit den Hintergründen angemessen zu befassen.
Da Ihr letzter Text (TA vom 16. Dezember 2023) nun ein besonders trauriges Niveau erreicht, der Gegenstand aber so ernst ist, dass man ihn nicht im Gewand Ihrer billigen Engführung belassen sollte, will ich für die Menschen, die es interessiert, und weniger an Sie gerichtet darauf Bezug nehmen.
Hätten Sie sich gründlich mit dem Thema befasst, wie ich es im Übrigen von Anfang an tue, wäre schon die Überschrift ein Tabu: „Verjährt und vergessen“. Ihr magerer Rekurs auf zwei Pressmitteilungen reicht da leider nicht aus, man muss sich schon mehr Mühe geben. Perfide ist, dass Sie unseren Aufklärungswillen in Frage stellen, während wir mehrfach erklärt haben, was wir gerade mit viel Aufwand und Hochdruck unternehmen und warum wir dies tun. Offenbar können Sie die Dinge nicht unterscheiden: Es gibt ein Problem mit Dienstpflichtverletzungen, und es gibt ein klares Handeln der Stadtspitze in der Sache selbst, an dessen Ende ein Bericht und Maßnahmen stehen werden.
Noch einmal für Sie, da die meisten anderen es verstanden zu haben scheinen: Wir haben eine Kanzlei mandatiert, die a) strafrechtlich Relevantes, b) unterhalb des Strafrechts Relevantes und c) auch das Handeln des Rechtsträgers des Theaters (also die Stadtverwaltung) in Vergangenheit und Gegenwart beleuchtet. Zu Punkt a) laufen zudem Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft, die wir unverzüglich eingeschaltet hatten. All das ist presseöffentlich bekannt. Wenn Sachverhalte strafrechtlich verjährt sind, heißt das nicht, dass sie in der Gesamtbilanz keine Rolle spielen werden. Wir haben öffentlich erklärt (zuletzt im Stadtrat), dass wir innerhalb kürzester Zeit aufklären und handeln werden und keinerlei sexualisierte Gewalt in der Stadtverwaltung dulden.
In meine Kommission, die die Arbeit der Kanzlei flankiert, ist der Personalrat des Theaters einbezogen, die Mitarbeitenden wissen seit Aufnahme unserer Arbeit präzise, wo wir stehen und was wir tun. Wir führten dazu auch eine Personalversammlung durch. Niemand von uns hat ein Interesse daran, etwas zu vergessen, im Gegenteil, wir sichern gerade Informationen, Beweise, Belege – die wir leider auf anderem Wege nicht bekamen. Haben Sie den Personalrat einmal befragt?
Haben Sie sich nur einmal die Frage gestellt, ob den mutmaßlichen Opfern der Weg in die TA tatsächlich geholfen, das Verfahren beschleunigt hat? Ob es belegbare Gründe für diesen Schritt an den zuständigen Stellen vorbei gegeben hat? Welche alternativen, wirklich wirksamen und rechtskonformen Schritte möglich gewesen wären? Was genau man den Vorgesetzten vorwerfen kann, dass man ihnen rechtmäßige Informationen vorenthält und sie zu Komplizen eines vermeintlichen Netzwerks des Schweigens erklärt? Da reicht es nicht, auf eine vergangene Praxis oder pauschale Vorbehalte zu verweisen bzw. auf die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte zu zeigen, die nicht genug unternommen habe, denn der Weg zu übergeordneten Stellen, auch zur Kommunalaufsicht oder Staatsanwaltschaft, ist immer frei gewesen.
„Klappe halten, abducken!“, wie Sie urteilen, ist nicht nur völlig unterkomplex und albern, diese vermeintliche Handlungsanweisung unterstellt auch, wir hätten Gleichstellungsarbeit gezielt blockiert, bagatellisiert oder gar die Aufklärung als unliebsam zurückgewiesen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben leider die Bedingungen wiederherstellen müssen, die die Aufklärung rechtssicher erlauben, und zwar nicht nur auf Basis des Gleichstellungsgesetzes, sondern auch des Datenschutzes und des Schutzes der Persönlichkeitsrechte. Da wird nichts „gedeckelt“, sondern unter Bedingungen gestellt, die auch den mutmaßlichen Opfern helfen.
Diese notwendige Tiefe des Nachdenkens erreichen Sie leider nicht, daher können Sie nur schlussfolgern: „Stellenbeschreibung einhalten, Klappe halten“. Hätten Sie als Kommentator eine Stellenbeschreibung, die es mit dem Journalismus ernst meint, würde ich Sie in diesem Punkt gern zitieren. Es träfe ins Schwarze.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Tobias J. Knoblich
Beigeordneter für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe
der Landeshauptstadt Erfurt