Geschichte des Erfurter Rathauses
Das dominierende Bauwerk des Fischmarktes ist das neogotische Rathaus. Es wurde in den Jahren 1869 bis 1875 nach Plänen von August Thiede und Theodor Sommer an der gleichen Stelle errichtet, an der sich schon das alte Rathaus befunden hatte.
Der alte traditionsreiche Gebäudekomplex, der in der Zeit zwischen früher Gotik und ausgehender Renaissance entstanden war, wurde größtenteils 1830, der Rest 1869/1870 abgebrochen.
Vom alten Rathaus ist neben einigen Ausstellungsstücken im Angermuseum nur eine Wappentafel von 1418 an einer der Hofseiten des heutigen Rathauses erhalten geblieben.
Mit seiner monumentalen Vorhalle, der baukünstlerischen Gestaltung der Flure und des Treppenaufganges sowie seinen Erweiterungsbauten repräsentiert das neugotische Erfurter Rathaus den Aufschwung der alten thüringischen Handels- und Industriestadt am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Neben seiner Funktion als Verwaltungsbau und politisches Zentrum der Stadt übt es vor allem auch durch seine künstlerische Ausstattung einen besonderen Reiz aus. Trotz aller widersprüchlichen Stilkomponenten gehört es heute zum unverwechselbaren Gesicht der Stadt und ist eines ihrer bedeutendsten Wahrzeichen.
Zahlreiche sehenswerte Wandgemälde schmücken die Wände des Treppenhauses, der Flure und des Festsaales. Ihre Motive sind der Erfurter und thüringischen Geschichte und Sagenwelt entnommen.
Die Bilder von Professor Eduard Kämpffer aus den Jahren 1891 bis 1895 im Treppenhaus und in den Fluren stellen Szenen aus der Legende des Grafen von Gleichen, aus dem Leben Luthers, aus der Faust-Sage und der Tannhäuser-Sage dar.
Um- und Erweiterungsbauten am Rathaus folgten. Durch Verlängerung des Ostflügels entstanden in den Jahren 1904/1905 ein zweites Treppenhaus, weitere Büroräume und der Ratssitzungssaal sowie 1934 nach Plänen von Johannes Klaß der Anbau der Stadtsparkasse am Fischmarkt und an der Rathausgasse.
Durch einen niedrigen Zwischenbau wurde einerseits der stilistische Gegensatz zwischen den beiden Gebäuden hervorgehoben und damit andererseits eine Verbindung zwischen der jüngeren und der älteren Architektur geschaffen.
Plastiken von Hans Walter unter der auskragenden Giebelwand oberhalb des Haupteingangs zur Stadtsparkasse verweisen auf menschliche Untugenden wie Geiz, Neid, Faulheit, Dummheit, Eitelkeit und Gefräßigkeit.
Das Sternenrelief an der Erdgeschossecke des Gebäudes will zur Fürsorge für die Bedürftigen mahnen. Zwölf in Stein gehauene Sternbilder des Tierkreises an den neun Meter hohen Kehlen des Mittelfensters versinnbildlichen das Auf- und Absteigen des menschlichen Lebens.