Gut gehen lassen – Fußverkehrscheck am Johannesplatz

Erfurt war eine von fünf Modellstädten des Projekts „Gut gehen lassen – Bündnis für attraktiven Fußverkehr“. Vom Herbst 2021 bis zum Frühjahr 2023 führte der Fachverband Fußverkehr FUSS e. V. am Johannesplatz einen Fußverkehrs-Check durch.

Neubaublöcke
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Erfurt war eine von fünf Modellkommunen, die bei der Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie vom Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e. V. unterstützt wurde. Das Projekt mit dem Titel „Gut gehen lassen – Bündnis für attraktiven Fußverkehr“ trug dazu bei, die Sicherheit und Attraktivität des zu Fuß Gehens zu erhöhen sowie der Stadtverwaltung entsprechende Maßnahmen und Empfehlungen dafür an die Hand zu geben. Ausgewählt wurden 2021 neben Erfurt auch Braunschweig, Flensburg, Meißen und Wiesbaden. Bis Anfang 2023 gab es in jeder der fünf Städte strategische Gespräche mit der Stadtverwaltung, einen Workshop, einen Fußverkehrs-Check, eine Aktion auf der Straße und eine Begehung mit der Kommunalpolitik – ein so bezeichnetes „Parteiengespräch auf dem Gehweg“.

Zudem wurden engagierte Bürgerinnen und Bürger für den Johannesplatz gesucht, so genannte „Quartiers-Geherinnen und Quartiers-Geher“, die vom Fachverband Fußverkehr geschult wurden. Sie wurden zum Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung und vermittelten ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, wie sie mit entsprechenden Materialien und Kenntnissen die Kommunalverwaltung bei der Fußverkehrsförderung unterstützen können. Im Juli 2021 gründete sich in Erfurt ein Ortsverband des FUSS e. V., der gerne Unterstützerinnen und Unterstützer aufnimmt.

Das Projekt hatte eine Laufzeit von zwei Jahren und wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und vom Umweltbundesamt gefördert.

Ausgewählte Projekte zur Förderung des Fußgängerverkehrs

ein Parkabschnitt mit einem großen Weg, der mittig von Staudenflächen unterbrochen ist, am Rand Bänke und Bäume
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Begegnungszone

Um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen und die Attraktivität der Innenstadt insbesondere für Fußgänger zu erhöhen wurde die Begegnungszone als eine wesentliche Maßnahme des Verkehrsentwicklungsplanes Innenstadt realisiert. Hierzu gehörten unterschiedlichste Maßnahmen, wie die Lieferzeitbeschränkungen, das Neuordnen der Bewohnerparkgebiete, die Reduzierung von Fahrgeschwindigkeiten auf Tempo 20, wenn die Umsetzung als verkehrsberuhigter Bereich nicht möglich war und eine Kampagne zu den Inhalten der Begegnungszone im Jahr 2020.

Nordpark und Geraaue

Im Rahmen der BUGA-Vorbereitungen wurde die nördliche Geraaue neu gestaltet. Im Bereich der Grünanlagen konnten wertvolle Erlebnisräume und Ruhezonen für Zufußgehende und Radfahrende aufgewertet und neu geschaffen werden.

eine Baumallee mit Sitzbänken inmitten einer Wohnanlage
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Berliner Platz

Am Berliner Platz wurde auf der Grundlage der ursprünglichen Planung die Fußachse im Zentrum des Gebietes barrierefrei gestaltet und den heutigen Ansprüchen entsprechend aufgewertet.

Regelbauweisen

Die Haltestellen der Stadtbahnlinien wurden in den vergangenen Jahren im Sinne der Barrierefreiheit ausgebaut. Der barrierefreie Ausbau der Bushaltestellen läuft noch. Weiterhin trägt die Erarbeitung und Anwendung der Regelbauweisen zum barrierefreien Bauen im Straßenraum zur Förderung des Fußverkehrs bei.

Warum hat sich Erfurt für das Projekt "Gut gehen lassen" beworben?

In der Verkehrsplanung wird der Fußverkehr immer mitgedacht, oft bekommt er flächenmäßig allerdings nur die Restflächen zugesprochen. Platzansprüche von Zufußgehenden und Verkehrssicherheitsfragen sollten auch in der öffentlichen Wahrnehmung eine viel größere Rolle spielen als das der Fall war. Mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum schafft Lebensqualität für Bewohnerinnen und Bewohner sowie ein sicheres und gesundes Umfeld insbesondere für Kinder und Senioren.

Im Gegensatz zum Thema Radverkehr gibt es keine starke Lobby für das Thema Fußverkehr. An verschiedenen Stellen im Stadtgebiet, gerade auch in den Wohnquartieren sah die Verwaltung aber erhebliche Defizite, was die Flächenaufteilung und die Qualität von Fußverkehrsanlagen betraf. Abgesehen von der Fußverkehrsförderung in der Innenstadt im Rahmen der Umsetzung der Begegnungszone und der Neugestaltung der Fußgängerzone am Berliner Platz wurden in anderen Stadtteilen bisher kaum Projekte umgesetzt, die explizit den Fußverkehr ins Auge gefasst haben. Das wollte die Verwaltung ändern.

Ziele der Projektteilnahme

Das Ziel der Stadt Erfurt war es im Rahmen des Modellprojektes, das Thema Fußverkehr ins Bewusstsein von Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Politik zu rücken. Schwachstellen sollten analysiert und Maßnahmen abgeleitet werden, um den Fußverkehr gezielt in einem Quartier zu fördern und damit ein Vorbild für weitere Stadtteile zu schaffen.

Die Verwaltung erhoffte sich im Rahmen der Beteiligung Impulse von der Stadtbevölkerung und ein Verständnis für die Bedürfnisse vor Ort zu erlangen. Gleichzeitig baute sie auf die fachkundige Unterstützung des Fuss e. V. im Umgang mit schwierigen Argumenten, denen sie beim Thema Flächenneuverteilung oft gegenüber steht, um eine Fußverkehrsförderung und auch die Akzeptanz für entsprechende Maßnahmen zu erreichen.

Projektgebiet - Der Johannesplatz

Parkanlage an der Eislebener Straße mit Blick Richtung Johannesstraße
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt / Vitalik Gürtler

Als Modellquartier wurde der Johannesplatz einschließlich des Bereichs bis zur Stollbergstraße gewählt. Damit wären mehrere Siedlungstypen (Großwohnsiedlung, Gründerzeitgebiet) abgedeckt. Vor Ort konnte auf gute Vernetzungen des Ortsteilbürgermeisters Herrn Bednarsky sowie des Quartiermanagers Herrn Gerbing zurückgegriffen werden.

Die Lage der Nahversorger, Dienstleister, Schulen und Kitas begünstigt das Zufußgehen im Sinne einer "Stadt der kurzen Wege". Die Infrastruktur ist vorhanden, bedarf aber einer Sanierung und Verbesserung, weswegen davon ausgegangen wurde, dass mit einem überschaubaren finanziellen Aufwand entscheidende Verbesserungen möglich sind.

Untersuchungsgebiet Johannesplatz

Untersuchungsgebiet Johannesplatz

Dateigröße: 7.1 MB | Dateityp: pdf | Dokument nicht barrierefrei

Herausgeber: Stadtverwaltung Erfurt
Redaktion: Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung

Untersuchungsgebiet Johannesplatz

Projektablauf

2021 Juni – Bewerbung und Auswahl

Im Mai/Juni bewarb sich Erfurt für das Projekt "Gut gehen lassen" beim FUSS e. V. und erhielt gemeinsam mit Braunschweig, Flensburg, Meißen und Wiesbaden den Zuschlag.

Johannesplatz Auftaktveranstaltung
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

18.10.2021 Auftaktveranstaltung

Am 18. Oktober 2021 fand der Projektauftakt mit dem Ortsteilbürgermeister Herrn Bednarsky, dem Stadtteilmanager Herrn Gerbing, Vertretern der Stadtverwaltung einschließlich dem Beigeordneten für Kultur und Stadtentwicklung Herrn Dr. Knoblich statt. Gemeinsam wurde der Stadtteil erkundet und einige Konfliktpunkte aus Sicht verschiedener Zufußgehenden (Elternteil mit Kind, Schüler, Erwachsener, Senioren, mobilitätsbeeinträchtigte Person…) betrachtet und diskutiert.

Aufnahme vom Workshop in der Integrierten Gesamtschule am 26.04.2022
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

26.04.2022 Fach-Fußverkehrs-Check

In Form eines Workshops wurden Ende April durch Vertreter verschiedener Institutionen, Vereine, Fraktionen, Ämter der Stadtverwaltung aber auch der Schulen, Kitas und Wohnungsbaugenossenschaften sowie der Ortschaftsvertretung und des Quartiersmanagers Qualitätskriterien für den Fußverkehr festgelegt und vor Ort anhand konkreter Beispiele diskutiert. In diesem Rahmen konnten bereits Bürgerinnen und Bürger, welche sich als Quartiersgeherinnen und Quartiersgeher für den Fußgängerverkehr am Johannesplatz engagieren möchten, melden und teilnehmen.

Das Fotos zeigt die Teilnehmenden des Parteiengesprächs am Ilversgehofener Platz
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

13.09.2022 Parteiengespräch

Im September fand die Schulung der Quartiersgeherinnen und Quartiersgeher statt.

Weiterhin erfolgte am 13.09.2022 das Gespräch in dem Gebiet Johannesplatz mit den Fraktionen. Dabei konnten mehrere kritische Bereiche angeschaut und diskutiert werden. Dies betraf vor allem zu schmale Gehwege, aber auch fehlende und unsichere Querungsmöglichkeiten. Da an der Begehung Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen teilnahmen, konnten sie ihre Belange sehr gut veranschaulichen.

Die Einbeziehung der Fraktionen ist sehr wichtig, um dem Fußverkehr auf der politischen Ebene mehr Beachtung zu geben und die entsprechenden Finanzmittel bereitzustellen.

 

Deckblatt des Projektberichts
Foto: © FUSS e.V.

Frühjahr bis Winter 2022 Maßnahmeprogramm

Der Fuss e.V. erstellte ein Maßnahmenprogramm für den Johannesplatz, in dem Verbesserungen für den Fußverkehr enthalten sind. Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern wurden im Vorfeld nicht ausgeräumt, da es ausschließlich die Belange der Zufußgehenden berücksichtigt wurden. Das Maßnahmenprogramm wurde vorab der Verwaltung zur Einsicht und Ergänzung vorgelegt. Seitens der Verwaltung konnten jedoch keinen wesentlichen Änderungen mehr vorgenommen werden, da Fuss e.V. unabhängig von der Verwaltung agiert.

28.02.2023 Abschlussgespräch

Die Abschlussveranstaltung am 28.02.2023 fand unter Beteiligung zahlreicher Interessenvertreter, Verbände und Ämtern der Verwaltung im technischen Rathaus statt. Die unterschiedlichen Akteure trugen dazu bei, dass es eine kurzweilige Veranstaltung mit einem vielfältigen Austausch wurde, nachdem der Fuss e.V. ausgewählte Maßnahmen im Untersuchungsgebiet und strategische Maßnahmen generell zur Förderung des Fußverkehrs vorstellte. Der Ergebnisbericht konnte an den Beigeordneten für Bau und Verkehr, Herrn Bärwolff übergeben werden. Sein Fazit: "Das erste Fußverkehrsprojekt der Stadt Erfurt ist erfolgreich zu Ende gegangen und hat es geschafft, das Thema Fußverkehr mehr in den Fokus zu rücken".

Beteiligung

Das Projekt wurde begleitet durch Quartiersgeherinnen und Quartiersgeher, welche häufig vor Ort unterwegs waren.

Über die GehCheck-APP bestand und besteht auch weiterhin die Möglichkeit auch außerhalb des Projektes Kritiken und Vorschläge einzubringen. Dies ist nicht auf das Untersuchungsgebiet des Projekts "Gut gehen lassen" beschränkt, sondern kann für die Gesamtstadt angewendet werden.

Beschlussfassung

Mit der Drucksache 1142/23 "Fußverkehrsprojekt Gut gehen lassen" legte die Verwaltung den politischen Gremien den Abschlussbericht zur Kenntnis vor und verpflichtete sich zur Umsetzung der benannten Maßnahmen. Im Stadtrat wurde die Drucksache einstimmig bestätigt.

Als stadtraumübergreifendes Konzept soll ein Fußverkehrs-Bedeutungsplan erarbeitet werden.