Anregungen, Fragen und Antworten zur Evaluation des Klimaschutzkonzeptes
Hintergrund
Seit 2010 hat die Landeshauptstadt Erfurt ein Klimaschutzkonzept. Arcadis unterstützt seit 2019 bei der Überprüfung und Anpassung der gesetzten Ziele und Maßnahmen und begleitet den Prozess der Bürgerbeteiligung. Unter dem Motto „Klima geht uns alle an“ fand am 30.09.2020 eine öffentliche Veranstaltung statt.
Hier hatten Bürgerinnen und Bürger und Beteiligte der Thüringer Landeshauptstadt die Möglichkeit, sich zum Klimaschutzkonzept ihrer Stadt zu informieren und selbst Vorschläge einzubringen. Aufgrund der aktuellen Corona-Bestimmungen wurde die Veranstaltung hybrid durchgeführt: 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren vor Ort zugelassen, alle anderen Interessierten konnten online dabei sein. Allen Beteiligten wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich nach der Veranstaltung noch ergänzend mit Fragen und Anregungen zu beteiligen.
Die Fragen und Anregungen wurden thematisch in Themenfelder gebündelt.
Themenfeld Klimaanpassung
Das Thema Klimaanpassung wurde im vergangenen Klimaschutzkonzept nur am Rande thematisiert. Werden Maßnahmen zur Klimaanpassung im kommenden Konzept ausführlicher ausgearbeitet?
Im Leitbild zum Klimaschutz von 2012 wurde festgeschrieben, dass es ein detailliertes Konzept zur Anpassung an den Klimawandel und den Schutz der Lebensgrundlagen geben soll. Dieses Konzept wurde mit dem Bericht „KlimAdapTiT – Entwicklung von Klima-Adaptionsstrategien und – Technologien in Thüringen“ vorgelegt. Es enthält Informationen zu den Auswirkungen des Klimawandels in Erfurt und Maßnahmen zur Verringerung der negativen Effekte und Anpassung an ebendiese. Darüber hinaus wurde das „Erfurter Stadtgrünkonzept“ und das Konzept „Klimagerechtes Flächenmanagement“ in Erfurt entwickelt. Den Bericht „KlimAdapTiT“ finden Sie unter Maßnahmenkatalog zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
Diese Konzepte stellen die Grundlage des städtischen Handelns im Bereich Klimaanpassung dar. Deshalb wird das Thema im fortgeschriebenen Klimaschutzkonzept verlinkt und nicht ergänzend im Detail ausgearbeitet.
Welche Maßnahmen werden denn aktuell praktisch unternommen, die die Anpassung an den Klimawandel unterstützen?
Durch das Konzept Klimagerechtes Flächenmanagement können die Areale in der Stadt identifiziert werden, die für das Stadtklima besonders wichtig sind, z. B. für Hitzeinseln oder Kaltluftschneisen. In der Bauleitplanung werden diese Erkenntnisse berücksichtigt.
Darüber hinaus gibt es die Projekte „Heatresilient City – Hitzerobuste Stadt“ sowie das „Erfurter Stadtgrünkonzept“. Innerhalb dieser Projekte werden Maßnahmen erprobt und angewendet, wie z. B. die Pflanzung trockenresistenter Pflanzenarten in einigen Modellquartieren. Als Beispiel ist hier das Pilotprojekt „50 Bäume für die Erfurter Oststadt“ zu benennen.
Mit dem Erfurter Hitze-Portal gibt es zusätzlich eine Website zur Information und Bildung der Erfurter Bevölkerung im Hinblick auf Gefahren durch Hitze und Trockenheit.
Gibt es weitere Vorschläge zur Anpassung an den Klimawandel?
Die Daten aus dem Klimagerechten Flächenmanagement geben gute Hinweise für bauliche und planerische Handlungen. Diese könnten in Zukunft durch einen „Klima-Check“ strukturiert angewendet werden. Hierbei wird das vorhandene Projekt oder die Bebauungsplanung auf verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit Klimawandel und Klimaschutz überprüft. So können Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen effektiver direkt im Ansatz der Planung integriert werden.
In diesem Zusammenhang gibt es auch das Prinzip „Doppelte Innenentwicklung“. Hierbei geht es um die gemeinsame Zielsetzung zur Erhaltung des Stadtgrüns und der Reduzierung des Flächenverbrauchs, also auch Verdichtung. In den beschriebenen Konzepten werden viele dieser Aspekte bereits mitgedacht.
Ein weiterer Punkt ist das Wassermanagement. In diesem Bereich geht es z. B. um die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Maßnahmen zur Entsiegelung oder dezentraler Versickerung können verstärkt berücksichtigt werden, um die lokale Infrastruktur bei Starkregenereignissen zu entlasten und Trockenheit vorzubeugen.
Diese Ideen zu Anpassungsmaßnahmen werden von der Stadtverwaltung aufgenommen und geprüft.
Themenfeld Energie
Die Versorgung durch Erneuerbare Energien ist wichtig. Wird die Stadtverwaltung verstärkt PV-Anlagen auf ihren Liegenschaften errichten?
Die Errichtung von PV-Anlagen auf eigenen Gebäuden war bereits eine Maßnahme des evaluierten Konzeptes. Die Stadtverwaltung hat in der Vergangenheit bereits einige Potenziale überprüft und auf vielen städtischen Gebäuden PV-Anlagen errichten lassen. Als Beispiel ist hier das Bürgeramt in der Bürgermeister-Wagner-Str. zu nennen. Die Anlagen wurden bisher insbesondere auf Schulen, Kitas oder Verwaltungsgebäuden errichtet. Das Ziel ist es bisher nicht genutzte Potenziale auszuschöpfen. Mit Stand September 2019 sind in Erfurt auf insgesamt 37 Dächern öffentlicher Gebäude Photovoltaikanlagen installiert und 19 weitere Dächer für die Nutzung von Photovoltaikanlagen vermietet.
Darüber hinaus sollen ebenfalls auch private Dächer zur Stromerzeugung genutzt werden. Der Solarkataster in Erfurt gibt Aufschluss zur Sonneneinstrahlung und Eignung von Dächern.
Das Thema Photovoltaik wird in der Evaluierung detailliert beleuchtet und gibt Hinweise zur Umsetzung der Potenziale.
Themenfeld Verkehr
Es gibt immer noch zu viel Autoverkehr. Was wird unternommen, um Fortschritte beim Verkehr zu erreichen?
Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen im Verkehrssektor nahmen bereits im Klimaschutzkonzept von 2012 eine große Rolle ein. Die Stärkung des ÖPNV, des Rad- und Fußverkehrs, sowie die Reduktion des Autoverkehrs sind festgeschriebene Ziele. Bisher haben sich die Maßnahmen, wie die Begegnungszone Innenstadt noch nicht signifikant auf die Senkung der CO2-Emissionen ausgewirkt. Die im Luftreinhalteplan gesetzten Ziele, die Luftschadstoffe Feinstaub, sowie Stickoxide unter den gesetzlichen Grenzwert zu senken, wurden hingegen erreicht.
Die zwischenzeitlich erstellten Nahverkehrspläne und Verkehrsentwicklungskonzepte zeigen allerdings bereits heute den Weg in die richtige Richtung. Hier muss es eine konsequentere Umsetzung geben. Hier sind z. B. eine bessere Infrastruktur durch Wege und Abstellmöglichkeiten für Radfahrer zu nennen. Neben der Verbesserung der Angebote für ÖPNV und Radfahrer sind auch Pendler zu beachten. Hier müssen Angebote für Park & Ride und die Nutzung des Nahverkehrs verbessert werden. Die Maßnahmen in diesem Bereich werden in der Evaluation ausgewertet und ergänzt.
Wird es in der Stadt vermehrt eine Begrenzung auf Tempo 30 geben?
Geschwindigkeitsbegrenzungen sind ein Mittel, um im städtischen Verkehr Emissionen zu reduzieren. Begrenzungen auf Tempo 30 oder verkehrsberuhigte Zonen werden an geeigneten Standorten angewendet. Um unterschiedlichen Anforderungen und Nutzungen gerecht zu werden, setzt die Landeshauptstadt Erfurt darüber hinaus auf eine breite Palette von Maßnahmen. Diese sind in den Verkehrsentwicklungsplänen festgehalten und werden lokal Schritt für Schritt umgesetzt. Dazu zählen neben Geschwindigkeitsbegrenzungen auch z. B. die Umgestaltung von Kreuzungen und Querungen für eine sicherere Nutzung durch Fußgänger und Fahrradfahrer.
Wird der Fuhrpark der Landeshauptstadt Erfurt selbst klimaneutral betrieben werden?
Im Zuge der Erfurter Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Landeshauptstadt Erfurt verpflichtet, hier mit gutem Beispiel voran zu gehen. So soll bis 2025 60 % der Fahrzeugflotte der Stadtverwaltung umweltfreundlich betrieben werden. Im Jahr 2030 sollen es dann 100 % sein. Darüber hinaus sollen auch der Fahrradverkehr und die Nutzung des ÖPNV für Mitarbeiter der Stadtverwaltung gefördert werden. Entsprechend Maßnahmenvorschläge werden in der Evaluierung ausgeführt.
Themenfeld Nachhaltige Entwicklung und Kreislaufwirtschaft
Konsum und Lifestyle haben ebenfalls einen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck der Bürger. Diese Emissionen wurden im alten Klimaschutzkonzept nicht berücksichtigt. Ändert sich das nun?
Die Emissionen aus Kaufentscheidungen und Produkten sind oft schwer nachzuvollziehen und unterliegen unterschiedlichen globalen Faktoren. Somit ist es schwierig, auf der Ebene eines Klimaschutzkonzeptes der Landeshauptstadt verbindliche und überprüfbare Ziele und Maßnahmen festzuschreiben. Gleichzeitig hat die Stadtverwaltung nur einen begrenzten Einfluss auf die Entscheidungen der Bevölkerung. Aus Sicht der Landeshauptstadt Erfurt kann dieses Thema im Bereich Bildung und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt werden, um so die Erfurter Bürgerinnen und Bürger zu nachhaltigeren Kaufentscheidungen zu bewegen.
Welche Bildungsangebote könnte es denn zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit geben?
Das Themenfeld Bildung ist ein zentraler Bestandteil der Erfurter Nachhaltigkeitsstrategie. Demnach soll das Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in der Bildungspolitik etabliert werden. Die Landeshauptstadt Erfurt bemüht sich um eine Auszeichnung als „BNE-Kommune“.
Darüber hinaus könnten praktisch auf verschiedenen Ebenen Projekte oder Sprechstunden initiiert werden. Sei es für Kinder und junge Erwachsene an Schulen und Hochschulen oder für Erwachsene beispielsweise an der Volkshochschule. Es gibt Ideen für Sprechstunden für Bauherren zum energie- und klimaschonenden Bauen oder Beratungen zu Fördermitteln für Bürger und Unternehmen. Das Themenfeld Bildung wird in der Evaluierung nochmals verstärkt mit Maßnahmenvorschlägen aufgenommen.
Wie kann die Stadt Kreislaufwirtschaft und Recycling unterstützen?
Die Landeshauptstadt Erfurt unterstützt Bemühungen zu einem besseren Recycling und einem geringeren Ressourcenverbrauch. Aktuell läuft beispielsweise das Projekt „Erfurt auf dem Mehrweg“ zur Verringerung von Einweg-Bechern und zur Nutzung von Mehrweg-Produkten. Zur Unterstützung weiterer Projekte zur nachhaltigen Entwicklung gibt es eine Förderrichtlinie, die es erlaubt Bürger, Vereine und Initiativen, die entsprechende Projekte durchführen möchten, finanziell zu unterstützen.
Mit der Fortführung der "Aktion Biotonne" unterstützt die Verwaltung aktiv ein besseres Trennverhalten der Bürger und Betriebe. Aus den getrennt gesammelten Bioabfällen in Erfurt wird grüner Strom und organischer Dünger für die Landwirtschaft erzeugt.
Themenfeld Organisation und Verwaltung
Es gibt eine Erfurter Nachhaltigkeitsstrategie mit Zielen zu Energie und Klimaschutz. Gleichzeitig wird nun das Klimaschutzkonzept fortgeschrieben. Was gilt denn nun?
Beides. Die Erfurter Nachhaltigkeitsstrategie wurde im Mai 2019 durch den Stadtrat verabschiedet. Zur Umsetzung der Strategie entwickelt eine Steuerungsgruppe aus Institutionen, Vereinen und Bürger/-innen und Verwaltung für jedes Handlungsfeld konkrete Maßnahmen. Diese werden dann in einem Handlungsprogramm dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist deutlich breiter gefasst und berührt neben den Themenfeld Energie- und Klimaschutz und Verkehr auch viele weitere Aspekte der Nachhaltigkeit, wie Biostadt und Fairtrade-Town Erfurt. Die Fortschreibung und Evaluierung des Konzeptes beispielsweis selbst ist eine Maßnahme der Nachhaltigkeitsstrategie.
Angestrebt ist es die bestehende Nachhaltigkeitsstrategie hier als Grundlage für die Evaluierung zu nehmen und zu vernetzen. Die Ziele aus dem Handlungsfeld Energie- und Klimaschutz, sowie Mobilität werden auch im neuen Klimaschutzkonzept aufgenommen. Dadurch entsteht eine weitere Verankerung in der Verwaltung. Gleichzeitig werden die gleichen Ziele verfolgt, wodurch die Klimaschutzbemühungen effektiver umgesetzt werden sollen.
Wie stellt die Stadt sicher, dass die Ziele im fortgeschriebenen Klimaschutzkonzept eingehalten und Maßnahmen umgesetzt werden?
Grundsätzlich ist die Stadtverwaltung an die Beschlüsse des Stadtrates gebunden. Doch die Umsetzung einzelner Maßnahmen kann in den einzelnen Handlungsfeldern langsamer ablaufen als geplant. Zur Einhaltung der Ziele soll es jährliche Berichte an den Stadtrat und die Öffentlichkeit geben. Hiermit sollen Barrieren und Verzögerungen bei der Umsetzung zeitnah identifiziert und beseitigt werden. Diese Maßnahme war bereits im Klimaschutzkonzept 2012 verankert und wird nun konsequent durchgeführt.
Ein wesentlicher Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele und der Umsetzung der Maßnahmen ist es daher eine Evaluierung der Ziele und Maßnahmen in einem engeren Zyklus (z. B. jährlich) durchzuführen. Durch die Verlinkung der Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Klimaschutzkonzept wird eine gewissen Stringenz und Konsistenz innerhalb der Stadtverwaltung geschaffen, zusätzlich soll die gemeinsame Arbeit der entscheidenden Akteure der Stadt neben der Stadtverwaltung im Rahmen der jährlichen Arbeit forciert werden. Eine umfassende Analyse der entscheidenden Akteure innerhalb der Landeshauptstadt ist auch Teil der Evaluierung des Klimaschutzkonzeptes.
Gibt es auch eine entsprechende Finanzierung der Maßnahmen?
Im Haushalt der Landeshauptstadt Erfurt werden laufend Mittel für den Klimaschutz bereitgestellt. Zusätzlich werden regelmäßig Fördermittel des Landes Thüringen und des Bundes beantragt und eingeworben, soweit ausreichend Eigenmittel zur Kofinanzierung vorhanden sind. Zusätzliche Mittel müssen durch den Stadtrat bewilligt und im Haushaltsplan verankert werden.
Wie soll eine effektive Bürgerbeteiligung bzw. zivilgesellschaftliches Engagement aussehen und entsprechend wirksam in den Prozess zum Klimaschutzkonzept eingebunden werden?
Die Bürgerbeteiligung soll in den Prozessen zum Klimaschutz verstärkt werden. Im Leitbild von 2012 wurde dieser Punkt nicht ausreichend behandelt. Die Veranstaltung am 30.09.2020 war der erste Aufschlag für eine kontinuierliche Kommunikation zwischen Landeshauptstadt Erfurt und den Bürgerinnen und Bürgern. Ziel ist es, Informationen verständlich zu vermitteln und für Handlungen die Meinung und das Feedback der Bevölkerung einzuholen. Digitale und hybride Formate werden hier hilfreich sein, um eine effiziente und sichere Kommunikation herzustellen.
Zur Entwicklung der Erfurter Nachhaltigkeitsstrategie wurden bereits gute Lösungen gefunden. Hier haben Steuerungsgruppen aus Zivilgesellschaft, Politik, Vereinen und weiteren beteiligten Akteuren zusammen in Workshops Vorschläge und Lösungen entwickelt. Dieses Wissen soll in Zukunft auch für die Aktivitäten zum Klimaschutz genutzt werden.
Auch die bereits im Rahmen der Evaluation durchgeführte Hybridveranstaltung war ein weiterer Schritt in eine aktive Bürgerbeteiligung, die nun deutlich ausgebaut wird und als Auftakt zu verstehen ist.
Ich habe von vielen Maßnahmen und Projekten zum Klimaschutz nichts gehört. Wie will die Stadt die Bürger informieren?
Die Landeshauptstadt Erfurt informiert die Bürger über ihre Aktivitäten und Pläne bereits jetzt auf unterschiedlichen Kanälen. Zur Schaffung eines Bewusstseins und von Akzeptanz ist Transparenz essenziell. Deshalb muss die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt in dieser Hinsicht verstärkt werden.
Die Landeshauptstadt Erfurt informiert auf der Webseite www.erfurt.de/klimaschutz regelmäßig zu Themen im Bereich Klimaschutz und auch Nachhaltigkeit. In Zukunft werden die Aktivitäten noch stärker forciert und ggf. auch neue (digitale) Formate und ggf. auch Veranstaltungen ergänzt.
Eine Analyse der bisherigen Kommunikation ist Teil der Evaluierung. Auch hier werden Verbesserungsvorschläge erarbeitet und in das Konzept eingearbeitet.