Erfurt – die turmreiche
„Erfordia turrita“ – türmereiches Erfurt – rühmte Martin Luther einst die Stadt, weil sich die Türme von 25 Pfarrkirchen, 15 Klöstern und Stiften und zehn Kapellen gen Himmel reckten. Die beeindruckende Zahl der Gotteshäuser – nicht zuletzt das stadtbildprägende majestätische Ensemble von Mariendom und Severikirche – veranlassten Chronisten und Zeitgenossen wie Ernst Stida (1585–1632), vom „thüringischen Rom“ zu sprechen. Und auch heute noch werfen die meisten dieser Kirchtürme ihre Schatten auf die liebevoll restaurierten Fachwerkhäuser im Andreasviertel und an die Fassaden schöner Renaissancebauten.
Der mittelalterliche Stadtkern Erfurts ist einer der am besten erhaltenen und flächenmäßig größten Deutschlands. Das Augustinerkloster, in dem Martin Luther fünf Jahre als Bettelmönch lebte, die Predigerkirche, heute evangelische Hauptkirche und nach dem Dom die zweitgrößte Kirche Erfurts, sowie die Festungsanlagen auf der Zitadelle Petersberg, eine der ältesten Stadtfestungen, sind eindrucksvolle Beispiele mittelalterlicher beziehungsweise frühneuzeitlicher Baukunst.
Allein 18 der zahlreichen Erfurter Kirchen stammen aus dem Mittelalter. Rund 50 Gotteshäuser bieten heute Raum für religiöses Leben und inmitten der pulsierenden Stadt Räume wohltuender Stille und Andacht. Seit 1994 ist Erfurt wieder Sitz eines Bischofs der römisch-katholischen Kirche.
Erfurt bietet soviel des Sehens werten dar, dass ein wochenlanges Verweilen kaum hinreichen würde, die Schaulust zu begrenzen, zumal wenn dieselbe Freude am Altertum hätte.
Ludwig Bechstein, Reisebeschreibung (1858)