Die Stadt Erfurt trauert um Éva Fahidi-Pusztai
Auschwitz-Überlebende im Alter von 97 Jahren verstorben
Die Beziehung zur Stadt begann 2012, als Éva Fahidi-Pusztai ihr Buch „Die Seele der Dinge“ über das Schicksal ihrer von den Nationalsozialisten ermordeten Familie am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, im Erinnerungsort Topf & Söhne vorstellte. Der gerade gegründete Erinnerungsort wurde für sie zu einem Ort, dessen Aufklärungs- und Bildungsarbeit sie in hohem Maße schätzte und den sie gerne und oft als Zeitzeugin besuchte. Später sagte sie: „Wie ich das erste Mal in den Erinnerungsort Topf & Söhne gekommen bin, habe ich das Gefühl gehabt, ich bin hier zu Hause.“
Noch im selben Jahr ehrte die Stadt Erfurt sie mit einem Eintrag in das Goldene Buch. Ihre Worte widmete Éva Fahidi-Pusztai ihren Mit-Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau: „Denen, die in Auschwitz-Birkenau im Schatten der hier hergestellten Krematorien mit der Aufschrift ,Topf und Söhne Erfurt‘ lebten, bleiben diese Zeiten in Erinnerung. Sie bleiben in uns als für die Ewigkeit brennende Gegenwart! Éva.“
2014 zeichnete der Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e. V. Éva Fahidi-Pusztai mit dem Jochen-Bock-Preis für Zivilcourage aus, da sie nach Jahren des Schweigens eine generationenverbindende Sprache der Erinnerung voll inspirierender Kraft und mit einer berührenden Botschaft der Menschlichkeit gefunden habe.
Wenige Tage vor ihrem 90. Geburtstag im Oktober 2015 war Éva Fahidi-Pusztai zum ersten Mal in Budapest auf der Bühne zu erleben. Das Tanztheater „Sea Lavender – Or the Euphoria of Being“ hatte für sie eine große Bedeutung: „Seit 2004 rede ich meinen Holocaust aus mir heraus. Täte ich es nicht, wäre ich im Irrenhaus. Mit dem Tanz kann man sich ganz genau ausdrücken.“ Die berührende Inszenierung im Zusammenspiel von Éva Fahidi-Pusztai mit einer jungen Tänzerin brachte der Erinnerungsort als Thüringer Premiere am 27. Januar 2016 zu seinem fünfjährigen Bestehen in der Erfurter Schotte zur Aufführung.
2018 wurde Éva Fahidi-Pusztai zur Namenpatronin der Fachbibliothek im Erinnerungsort Topf & Söhne. Es war ihr großer Wunsch, der Bibliothek Bücher aus ihrem Privatbesitz zu überlassen, damit sie dort für die Bildungsarbeit eingesetzt werden. Die Auswahl und das Abholen der Bücher in Budapest im Januar 2023 wurde nun zur letzten persönlichen Begegnung von Annegret Schüle, Oberkuratorin des Erinnerungsortes Topf & Söhne, mit Éva Fahidi-Pusztai und ihrem Lebensgefährten Andor Andrási.
Zu seinem zehnjährigen Bestehen widmete ihr der Erinnerungsort 2021die Jubiläumsausstellung „Evas Apfelsuppe oder der Duft von Heimat. Eine Hommage an Éva Fahidi-Pusztai und das Leben“.
„Mit Éva Fahidi-Pusztai hat die Erinnerungskultur eine engagierte Kämpferin für Demokratie und Menschenrechte verloren. Ihre Stimme wird sehr fehlen. Wir sind in Trauer bei den Angehörigen und werden – auch im Auftrag von Éva Fahidi-Pusztai – nicht nachlassen im Engagement gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus“, so Oberbürgermeister Andreas Bausewein.
Annegret Schüle trauert nicht nur um eine großartige Botschafterin gegen Hass und für Menschlichkeit, sondern auch um eine Freundin. „Wir sind dankbar, dass so viele Besucherinnen und Besucher unseres Erinnerungsortes, vor allem junge Menschen, Éva Fahidi-Pusztai erleben konnten. Ihre Bücher, ihre Reden, die Video-und Audioaufnahmen von ihr werden wir nun als unseren Schatz bewahren und damit ihre Botschaft in der Bildungsarbeit weitertragen“, sagt sie. „Sie hat uns in unserer Arbeit bestärkt, sie war ein großartiger Mensch und eine sehr weise Frau.“
Die Stadt Erfurt hat ein Kondolenzbuch für Éva Fahidi-Pusztai im Eingangsbereich des Erfurter Rathauses ausgelegt. Auch online können Bürgerinnen und Bürger ihre Anteilnahme bekunden und Erinnerungen teilen können. Einträge können per E-Mail an kondolenz@erfurt.de gesendet werden. Eine Gedenkfeier findet am Donnerstag, den 14. September um 18 Uhr in Weimar am Großporträt von Éva Fahidi-Pusztai am Jorge-Semprun-Platz statt.