Eisenbahnunterführung wird zur Fabelwelt
„Nach der Brücke in der Löberstraße ist es schon das zweite Projekt, das wir gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG in Angriff nehmen“, freut sich Andreas Horn, Erfurts Beigeordneter für Sicherheit und Umwelt. „Die künstlerische Gestaltung soll die Brücken nicht nur baulich aufwerten, sondern auch das subjektive Sicherheitsempfinden stärken.“ Das Pilotprojekt hat zudem – bis auf eine kleine Ausnahme – bewiesen, dass Schmierereien ausbleiben, sobald die Wände professionell gestaltet sind. Den Ergebnissen des „World Cafés Graffiti“ wird ebenso Rechnung getragen: Vertreter der Stadtratsfraktionen, Immobilieneigentümer und Erfurter Künstler hatten sich im Frühjahr 2018 für mehr Street Art in der Landeshauptstadt ausgesprochen.
Über die Kooperation mit dem Kriminalpräventiven Rat der Stadt Erfurt ist auch Tim Golombek froh. Er ist Leiter Instandhaltung der DB Netz AG in Erfurt. Hohe Summen investiert das Unternehmen in die Entfernung staatsfeindlicher Parolen. „Man wird nicht Herr der Lage“, so Golombek. Deswegen soll es auch nicht das letzte gemeinsame Projekt sein.
Horn und Golombek freuen sich besonders, dass ein Erfurter Künstlerduo die Ausschreibung gewonnen hat. Eine siebenköpfige Jury, darunter Vertreter der Deutschen Bahn, der städtischen Kulturdirektion und der freien künstlerischen Szene der Landeshauptstadt, haben die anonymisierten Einsendungen bewertet. Durchgesetzt haben sich Felix Schwager und Stefan Kowalczyk. Ihr Entwurf trägt den Titel „Die Meise“ und bezieht sich auf die gleichnamige Fabel des russischen Autors Iwan Krylow, der zur gleichen Zeit wie Puschkin lebte. Die Idee stammt aus dem eigenen Bücherregal Schwagers, das regelmäßig als Inspirationsquelle dient. „Die tierische Fabel passt gut zur natürlichen Landschaft, die wir hier in der Umgebung haben“, erläutert der Künstler den Entstehungsprozess.
Die Erzählung handelt von einer Meise, die mit ihrer Behauptung, das Meer in Flammen setzen zu können, zahlreiche andere Tiere an den Strand lockt. Die Versprechungen des Vogels bleiben unerfüllt, die Tiere ziehen von dannen, die Meise bleibt beschämt zurück. „Diese Geschichte stellen wir comicartic in 23 Panels dar“, erläutert Felix Schwager das Urban-Art-Projekt. „Die Unterführung wird von vielen Radfahrern und Fußgängern genutzt, die die Erzählung bildlich entdecken können.“
Umgesetzt werden soll der Entwurf noch im Juni. Zunächst wird die Brücke von der DB Netz AG grundgereinigt. Rund zehn Tage wird dann das rund vierköpfige Team benötigen, um die Fassadenfarbe an die Wände zu bringen – die sorgt für eine besonders lange Haltbarkeit.