Zwei Räume für sich allein – und von Paul Schultze-Naumburg: Ein konservativer Architekt des frühen 20. Jahrhunderts
Maria von Gneisenau hat Schloss Molsdorf von 1909 bis 1923 besessen. Zwei einmalige private Wohnräume der Gräfin sind aus dieser Zeit erhalten geblieben: ein kostbar ausgestattetes Marmorbad und ein fantastisch dekorierter Ruheraum, der mit einem Aquarium vor dem hohen Fenster weniger an eine Grotte, als an den Meeresgrund erinnert. Mit Entwurf und Ausführung hatte die Gräfin 1909 Paul Schultze-Naumburg, Maler, Publizist, Architekt(1869-1949) und die von ihm gegründeten „Saalecker Werkstätten“ beauftragt. Die beiden exquisiten Raumkunstwerke bieten den Anlass, sich mit einem modernen Kapitel Baugeschichte des Anwesens zu beschäftigen.
Der in kulturvollen bürgerlichen Verhältnissen seiner Heimatstadt Naumburg aufgewachsene und in Karlsruhe studierte Maler Paul Schultze-Naumburg wurde vor allem durch Rezensionen, Kritiken und kulturkritische Aufsätze bekannt. Besondere Berühmtheit erlangten seine sog. „Kulturarbeiten“, die er seit der Jahrhundertwende in der Zeitschrift „Der Kunstwart“ veröffentlichte und später als Buchreihe herausgab. Er wandte sich darin gegen die Historismen des ausgehenden 19. Jh. und verlangte eine Reform der Architektur und Alltagskultur, die an den seiner Meinung nach verschütteten Traditionen der Zeit um 1800 wieder anknüpfen sollten. Als autodidaktischer Architekt gründete er das Architekturbüro „Saalecker Werkstätten“, mit dem er sehr erfolgreich nach seinen Grundsätzen baute.
Bevorzugt entwarf er traditionell gestaltete bürgerliche Wohnhäuser und Schlossanlagen, zumeist für betuchtere Auftraggeber. In den zwanziger Jahren wandte er sich gegen die aufkommende Moderne und trat dabei als einer ihrer konsequentesten Gegner in Erscheinung. Infolge seiner völkisch-rassistischen Überzeugungen wurde er zum kulturellen Wegbereiter des Nationalsozialismus. Der Vortrag will den Konservatismus dieses Mannes in seiner Persönlichkeit, seiner Überzeugung und seinem baulichen Werk darstellen. Da zwei Raumgestaltungen für die Gräfin Gneisenau in Schloss Molsdorf auf ihn zurückgehen, sollen diese als Anteile seines Werkes gewürdigt werden.