Bürgerbefragung 55 Plus – Älter werden in Erfurt
Was bewegt die älter werdenden und älteren Erfurterinnen und Erfurter? Was sind ihre Sorgen und Wünsche und wie blicken sie in die Zukunft? Um das herauszufinden, hat die Stadtverwaltung Erfurt im Jahr 2016 die repräsentative „Bürgerbefragung 55 plus – Älter Werden in Erfurt“ durchgeführt. Dazu wurden per Zufallsstichprobe rund 3.000 Personen im Alter von 55 bis 85 Jahren ausgewählt und mit der Bitte angeschrieben, sich an der Befragung zu beteiligen. Die Themen umfassen verschiedene Lebenslagen, wie Wohnumfeld/Wohnen, Sicherheit, Mobilität, Freizeit, Informationen zum Thema Älter Werden, Ehrenamt/Mitgliedschaften, Gesundheit/Pflege, Finanzielle Situation, Übergang in den Ruhestand, Seniorenpolitische Leitlinien. Die „Bürgerbefragung 55 plus – Älter Werden in Erfurt“ eröffnet den älter werdenden und älteren Erfurterinnen und Erfurtern die Möglichkeit, ihre Interessen, Sorgen, Bedürfnisse und Ideen unmittelbar mitzuteilen. Der Rücklauf von 44 Prozent zeigte, dass ein reges Interesse daran bestand, an dieser Befragung teilzunehmen.
Die Befragungsergebnisse flossen in den Seniorenbericht 2018 der Stadt Erfurt als Grundlage für die Entwicklung einer integrierten Fachsozialplanung im Bereich Altenhilfe ein. Den Seniorenbericht 2018 finden Sie unter folgendem Download:
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In der Stadt Erfurt existiert ein vielfältiges Angebot der offenen Seniorenarbeit/Altenhilfe. Hierzu zählen neben dem Beratungsangebot des Pflegenetzes Erfurt unter anderem auch die städtischen Seniorenklubs sowie das durch die Stadtverwaltung geförderte Kompetenz- und Beratungszentrum in Trägerschaft des Schutzbundes für Senioren und Vorruheständler e.V. Zusätzliche Angebote werden z.B. durch die Volkshochschule in Form von Kursen für Senioren angeboten. Die Stadtverwaltung Erfurt ist in hohem Maße daran interessiert, wie sie die älter werdenden und älteren Erfurterinnen und Erfurter über diese Angebote informieren kann, um sie zielgruppengerecht zu erreichen. Deshalb wurden im Themenfeld „Städtische Angebote für die Generation 55 Plus“ nicht nur nach dem Bekanntheitsgrad der entsprechenden Angebote gefragt, sondern es wurden darüber hinaus auch der weitere Angebotsbedarf sowie die genutzten bzw. gewünschten Informationskanäle thematisiert.
Informationen zu Angeboten/Dienstleistungen zum Thema "Älter werden"
Die Auswertung der Frage „Wie gut fühlen Sie sich über Angebote/Dienstleistungen zum Thema „Älter werden“ informiert?“ zeigt, dass sich die betagten Senioren im Vergleich zu den Personen im Vorruhestandsalter besser informiert fühlen. Gleichzeitig haben Personen im Vorruhestandsalter weniger Interesse an diesem Thema.
Ein wichtiger Schwerpunkt der Bürgerbefragung 55 Plus – Älter werden in Erfurt bildet die sozioökonomischen Situation und der Übergang vom Berufsleben in die Ruhestandsphase, denn konkrete Aussagen über diesen Themenbereich sind aufgrund der statistischen Datenlage nur bedingt möglich. Mithilfe der Befragungsergebnisse ist es gelungen, hierzu weitere Hinweise zur Lebenssituation der älter werdenden und älteren Erfurterinnen und Erfurter zu erhalten. Hierbei waren insbesondere Fragen, ob Bedenken vorliegen, mit der zukünftigen Rente finanziell auszukommen, sowie Aspekte, wie die Gründe für den Ruhestand, die Empfindungen zu diesem Übergang sowie die Veränderungen, die sich dadurch im Leben der Befragten ergeben haben, bedeutend.
Bedenken bezüglich der Rente
Die Frage danach, ob Bedenken bestehen, mit der künftigen Rente auszukommen, gibt zwar keine Rückschlüsse auf künftige Altersarmutstendenzen aber zumindest Hinweise auf die eigene Einschätzung zur finanziellen Situation im Ruhestand. Ein knappes Drittel der Befragten besitzt keinerlei bis wenig Bedenken, 28 Prozent haben teils/teils Bedenken und ein Anteil von 38 Prozent hat größere Bedenken bzw. ist sogar davon überzeugt, dass die Rente nicht ausreichen wird und dass sie auf zusätzliche Leistungen angewiesen sein werden.
Empfindungen gegenüber Ruhestand in Bezug auf Haushaltsnettoeinkommen
Auf die Frage „Wenn Sie sich an Ihren Übergang in den Ruhestand zurückerinnern bzw. in den Ruhestand ausblicken, wie haben Sie dieses Ereignis empfunden bzw. wie stehen Sie diesem Ereignis gegenüber?“ antworteten insgesamt 55 Prozent der Befragten mit Freude bzw. Gelassenheit. 39 Prozent stehen diesem Übergang mit Sorge bzw. Bedenken gegenüber. Wird die Empfindung gegenüber dem Ruhestand zusätzlich abhängig vom Haushaltseinkommen betrachtet, wird deutlich, dass mit steigendem Einkommen die Sorgen und Bedenken abnehmen. So beträgt der Anteil der Sorgen-/Bedenkenträger mit einem Haushaltseinkommen von 3.000 bis 4.000 Euro 15 Prozent, wohingegen es bei der Einkommensgruppe von 1.000 bis unter 2.000 Euro 59 Prozent sind.
Ruhestandsgründe nach Altersgruppen
Hinsichtlich der drei verschiedenen Altersgruppen der Befragten sind Unterschiede zwischen den Ruhestandsmotiven erkennbar. Die Kategorie hatte/habe die Altersgrenze erreicht wählten zwei Drittel der über 75-Jährigen, 59 Prozent der 65- bis 74-Jährigen und 40 Prozent der 55- bis 64-Jährigen. In der Kategorie wollte/will so früh wie möglich aufhören liegt der Anteil der 55- bis 64-Jährigen bei 20 Prozent, der 65- bis 74-Jährigen bei 14 Prozent und bei den über 75-Jährigen bei sechs Prozent. Andere Aspekte wie um genügend Zeit für mich zu haben oder aus gesundheitlichen Gründen wurden ebenfalls häufiger von den jüngeren Befragten gewählt.
Die gesundheitliche Situation sowie die Betroffenheit von Pflegebedürftigkeit haben maßgeblichen Einfluss auf die Lebensqualität im Alter, denn mit steigendem Alter erhält die Gesundheit zunehmend größere Bedeutung. Dies trifft ebenfalls auf Pflegeaspekte zu, wie die Pflege von Angehörigen oder die Notwendigkeit von Unterstützung im eigenen Pflegefall. Erfolgreiche kommunale Prävention und Gesundheitsförderung kann einen wesentlichen Beitrag zusteuern, die Aussicht auf möglichst viele Jahre in guter Gesundheit zu ermöglichen. Informationen zum Gesundheitsstatus der älter werdenden und älteren Bevölkerung Erfurts liegen nur eingeschränkt vor. Rückschlüsse auf die gesundheitliche Situation der Zielgruppe können dank der "Bürgerbefragung 55plus – Älter werden in Erfurt" gezogen werden.
Aktueller Gesundheitszustand
Eine zentrale Fragestellung ergründet die Selbstwahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes. Unter Präventionsaspekten ist diese subjektive Einschätzung von hoher Bedeutung, da eine als gut empfundene subjektive Gesundheit einen starken Einfluss auf die Lebenserwartung hat. 56 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihren allgemeinen Gesundheitszustand gegenwärtig als gut bis sehr gut beurteilen. Nur sieben Prozent schätzen ihn als schlecht bis sehr schlecht ein und etwa ein Drittel als teils/teils.
Nutzung von Unterstützungsangeboten
In Hinblick auf die Versorgung von Pflegebedürftigen kommt dem familiären Pflegepotential bzw. der Angehörigenpflege eine hohe Bedeutung zu. So findet eine Betreuung der Pflegebedürftigen zu einem großen Teil durch Familienmitglieder bzw. Angehörige und durch Nachbarn, Freunde und Bekannte, statt. Auch die Ergebnisse der "Bürgerbefragung 55plus – Älter werden in Erfurt" lassen Rückschlüsse darauf zu, dass die Hilfe durch Angehörige in der Pflege auch in Erfurt am weitesten verbreitet ist.
Gesundheitliche und soziale Problemfelder
35 Prozent der Befragten gaben als gesundheitliches oder soziales Problemfeld eine chronische Erkrankung an. Dieses Merkmal ist damit mit deutlichem Abstand das Meistgenannte. Weitere oft genannte Merkmale sind Stress (16 Prozent), Medikamente (15 Prozent) und Übergewicht (14 Prozent). Auch finanzielle Probleme (12 Prozent) und der Übergang Beruf/Rente (12 Prozent) wurden häufig genannt.
In der Seniorenarbeit und Altenhilfeplanung gewinnt die Fokussierung auf das Wohnquartier zunehmend an Bedeutung. Anders als bei jüngeren Altersgruppen wird der Aktionsradius mit zunehmendem Alter sowie bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Allgemeinen aufgrund eines anderen Mobilitätsverhaltens geringer. Mit zunehmendem Alter und bei Pflegebedürftigkeit entwickeln sich somit Wohnung und Wohnumfeld verstärkt zum räumlichen Lebensmittelpunkt. Hier konzentrieren sich soziale Beziehungen. Die Zusammensetzung und bauliche wie infrastrukturelle Gestaltung des Wohnumfeldes entscheidet maßgeblich darüber, ob soziale Teilhabe gelingt. Das Wohnumfeld beeinflusst demzufolge die Lebensqualität älter werdender und älterer Menschen entscheidend mit. Hier finden schwerpunktmäßig Lebensalltag und soziale Beziehungen statt und hier werden die Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter und bei Pflegebedürftigkeit gelegt.
Zukünftige Wohnsituation
Die Ergebnisse der "Bürgerbefragung 55plus – Älter werden in Erfurt" zeigen, dass der am häufigsten genannte Wohnwunsch im Alter die eigene Wohnung mit gegebenenfalls Unterstützungsbedarf ist. Nahezu 90 Prozent der Befragten gaben an, gerne bis sehr gerne zukünftig in der eigenen Wohnung mit Unterstützung zu leben. Mit zunehmendem Alter wird diese Wohnvorstellung umso beliebter. Alle anderen abgefragten Wohnformen waren deutlich weniger gewünscht. Insbesondere die Vorstellung in einer Senioren-Wohngemeinschaft, bei Verwandten sowie in einem Senioren-/Pflegeheim zu leben, wurden mit eher ungern bis sehr ungern bewertet. Insgesamt liegt der Anteil derjenigen Befragten, die sich hierzu grundsätzlich noch keinerlei Gedanken gemacht haben, bei 39 Prozent.
Wohlfühlen im Wohngebiet nach Planungsräumen
Die Befragten fühlen sich in der Gründerzeit Südstadt am wohlsten (insgesamt 94 Prozent). Auch die Befragten aus dem Planungsraum City (88 Prozent) und den dörflichen Ortsteile (87 Prozent) fühlen sich mehrheitlich wohl. Etwas geringer ist die Zufriedenheit in der Gründerzeit Oststadt (78 Prozent), dem Plattenbau Nord (75 Prozent) sowie dem Plattenbau Südost (77 Prozent).
Die gesellschaftliche Teilhabe ist für die Generation 55 plus ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität. Die Freizeitgestaltung und die Pflege sozialer Kontakte können sich in der nachberuflichen Phase aufgrund veränderter Rahmenbedingungen verändern. Sozialen Kontakten kommt im zunehmenden Alter eine besondere Bedeutung zu. In der nachberuflichen Phase steigt einerseits die verfügbare Zeit für Freizeit, auf der anderen Seite können sich soziale Kontakte verändern. So können z.B. bisherige berufliche soziale Kontakte wegfallen. Mit zunehmendem Alter steigt zudem das Vereinsamungsrisiko. Vereinsamung kann neben psychischen Erscheinungen auch Isolation zur Folge haben und sich nachteilig auf die eigenen Fähigkeiten, an der Gesellschaft zu partizipieren, auswirken.
Gefühl von Einsamkeit
Anhaltspunkte zur Situation in Erfurt geben die Ergebnisse der "Bürgerbefragung 55plus – Älter werden in Erfurt". Ein Viertel der Befragten gab an, sich manchmal bis öfters einsam zu fühlen. Dabei trifft Einsamkeit mit 30 Prozent häufiger bei Frauen als bei Männern mit 20 Prozent zu. Weitere Auffälligkeiten treten bezogen auf den Haushaltstyp auf, wobei sich Personen aus einem Einpersonenhaushalt tendenziell am häufigsten einsam fühlen.
Sportliche Betätigung
Gerade im Alter ist regelmäßige körperliche Aktivität entscheidend für den Erhalt der Selbstständigkeit, für die individuelle Mobilität und somit auch für die Lebensqualität und das Wohlbefinden. Wird die Gesundheit im Alter erhalten und gestärkt, wird somit auch die Selbständigkeit und Mobilität positiv beeinflusst. In der „Bürgerbefragung 55 plus – Älter Werden in Erfurt“ wurde gezielt nach der Häufigkeit der sportlichen Aktivitäten gefragt. Hieraus geht jedoch nicht hervor, ob es sich um sportliche Aktivitäten innerhalb oder außerhalb eines Vereines, Fitnesscenters oder ähnlicher Angebote handelt. Täglich Sport betreiben von den Befragten im Alter von 55 bis 65 Jahren fünf Prozent, im Alter von 65 bis 75 Jahren sechs Prozent und im Alter von 75 bis 80 Jahren sieben Prozent. Der Großteil der Befragungsteilnehmer betätigt sich einmal bis mehrmals die Woche sportlich. Am häufigsten sportlich aktiv ist zudem die Altersklasse der 65- bis 75-Jährigen Befragten. Fast ein Viertel der ältesten Altersklasse gab an, nie Sport zu machen. In den beiden jüngeren Altersgruppen liegt dieser Wert bei elf Prozent (65 bis 75 Jahre) bzw. 13 Prozent (55 bis 65 Jahre). Auffällig ist weiterhin, dass in den beiden jüngeren Altersklassen doppelt so viele Personen angaben, ab und zu Sport zu treiben im Vergleich zur ältesten Gruppe, welche eher zu den Extremen tendiert.
Ehrenamtliches Engagement
19 Prozent der Befragten gaben an ein Ehrenamt zu haben. 22 Prozent gaben an, zwar keins zu besitzen sich aber dafür zu interessieren. 59 Prozent der Befragten haben kein Ehrenamt und haben auch nicht vor sich zu engagieren.
Wichtigkeit von Themen für seniorenpolitische Leitlinien
Die seniorenpolitischen Leitlinien der Stadt Erfurt wurden als Grundverständnis für das kommunale und kommunalpolitische Handeln für alle seniorenspezifischen sowie seniorentangierenden Handlungsbereiche abgeleitet. Hierfür wurden zunächst unter Beteiligung des Seniorenbeirates die Themen für mögliche Leitlinien abgestimmt, welche in einem nächsten Schritt im Rahmen der „Bürgerbefragung 55 plus – Älter Werden in Erfurt“ durch die Befragungsteilnehmer priorisiert wurden. Die drei häufigsten Antworten waren ein selbstbestimmtes/selbstständiges Leben führen zu können (56 Prozent) sowie über Sicherheit (52 Prozent) und Gesundheit im Alter (52 Prozent) zu verfügen. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten empfand das Entgegenwirken von Altersarmut und die Aufrechterhaltung der Mobilität im Alter als besonders relevant. Etwa ein Fünftel wünscht sich, dass barrierearmes Wohnen, Bildung, der generationsübergreifende Zusammenhalt sowie altersbezogene Beratung und Information stärker in der Politik bedacht werden. Geringeres Interesse bestand hinsichtlich einer Beteiligung von Senioren sowie bezüglich ehrenamtlicher Tätigkeiten.