23. Etappe der Tour de Bildung: Spawnpoint - Institut für Computerspiel
Textreportage
Zugegeben, Computerspiele haben mich noch nie besonders interessiert. Ich muss allerdings auch gestehen, dass ich nicht gerade viel darüber weiß. Abgesehen von Klischees, die immer wieder gern bemüht werden. Der typische Computerspieler ist demnach pubertär, ernährt sich ausschließlich von Chips und Cola, hat keine Freunde, spielt die ganze Nacht Ego-Shooter oder Online-Rollenspiele und ist ein potenzieller Amokläufer. Solchen und anderen Vorurteilen entgegenzutreten, hat sich das Institut für Computerspiel namens Spawnpoint zur Aufgabe gemacht. Das Wort 'Spawnpoint' bezeichnet übrigens den Punkt, an dem eine virtuelle Spielfigur wieder in den Spielverlauf einsteigt, nachdem das Spiel unterbrochen wurde.
Bevor wir Spawnpoint in ihren Räumlichkeiten in der Erfurter Nordstadt besuchen, schauen wir uns die 'Game(s)show' an, einen bunten Abend rund um das Thema Computerspiel. In Zusammenarbeit mit dem Atelier Theater Erfurt will Spawnpoint auf humorvolle und interaktive Weise mit gängigen Missverständnissen aufräumen. Die Show beginnt mit einem Ratespiel: Wofür steht das DS beim Nintendo 3DS? Was ist ein Noob? Was sind die meistverwendeten Tasten zum Steuern einer Spielfigur? Kann man ein echtes Foto noch von einem Bildschirmfoto einer virtuellen Spielelandschaft unterscheiden? Es folgen Kabarett, Videoeinspieler und Improvisationstheater. "Ich fand das Programm sehr sehenswert und hoffe, dass solche Projekte weitergeführt werden", sagt der 20-jährige Oleg, der als Zuschauer im Publikum sitzt. "Ich komme aus einem relativ kleinen Ort. Deshalb sind Online-Computerspiele quasi die einzige Möglichkeit, mit anderen Leuten gemeinsam etwas Interessantes zu machen. Am liebsten mag ich Strategie-Spiele und bevorzuge freie Software, weil ich nicht so viel Geld habe, immer die neuste Software zu kaufen."
Wir sprechen mit Martin Geisler, einem der Protagonisten der 'Game(s)show' und einem der Leiter von Spawnpoint. Im richtigen Leben ist er Professor für Kultur und Medien an der Fachhochschule Jena. "Wir wollen mit der Show in erster Linie zeigen, dass Gaming ein Kulturgut ist und eine Debatte darüber anstoßen. Eine Frage die wir stellen, lautet beispielsweise: Warum sind Computerspiele so attraktiv für viele Menschen? Viele Jugendliche empfinden sich in ihrer direkten Umgebung als nicht besonders wirksam. Computerspiele bieten ihnen jedoch genau diese wichtige Erfahrung der Selbstwirksamkeit." Ich frage ihn, was er von gewalttätigen Spielen hält. "Gewalt funktioniert im Computerspiel, wie übrigens auch in allen anderen Medien, vor allem als Symbol. Ein gutes Spiel kann deshalb Gewalt beinhalten, muss es aber nicht. Wenn diese jedoch nur zu Vermarktungszwecken eingesetzt wird, ist das natürlich fragwürdig. Insgesamt aber ist in den letzten Jahren bei den Gamern die Medienkompetenz dahingehend gestiegen."
Gerrit Neundorf ist der zweite Kopf von Spawnpoint. Wir treffen ihn in seinem Büro, in dem außer einem riesigen Monitor nicht viel auf das Thema Computerspiele hindeutet. "Ich selbst spiele zurzeit gern Online-Spiele, bei denen man sich in Spielgemeinschaften, den sogenannten Clans und Gilden organisiert. Das ist gerade bei Jugendlichen sehr beliebt, weil es eine starke soziale Komponente hat. Viele Eltern machen sich beispielsweise Gedanken, in welchen Sportverein sie ihr Kind schicken sollen und welcher Umgang dort gepflegt wird. Ich würde mir wünschen, dass sie sich auch die Spiele und die Clans genauer anschauen, für die sich ihre Kinder interessieren." Die Angebote von Spawnpoint richten sich vor allem an andere Bildungseinrichtungen, die dann als Multiplikatoren dienen. "Wir entwickeln Konzepte, die wir mit Jugendlichen testen und geben diese dann weiter. Wissen Lehrende überhaupt, welche Spiele ihre Schüler in ihrer Freizeit spielen? Wie kann man Computerspiele im Unterricht sinnvoll einsetzen? Im Bereich der Medienpädagogik sind Computerspiele bei weitem nicht das Hauptthema. Wir wünschen uns deshalb, dass dieses Medium dort noch mehr Beachtung findet."