17. Etappe Tour de Bildung: Konsumkritischer Stadtrundgang
Textreportage
Treffpunkt für den konsumkritischen Stadtrundgang sind Maus und Elefant mitten auf dem Anger. Die beiden Studentinnen Sabine und Line von der AG Nachhaltigkeit warten schon. Auch die Umstehenden, ebenfalls ein eher studentisches Publikum, sind bereit für den Rundgang. Sabine und Line zeichnen mit bunter Kreide die Umrisse der fünf Kontinente auf das Pflaster. Erste Aufgabe: Die Gruppe soll sich so aufstellen, wie sie meint, dass die Weltbevölkerung über den Planeten verteilt ist - und je nach Region das dazugehörige Bruttosozialprodukt schätzen. Das Ergebnis dürfte kaum überraschen: Wenige Menschen besitzen relativ viel, viele Menschen relativ wenig. Dass wir selbst zur ersten Kategorie gehören, und sich die meisten von uns im Konsumalltag kaum Gedanken über Ressourcenverschwendung und katastrophale Arbeitsbedingungen in den Ländern der dritten Welt machen, wollen Sabine und Line mit ihrer alternativen Stadtführung zeigen. Die Stationen, vor denen wir Halt machen, meist Filialen großer Einzelhandelsketten, sind dabei austauschbar. "Konsumkritische Stadtrundgänge gibt es in vielen deutschen Städten. Wir wollen auch keine einzelnen Firmen an den Pranger stellen, sondern exemplarisch die Missstände der entsprechenden Branchen aufzeigen. Trotzdem wurden wir von manchen Geschäften schon angesprochen und zu etwas mehr Abstand aufgefordert ", sagt Sabine.
Die beiden haben eine selbst gebastelte Weltkugel aus Papier dabei, Plastiktüten, Blätter mit den verschiedenen Ländern darauf, kleine Schachteln mit Kaffeebohnen und die dazugehörigen Fair-Trade-Siegel. Anhand dieser Utensilien erklären sie, wie oft man die Welt mit Plastikfolie überziehen könnte, würde man die weltweit existierenden Mengen dafür verwenden. Sie erzählen von der weiten Reise einer Jeans, bevor sie zu uns in die Läden kommt und von Pestiziden, denen sich brasilianische Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Kaffeeplantagen aussetzen müssen. Wir stehen vor dem Weltladen in der Meienbergstraße. "Die sogenannten Weltläden gibt es in ganz Deutschland. Hier kann man fair gehandelte Produkte wie Kaffee, Tee, Honig und vieles mehr kaufen", sagt Line. Der Rundgang endet mit Applaus. "Vieles von dem, was wir gehört haben, war mir natürlich nicht neu. Wenn ich durch die Stadt laufe, bin ich mir jetzt allerdings bewusster, was sich hinter bestimmten Produkten verbirgt, vor allem beim Klamottenkaufen", resümiert Christoph, der an der Fachhochschule studiert.
"Ich habe das Gefühl, dass gerade in meiner Generation die Akzeptanz der nachhaltigen Lebensweise immer größer wird. Sich zum Beispiel vegetarisch zu ernähren ist heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr." Sabine Blumenthal ist 22 und studiert Soziale Arbeit an der Fachhochschule. Wir sitzen bei einem Fair-Trade-Kaffee und reden über die AG Nachhaltigkeit. "Ich stamme eigentlich aus Wolfen und als ich zum Studium nach Erfurt kam, wollte ich mich in sozialen oder umweltpolitischen Initiativen engagieren. Nach einer Infoveranstaltung der AG Nachhaltigkeit an der Fachhochschule hab ich sofort mitgemacht." Die AG Nachhaltigkeit wurde 2004 von Studierenden der Universität Erfurt gegründet, bald darauf gab es auch eine Gruppe an der Fachhochschule. Die AG will auf "ökologischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Ebene Anstöße geben und Projekte verwirklichen" ist auf der Webseite zu lesen. Ein erster Erfolg war damals die Umstellung auf Recyclingpapier der Abteilung Studium und Lehre an der Uni. "Mittlerweile gibt es diverse Lehrveranstaltungen und Seminare, die wir mitorganisieren. In diesem Semester läuft zum Beispiel eine Ringvorlesung zum Thema Postwachstumsökonomie", erzählt Sabine. "Ansonsten haben wir einmal pro Monat im Campus Hilgenfeld und gelegentlich an der FH einen Stand mit ökologischen Schreibwaren. Wer sich darüber hinaus für uns interessiert oder sogar mitmachen will, sollte sich einfach mal auf unserer Webseite umschauen oder direkt an ag.nachhaltigkeit@uni-erfurt.de schreiben."