7. Etappe Tour de Bildung: Lange Nacht der Museen

18.05.2011 16:01

Boris und ich sitzen auf dem Wenigemarkt, wir essen Döner und Eis. Wir überlegen, wo wir überall hingehen sollen, um dem Anspruch der Veranstaltung gerecht zu werden – und, um alle drei Ausstellungskategorien abzudecken: ‚Historie und Kunst’, ‚Zeitgenössische Kunst’ und ‚Natur und Technik’. Nach vielfältigem Hin- und Herwenden von Prospekt und Stadtplan stehen unsere drei Stationen des heutigen Abends fest.

Video: 7. Etappe Tour de Bildung: Lange Nacht der Museen © Stadtverwaltung Erfurt

Textreportage

Boris und ich sitzen auf dem Wenigemarkt, wir essen Döner und Eis. Wir überlegen, wo wir überall hingehen sollen, um dem Anspruch der Veranstaltung gerecht zu werden – und, um alle drei Ausstellungskategorien abzudecken: ‚Historie und Kunst’, ‚Zeitgenössische Kunst’ und ‚Natur und Technik’. Nach vielfältigem Hin- und Herwenden von Prospekt und Stadtplan stehen unsere drei Stationen des heutigen Abends fest.

Als erstes gehen wir ins „Gewerk“ – ein Atelier für moderne Kunst in der Rudolfstraße. Verschiedene Künstler teilen sich hier eine Villa, in einem Viertel, in dem man dies nicht unbedingt vermuten würde. Einer von ihnen ist der gebürtige Iraker Nooraldeen Amen Hama. In seinem Atelier riecht es süßlich nach Räucherstäbchen. Im Hintergrund ein kleines Radio mit orientalischen Gitarrenklängen. Die Wände sind lückenlos mit Bildern behangen. Arabische Kalligrafie, farbintensive Ölgemälde, filigrane Arbeiten auf Fotopapier, bei denen er mittels einer speziellen Kratztechnik verschiedene Farbschichten freilegt. „Ich verwende verschiedene Techniken, arbeite viel mit Ornamenten und kräftigen Farben. Ich versuche die orientalische Tradition mit der europäischen Moderne zu verbinden. Im Irak hatte ich schon viel über das Bauhaus, die Brücke oder Paul Klee gelesen und wollte deshalb unbedingt nach Deutschland.“ Nooraldeen Amen Hama kam vor zehn Jahren nach Erfurt. Seit zwei Jahren hat er sein Atelier im „Gewerk“. „Manchmal arbeite ich die ganze Nacht. Wenn ich eine Idee habe, dann muss ich sofort anfangen und höre nicht mehr auf, bis das Bild am nächsten Morgen fertig ist.“

Wir sind auf dem Weg zu einem Luftschutzkeller aus dem zweiten Weltkrieg in der Meister-Eckehart-Straße. Bis jetzt wusste ich nicht, dass es in Erfurt ein derartiges Museum gibt. „Gegenüber Kassel, Dresden oder Berlin hat Erfurt den Nimbus einer wenig zerstörten Stadt. Dennoch gab es in Erfurt, gerade in der Altstadt, erhebliche Treffer mit vielen Opfern. Am schlimmsten hat es das Augustinerkloster getroffen, wo viele Kinder verschüttet wurden“, sagt Hardy Eidam, Direktor des Stadtmuseums, und damit auch verantwortlich für den Luftschutzkeller, den wir direkt vor dem Eingang treffen. Durch eine enge Treppe geht es hinunter in einen Raum, der nicht größer ist als ein durchschnittliches Wohnzimmer. Bei Fliegeralarm fanden hier über fünfzig Menschen Platz. Holzbänke, Gasmasken, große Warnaufschriften an den Wänden, historische Dokumente. Aus Lautsprechern dröhnen Sirenen, Bombeneinschläge, schreiende Kleinkinder. Deutlich mitgenommen kommen wir nach einer Viertelstunde wieder an die Oberfläche. Hardy Eidam ist noch da. „Wir bieten Führungen speziell für Schulklassen an. Unser pädagogisches Ziel ist, die Atmosphäre so realistisch wie möglich zu gestalten. Das heißt, es gibt eine Klanginstallation und wir machen auch das Licht aus. Das hinterlässt natürlich einen anderen Eindruck als eine Geschichtsstunde im Klassenraum. Und es passiert schon des Öfteren, dass ein paar von den Mädels rausgehen müssen, weil sie es nicht aushalten.“

Als nächstes peilen wir das Elektromuseum in der Schlachthofstraße an. Das ist ziemlich weit außerhalb. Ich nötige Boris, sich von einem Bekannten ein Fahrrad auszuleihen. Das Elektromuseum ist beeindruckend. Ein riesiges Sammelsurium von skurrilen Elektro-Apparaten, Schaltschränken, Rechenmaschinen, Fernsehern, Radios, Telefonen, Röhren, Transistoren, Dioden und Widerständen aller Epochen, Farben, Formen und Größen. Um die Sammlung in Gänze zu erfassen bräuchte man mehrere Tage. Überall schnarrt, rattert, klingelt und brummt es. Boris zieht mich an der Jacke in einen Raum, durch den eine rote Absperrleine verläuft. Dahinter stehen zwei sogenannte Tesla-Transformatoren. Andreas Schmidt, der extra für den heutigen Abend aus dem Wasserkraftwerk Ziegenrück angereist ist, beginnt seine Hochspannungsvorführung. Armlange Lichtblitze zucken um die Kugel am oberen Ende des Transformators und erzeugen ein hochfrequentes Sirren und Knistern. Eine Leuchtstoffröhre, die Andreas Schmidt in die Nähe der Blitze hält, beginnt bläulich zu glimmen. Allgemeines Erstaunen. Das Publikum ist sichtlich beeindruckt. „Die Energieübertragung hört leider nach zwei bis drei Metern auf.“, erläutert Andreas Schmidt. „Tesla wollte mit seiner Methode Energie durch die Luft übertragen. Leider funktioniert das Prinzip bei großen Leistungen nicht.“ Beim Rundgang treffe ich auf eine Gruppe älterer Herren. Wie sich herausstellt gehören sie dem Verein an, der das Museum betreibt. „Wir sind insgesamt über hundert Mitglieder, aktiv beteiligen sich jeden Dienstag ungefähr zwanzig.“, sagt Johann Kuhn. „Mit dem Museum wollen wir ein Stück Technikgeschichte bewahren. Und wir wollen unser Wissen weitergeben, zum Beispiel an Schulklassen, mit denen wir arbeiten. Bei vielen Schülern müssen wir allerdings bei den Grundbegriffen der Elektronik ganz von vorn anfangen.“