Ausstellung StipVisite: Blanka Weber im Gespräch mit Philipp Schreiner und Masami Saito
Vom 01.04. bis 23.05.2021 stellen Masami Saito und Kristin Wenzel, die beiden Thüringer Landesstipendiatinnen für Bildende Kunst Thüringen 2020, ihre während des Stipendiums entstandenen Werke in der Galerie Waidspeicher aus.
Masami Saito, 1984 in Fukushima (Japan) geboren, beschäftigt sich mit Klima- und Wetterphänomenen und wie sich diese auf ihren Körper auswirken. Im Rahmen des Landesstipendiums für Bildende Kunst Thüringen 2020 entwickelte sie organisch-landschaftliche Werkgruppen und Einzelobjekte zur Veranschaulichung ihrer ganz persönlichen Erlebniswelt. Die Journalistin Blanka Weber war im Rahmen vom MDR Kultur zu Besuch in der Ausstellung und spricht mit dem Kurator Philipp Schreiner und der Künstlerin Masami Saito. Im Gespräch werden die Arbeiten und Intensionen von Masami Saito thematisiert.
Der Bericht von Blanka Weber für MDR Kultur
Blanka Weber
Schon am Eingang holt den Besucher eine großformatige Fotografie ab. Eine karge Landschaft, trockenes Gestein, hellbeige Sedimentschichten. Darüber ein Nasenabdruck mit Schläuchen und daran ein Gewebe aus Kunstharz.
Wenn Masami Saito zu ihren Bildern und Installationen führt, kommen Fragen auf. Das weiß auch der Kurator Philipp Schreiner.
Philipp Schreiner
In diesem Fall stehen wir jetzt gerade vor zwei Werkten aus Latex, die mit Kunstfell überzogen sind. Und das sind nicht einfach Objekte, sondern das sind Organe, menschliche Organe.
Blanka Weber
Eingehüllt in wärmendes Fell. In dem Fall ist es ein Magen und der soll bitte nicht frieren, meint die Künstlerin. Denn die Winter hier seien einfach etwas zu kalt. Man braucht, sagt Philipp Schreiner:
Philipp Schreiner
Vielleicht auch ein bisschen anatomische Grundkenntnisse. Weil wenn man dann genau hinsieht, erkennt man hier und dort verschiedene Organe. Da liegt zum Beispiel ein Paar Lungenflügel neben dem Magen oder dann gibt es hier, teilweise einfach so ein paar Muskelstücke,
die mit Arterien überzogen sind.
Blanka Weber
Was nach Grundkurs Anatomie klingt, hat Masami Saito mit Fotografien kombiniert: Landschaftsbildern, Natur und doch der Mensch mit seinem Lebensgerüst, den Organen mittendrin.
Wer ist diese Frau, die ab 1984 in Fukushima aufwuchs, jenem Ort, der sich 2011 mit einer Nuklearkatastrophe ins Bewusstsein der Menschen eingrub?
Masami Saito
Alle Leute in meine Heimat, meine Stadt haben das gleiche Gefühl und ich habe das Gefühl, dass ich meine Heimat verliere. Ja, das war eine sehr schlechte Erinnerung. Aber, aber wir müssen weiterleben und wir würden nie mal darüber vergessen.
Blanka Weber
Weil die Umwelt reagiert, reagiert auch ein Körper, sagt die heute 36-Jährige. Und vielleicht kommt ihre Leidenschaft, Organe in Acryl über Landschaften und Naturbilder zu setzen, genau aus dieser Auseinandersetzung. Sie zeichnet Bilder in Schwarz-Weiß wie eine bedrohliche Wetterkarte. Die Wolken könnten auch Organe sein. Davor eine Rauminstallation aus Metall, Papier, Kunstharz und Acryl.
Es ist der zeitgenössische Blick einer jungen Frau, deren Lehrer sie am liebsten im Handwerk des traditionellen Holzschnitts gesehen hätten.
Masami Saito
Als ich in Tokio studiert habe, habe ich nur Holzschnitt gemacht. Aber ich wollte etwas anderes machen. Also an der Uni in Tokio durfte ich nur Holzschnitt. Ich konnte nichts anderes machen.
Blanka Weber
Ihren Weg hat sie trotzdem gefunden. Derzeit eher weniger mit Holzschnitt, obwohl auch das als ein Exponat in der Ausstellung zu sehen ist. Was sie fasziniert, sind Wolken.
Masami Saito
Für mich ist Deutschland ist das Land von Wolken. Ja, ich habe da sehr schöne Wolken gefunden und ich wollte irgendwie mit meiner Körper die Wolken verbinden.
Blanka Weber
Und so entstand auch in Latex ein gelblich-weißes Gemisch an Formen und zartem Flaum. Ob Wolken oder Gänsehaut, das mag der Betrachter entscheiden.
Masami Saito steht im Innenhof der Galerie Waidspeicher und hat den schweren Anorak gegen eine Strickjacke getauscht. Sie blinzelt in die Sonne.
Masami Saito
In Japan denkt man so, dass alle Gegenstände etwas heilig sind. Die haben ihre eigene Seele und sie sind irgendwie zusammengebunden. Und dieser Bund macht eine Welt. Aber hier, zum Beispiel in Deutschland ist Material, ist ein Material und Seele und Material sind getrennt. Und vielleicht würde ich dieses Konzept von Japan ein bisschen hier mitbringen.
Blanka Weber
Sie lächelt und hat vermutlich schon die nächsten Bilder im Kopf.