Verstehen Sie Österreichisch?
Von Isabella Straub
Bei Rewe an der Kasse.
„Das ist alles?“
„Ein Sackerl bitte.“
Die Kassiererin friert in ihrer Bewegung ein, ein großes Fragezeichen schwebt über ihrem Kopf. Ich lächle entschuldigend und deute auf das Corpus Delicti. „Eine Tüte“, sagt sie streng.
Tüte. Das kriegt man als Wienerin halt schwer über die Lippen. Sackerl ist selbsterklärend. Finde ich zumindest. Ein kleiner Sack. So wie Packerl ein kleines Paket ist. Hundekot-Tüten heißen bei uns Sackerl fürs Gackerl – egal, wie groß der Hund ist (und seine Hinterlassenschaft).
Nun gut. Der Österreicher ist einer, der gern reimt. Aber auch die Thüringer Mundart hat lyrische Qualitäten! Ich habe mich schlau gemacht. Ä E ü! Das heißt, wie Sie natürlich wissen, „ein Ei (ist) übrig“. Im Oberen Thüringer Wald soll gar die Wendung „Cha i gaddradüd“ verbreitet sein („Komm her, ich gebe dir eine Tüte“). Welch Wunder an Effizienz! Auf das Notwendigste reduziert! Da wird nicht lang um die heiße Bratwurst herumgeredet.
Die ist jetzt jedenfalls eingetütet. Weil ich Bargeld brauche, frage ich die Kassiererin gleich noch, wo ich hier den nächsten Bankomat finde. Okay. Bankomat dürfte auch so eine österreichische Erfindung sein. Immerhin heißt es nicht Bankomaterl.
Ein Sackerl fürs „E“
Apropos Missverständnis: Seit Anfang April bin ich Stadtschreiberin der schönen Stadt Erfurt. Ein symbolisches Amt, das ebenfalls für Verwirrung sorgt. Nein, ich schreibe nicht die Stadtchronik neu und dichte auch nicht auf Thüringisch. Es handelt sich dabei um einen Literaturpreis, der mit einem viermonatigen Aufenthaltsstipendium verbunden ist. Der Rest obliegt dem/der jeweiligen Stadtschreiber:in. An dieser Stelle kündige ich gleich mal meine „Österreichischen Sprachduschen“ an (2. Juni, 15 bis 18 Uhr, Erfurter Kulturladen). Ich suche für Sie ein persönliches Stück österreichischer Literatur aus und „bespreche“ Sie damit für die Dauer einer Dusche – eben drei Minuten lange. Kommen Sie vorbei!
Im Sinne der Sprachverständigung werde in meiner Zeit in Erfurt auch den hiesigen Dialekt üben. Sollte ich je in die Verlegenheit kommen, ein Ei übrigzuhaben, weiß ich jedenfalls schon, was ich rufen werde. Und falls Sie das Ei abholen, wissen Sie, was Sie nicht vergessen dürfen. Genau: das Sackerl.