Über 245 Brücken musst du geh´n
Von Isabella Straub
Ab und an versucht man, Eindruck zu schinden. Also sagte ich letztens zu einer Freundin: „Morgen gehe ich nach Venedig.“
Sie: „Ernsthaft? Gehen? Zu Fuß?“
„Zu Fuß.“
„Und wie lange gehst du da?“
Wahrscheinlich sah sie mich schon in Weitwanderhosen und Weitwanderschuhen, die Zehen mit Hühneraugenpflastern abgeklebt, den Wanderstab in der Hand, durch ödes Terrain schlurfen.
„Acht“, sagte ich.
„Acht was? Tage? Wochen?“
Minuten konnte ich schwer sagen, also hielt ich den Mund und blickte konzentriert in die Ferne.
Ja, Erfurt hat ein Venedig so wie England ein New York hat (ein ganz kleines). In den USA gibt es gleich dreißig Ortschaften, die Berlin heißen. Und immerhin verfügt Erfurts Partnerstadt Shawnee in Kansas über einen „Erfurt Park“ (wie spricht das dort eigentlich aus? Örfört?).
Bekannte Orte, in andere Orte verpackt: geographische Überraschungseier, die für Verwirrung sorgen können. Fest steht: Für den Spaziergang von der Stadtschreiberwohnung nach Venedig erhalte ich kein Wanderabzeichen, und auch einen Gondoliere werde ich kaum antreffen.
Mit der Anzahl der Brücken kann es die Stadt indes mit der Lagunenstadt aufnehmen: 245 kontra 400 im „echten“ Venedig. Wer hätte das vermutet? Venedig ist brückentechnisch aber immer noch arm dran, vergleicht man es mit jener Stadt in Europa, die über die meisten Brücken verfügt. Das ist nämlich Hamburg mit 2.500 Brücken.
Wie auch immer. Im Venedig Erfurts blühen die Magnolienbäume, und die schmale oder wilde Gera (jedenfalls irgendwas mit Gera) plätschert munter vor sich hin. Einen Markusplatz gibt es keinen, aber ein Markus nimmt im Gras Platz. Und wenn man genug Venedig-Flair aufgesogen hat, kann man auch über ein paar Brücken wieder zurückspazieren. Peter Maffay könnte glatt einen Song drüber schreiben.