Stadtmuseum widmet „Erfurts vergessenem Parlament“ zum 175. Jubiläum eine Sonderausstellung

18.03.2025 15:28

Am Mittwoch, den 19. März 2025, eröffnet im Stadtmuseum Erfurt die Jubiläumsausstellung „Das vergessene Parlament. 175 Jahre Erfurter Unionsparlament 1850“. Gezeigt wird die historische Schau bis zum 15. Februar 2026 in der ersten Etage. Dort ist sie als Intervention in die Sonderausstellung „Erfurt entfesselt. Das Ende der Festung Erfurt 1873“ integriert.

„Meilenstein der Demokratiegeschichte“ wird präsentiert

Foto: Die neue Sonderausstellung ist eingebettet in der Schau zur Entfestigung Erfurts im ersten Obergeschoss des Stadtmuseums. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

„Die neue Sonderausstellung am authentischen Ort ist dem zu Unrecht vergessenen Meilenstein der Demokratiegeschichte und des deutschen Einigungsprozesses gewidmet“, berichtet Oberkurator Hardy Eidam.

Im Frühjahr 1850 wurde in Erfurt große Geschichte geschrieben: Vom 20. März bis 29. April trat im Augustinerkloster das Erfurter Unionsparlament zusammen. Es sollte nach der gescheiterten Revolution 1848/49 doch noch die Verfassung für einen deutschen Nationalstaat unter Führung Preußens ausarbeiten. Hierauf hatten sich der preußische König Friedrich Wilhelm IV. und die gemäßigten Liberalen der Frankfurter Nationalversammlung geeinigt. Der Verfassungsentwurf stammte vom Vertrauten des Königs, Joseph Maria von Radowitz.

Viele Erfurter hofften angesichts dieser spektakulären Wendung auf eine Zukunft als Parlamentssitz oder sogar als Hauptstadt Deutschlands. Die preußische Festungsstadt mit ihren 30.000 Einwohnern wurde unter anderem aufgrund der zentralen Lage mit Eisenbahnanschluss seit 1847 als politischer Schauplatz auserwählt. Mit Blick auf die Klein- und Mittelstaaten sollte zugleich das Machtzentrum Berlin vermieden werden. Auch das traditionelle Nebeneinander von Protestanten und Katholiken sprach für Erfurt.

Das Unionsprojekt, dem sich nicht alle Staaten des Deutschen Bundes angeschlossen hatten, scheiterte jedoch rasch am Widerstand der Großmächte Österreich und Russland. In der Olmützer Punktation vom 29. November 1850 musste Friedrich Wilhelm IV. endgültig auf seine nationalen Ambitionen verzichten. Das Erfurter Unionsparlament fiel so, spätestens nach der Bismarck‘schen Reichsgründung mit „Eisen und Blut“ im Jahr 1871, dem Vergessen anheim.

Dies möchte das Stadtmuseum Erfurt im „Haus zum Stockfisch“ nun ändern. Als Sitz der provisorischen Regierung ist es selbst authentischer Schauplatz. Während des Parlaments residierte hier Radowitz als „Kommissar des Verwaltungsrates“ der „Deutschen Union“. Er und Minister von Mitgliedsstaaten hielten in dem prächtigen Bürgerhaus Beratungen und Empfänge ab. Das erste Stockwerk hatte der preußische Staat als „Repräsentationslokal“ herrichten lassen.

175 Jahre später widmet das Geschichtsmuseum dem Ereignis genau hier eine tiefgründige Sonderausstellung. Eingebettet in die Schau zur Entfestigung Erfurts im 19. Jahrhundert, wirft sie Schlaglichter auf jenen Meilenstein der Demokratiegeschichte und des deutschen Einigungsprozesses. Herausragende Symbole der frühen Volksherrschaft sind die Wahlurne von 1850 und eine schwarz-rot-goldene Schärpe. Anhand des großen Stadtmodells, ebenfalls aus der Epoche der Neuzeit stammend, werden die wichtigsten Schauplätze neben dem Augustinerkloster und dem „Haus zum Stockfisch“ vorgestellt.

Die rund 380 Abgeordneten verabschiedeten nach brillanten Debatten eine moderne Verfassung. Sie basierte unter einigen konservativen Korrekturen weitgehend auf der Frankfurter Reichsverfassung von 1849. Demokraten, Liberale und Konservative konstituierten sich als die politischen Hauptströmungen, das klassische Parteienspektrum Links-Mitte-Rechts nahm in Erfurt Form an. Während die Liberalen um Eduard Simson mit ihrer Mehrheit die Verfassung beschlossen, lehnten sie die Konservativem um den jungen Otto von Bismarck ab. Die Demokraten um den Erfurter Publizisten Hermann Alexander Berlepsch hatten das Parlament als Kompromiss mit der Obrigkeit boykottiert.

Rund um Jubiläum und Ausstellung

Einhergehend mit der Ausstellung hat der Erfurter Historiker und Gastkurator Dr. Steffen Raßloff eine gleichnamige Begleitpublikation verfasst. Diese gibt auf insgesamt 45 Seiten einen reich bebilderten populärwissenschaftlichen Überblick von der Vorgeschichte bis zur Erinnerungskultur. Die Veröffentlichung des hauseigenen Fördervereins ist gegen eine Schutzgebühr von 5,00 Euro im Stadtmuseum erhältlich.

Rund um den 20. März 2025 finden zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen zu Ehren des „Erfurter Unionsparlaments 1850“ in Erfurt statt. Das umfassende Jubiläumsprogramm wurde initiiert von der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte, dem Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt, der Historischen Kommission für Thüringen und dem Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Ab 14:00 Uhr lädt das Augustinerkloster zu einer großen Festveranstaltung und dem Besuch der Schau „Frust und Freiheit“ ein. Der offizielle Festakt mit Fachvortrag im Erfurter Rathaus beginnt um 19:00 Uhr. Eine wissenschaftliche Tagung vom 21. bis 22. März rundet das Geschehen ab. Das komplette Programm und weitere Informationen sind unter Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte zu finden.

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  • eine kreisförmige Ausstellungsinstallation mit Grafiken, Fotos und Texten

    Ausstellung „Das vergessene Parlament. 175 Jahre Erfurter Unionsparlament 1850“

    © Stadtverwaltung Erfurt
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