Zwischen Popkultur, Politik und Post-Internet
Themenausstellung „The Cute Escape“ in der Kunsthalle Erfurt widmet sich der Ästhetik der Zuwendung in der zeitgenössischen Kunst
Die Ästhetik der Niedlichkeit erobert die zeitgenössische Kunst. Doch was steckt hinter dem weit verbreiteten Phänomen der „Cute Art”? Kann Kunst mit weichen Formen harte Kritik üben? Wann wird Zuwendung politisch – oder sogar radikal? Ist Eskapismus ein Akt der Selbstfürsorge oder der Verweigerung? Und was passiert, wenn Kunst nicht mehr schockiert, sondern tröstet und streichelt?
Wie Alice im Wunderland, die durch den Kaninchenbau fällt, führen Skulpturen, Installationen, Videos, Malereien und Fotografien die Besucherinnen und Besucher in eine Welt voller wundersamer Wesen, faszinierender Farben und einfühlsamer Momente innerhalb der Ausstellung. Dort begegnen sich Analoges und Digitales, Popkultur und Netzkultur. Es ist eine Welt, in der Freundschaft und Gemeinschaft gefeiert werden, Fantasy und Fürsorge miteinander verschmelzen, alte Spielzeuge neue, überraschende Bedeutungen gewinnen und selbst vermeintlicher Kitsch zum kollektiven Staunen verführt.
„The Cute Escape“ erforscht diese facettenreiche „Neue Niedlichkeit“. Mit welchen Methoden und Strategien nehmen Künstlerinnen und Künstler Aspekte wie Geborgenheit, Eskapismus, aber vor allem die kritische Auseinandersetzung mit drängenden Fragen und Herausforderungen unserer Zeit in den Blick? Historische Einflüsse und Traditionslinien helfen dabei, die Entwicklung dieser Ästhetik besser zu verstehen. Längst stehen Niedlichkeit und Nachgiebigkeit nicht mehr nur für Schwäche oder Infantilität; vielmehr erweisen sie sich als kraftvolle Ausdrucksmittel für Empowerment. Empathie und Empfindsamkeit werden zu Stärken im Streben nach Mitmenschlichkeit.
Das Kindliche, Weibliche und Populäre: ein Dinosaurier, der Karaoke singt, Höhlen aus Stoff und Fell, die zum Verstecken einladen. Kuscheltiere und Spielzeug, die das innere Kind berühren. „Solche Motive wirken wohltuend in einer Zeit, die von demokratischen Krisen, globaler Erwärmung und Nationalismus geprägt ist und in der die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Solidarität wächst“, sagt Kurator Philipp Schreiner.
Seit dem 20. Jahrhundert war das kulturelle Selbstverständnis geprägt von Avantgardismus und Coolness – elitär und unnahbar. Emotionale Zurückhaltung war ein Zeichen von Stärke, während Verletzlichkeit und Empfindsamkeit als Schwäche abgetan wurden. „Cute Art“ markiert einen Paradigmenwechsel: hin zu Fürsorglichkeit und Verantwortlichkeit. Die Künstlerinnen von „The Cute Escape“ zeigen, dass das Zarte und Weiche auch Mut und Widerstand verkörpern können – eine Ästhetik, die tröstet und zugleich neue Räume für Fürsorge und Empowerment schafft.