Sanierung der alten Parteischule mit Denkmalschutzpreis ausgezeichnet
Beispiel für angemessenen Umgang mit Bauerbe der Nachkriegsmoderne
Dieser Preis wird jährlich von der Thüringer Staatskanzlei mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen vergeben. Das Projekt ist eines von insgesamt fünf, die durch den Thüringer Kulturminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff am 13. Juni 2024 prämiert wurden. Die Ehrung widmet sich konkret und persönlich dem Bauherrn Andreas Müller. In seiner Verantwortung lagen und liegen alle Baumaßnahmen, die für die Nutzung durch die Bundesfinanzverwaltung und einer ihrer Zollschulen seit 2021 durchgeführt wurden. Seit 2023 läuft der Schulbetrieb in diesem ungewöhnlichen, aber für die neue Nutzung nahezu maßgeschneiderten Gebäudekomplex – dessen Herkunft aus den frühen 70er Jahren noch in fast jedem Architekturelement erlebbar ist und gleichzeitig vor DDR-Geschichtlichkeit nur so strotzt. Die denkmalpflegerische Erfolgsgeschichte ist seit 2012, als Andreas Müller Eigentümer wurde, direkt mit ihm verbunden. Vorgeschlagen für den Denkmalpreis wurde er von Dr. Mark Escherich, dem Leiter der städtischen Denkmalbehörde.
Gebäudekomplex als „Zeitkapsel“
Der lebendige Lern- und Geschichtsort „Alte Partei-, neue Zollschule“ galt lange als heikles und umstrittenes Erb-Stück: Von 1969 bis 1972 als Internatsschule für die innerparteiliche Kaderbildung der SED im Bezirk Erfurt erbaut und bis 1990 als solche betrieben, nutzte sie das Land Thüringen danach vor allem als Interim für die neu gegründete Fachhochschule. Zunehmend in den Nullerjahren zog in den klosterartigen Komplex mit Lehr- und Internatsgebäuden ein bunter Nutzungsmix ein. Tagungen, Konzerte, Discos, Flohmärkte, kurzes und langes Wohnen sowie diverse andere Einmietungen machten den Ort zu einem offenen Haus und ließen es in einem neuen, ideologiefreien Licht erscheinen. Die pragmatische Weiternutzung erforderte fast keine Veränderungen. Selbst Leuchter, Tapeten, Vorhänge, Mobiliar und sogar Essbesteck der Mensa waren zu großen Teilen geblieben. In Anbetracht des anderswo rasanten Verschwindens war hier der Eindruck einer regelrechten „Zeitkapsel“ entstanden.
Ein regelrechter Glücksfall für den Gebäudekomplex war der nun ausgezeichnete Investor Andreas Müller – mit einem Faible für das noch junge und trotzdem bereits historische Ambiente – und auch der Umstand, dass er mit der Generalzolldirektion einen aufgeschlossenen und verständigen Dauernutzer fand. Dessen Raumanforderungen waren zudem fast identisch mit dem Bestand. Die erheblichsten Veränderungen brachte der Zubau von fast 130 Schülerappartements, für die die verantwortlichen Projektarchitekten Behzadi + Partner gemeinsam mit der Denkmalschutzbehörde verträgliche Stellen am Komplex fanden. So bekam der rückseitige Seminarflügel einen Verlängerungsanbau und eine dezente Aufstockung. Gewahrt blieb die skulpturale Großform aus flachen Gebäuderiegeln und Vertikalakzenten, um die herum entstehungszeitlich eine anspruchsvolle Parkanlage – unter anderem mit opulenter Springbrunnenkaskade – angelegt worden war.
Die einzelnen Gebäudeteile und -fassaden werden von einem nun erneuerten weißen Anstrich zusammengehalten, wovon auch die seriellen plastischen Fassadenelemente profitieren, die allenthalben die industriell hergestellte Architektur nobilitieren sollten – am augenscheinlichsten am Audimax-Kubus über dem Haupteingang mit blauen Email-Kacheln, aber auch an den Stirnseiten der zwölfgeschossigen Internats-Scheibe. Dort mit kräftig facettierten Betonformformelementen. Insgesamt wurden die Fassadenoberflächen sehr weitgehend authentisch (materiell) erhalten – selbst plastene Attikaverkleidungen und alle Aluminiumfensterelemente – wodurch sehr viel historische Aura erlebbar blieb.
Seit sehr vielen Jahren verblasst war die nun wiederhergestellte, farbige Gestaltung des Apartmenthochhauses. Es wurde im Rahmen der Sanierung, begrenzt auf die Längsseiten und mit einer nachträglichen äußeren Dämmung versehen, die minutiös das Fassadenrelief der „Platte“ nachbildet, einschließlich aller Nuten und Faschen. Die bewahrte Gesamtwirkung des Ensembles setzt sich im Inneren fort: In den Kernbereichen, z. B. im Foyer, in der Mensa und im Klubraum „Vilniuszimmer“, wurden die Oberflächenmaterialien und Teile des Mobiliars liebevoll aufgearbeitet. Wo Substanzerhaltung unmöglich war, wie bei Teilen der Deckenelemente in den Lektionssälen und in der Mensa, wurden über 2000 solcher Elemente vor Ort nachgegossen und eingebaut.
Im Audimax wurde das originale Gestühl nur leicht angepasst, um Forderungen des Brandschutzes, der Rollstuhlgerechtigkeit und des Lehrbetriebes des „Bildungs- und Wissenschaftszentrums“ gerecht zu werden. Fast 500 Zollschüler absolvieren hier jedes Semester ihre theoretische Ausbildung. Vielfältige Flächen für Freizeit- und Sportaktivitäten sowie 430 Apartments stehen nach der Fertigstellung der Zubauten im nächsten Jahr bereit.
Denkmalpfleger begeistert von fertiggestelltem Projekt
Dass Andreas Müller, gemeinsam mit seinen Bauleuten und der Generalzolldirektion diese Symbiose aus Bewahrung und modernster Nutzung gelang, ist nicht zuletzt angesichts der gleichzeitigen Pandemie und anschließender anderer Krisen umso verdienstvoller. Deshalb hat Dr. Mark Escherich das Projekt für den Thüringer Preis vorgeschlagen. Für den betreuenden Denkmalpfleger geht das weitgehend fertiggestellte Projekt jedoch weit über den Einzelfall hinaus: es steht beispielhaft für einen angemessenen Umgang mit dem Bauerbe der Nachkriegsmoderne im Allgemeinen. Zwar wird solche Architektur immer häufiger als historisch anerkannt (und als Ressourcen-Riese gesehen), Abriss und Neubau aber trotzdem oft vorgezogen. Vorurteile überwiegen, die Baumaterialien und Konstruktionen dieser Zeit haben einen schlechten Ruf – die Sanierungsmöglichkeit wird schnell in Frage gestellt. Dem hat sich Andreas Müller entgegengestellt und an vielen Stellen und Details an dem großen Komplex maßgeschneiderte Gegenbeweise zur verbreiteten Abbruchmentalität erbracht.