Gemeindepsychiatrischer Verbund für Erfurt gegründet
Unterzeichner wollen Angebote besser verknüpfen und mehr Menschen erreichen
In einem mehrjährigen Prozess wurde in vertrauensvoller Zusammenarbeit, aber durchaus kontrovers diskutiert, wie die Basis einer gemeinsamen Zusammenarbeit aussehen kann. Teilnehmen konnten alle Organisationen, die Hilfe und Unterstützung für Menschen mit psychischer und Suchterkrankung anbieten. Ziel der Teilnehmenden war eine verbindende Kooperation zwischen allen Beteiligten.
Zu den 22 Unterzeichnern der Vereinbarung zählten die beiden Erfurter Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, das Jobcenter Erfurt, die Angehörigenvertretung und die Selbsthilfe der Menschen mit psychischer Erkrankung sowie weitere große und kleine Träger in Erfurt, die im Rahmen der Eingliederungshilfe und Rehabilitation sowie des öffentlichen Gesundheitsdienstes wertvolle Hilfe leisten.
Oberbürgermeister Andreas Bausewein hofft, dass der GPV das Reden über psychische Erkrankungen ein Stück weit enttabuisieren kann und betonte in seinem Grußwort, dass Erfurt bereits vielfältige Unterstützungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen bietet: „Es gibt rund 26 niedergelassene Psychiater und Neurologen. Es gibt über 100 Psychotherapeuten und Erfurt ist mit zwei psychiatrischen Kliniken, Institutsambulanzen, zwei ambulant psychiatrischen Pflegediensten gut aufgestellt – um nur einige zu nennen.“
Der Gemeindepsychiatrischer Verbund soll diese vielfältigen Angebote besser miteinander vernetzen und Lücken schließen, damit diese Angebote künftig auch noch mehr Menschen in Erfurt erreichen. Das gemeinsame Ziel ist es: „Menschen mit psychischen Problemlagen und psychischen Erkrankungen schnelle und passende Hilfen zukommen zu lassen.“
Das ist manchmal nicht einfach, wie auch Matthias Rosemann von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Gemeindepsychiatrischen Verbünde erzählt: „Ein GPV dient auch dazu, Synergien zu schaffen zwischen den Anbietern psychiatrischer Dienste. Das ist auch in Zeiten des Fachkräftemangels ein großer Schatz“.
Rund ein Viertel der Erfurterinnen und Erfurter haben eine seelische Erkrankung
„In Erfurt sind knapp 50.000 Erfurterinnen und Erfurter von seelischer Erkrankung betroffen. Für sie und ihre Angehörigen ist eine solche Erkrankung mit Belastungen verbunden und führt oft zu Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben. Betroffene und ihre Angehörigen finden sich im Hilfenetzwerk oft überfordert und brauchen die Unterstützung möglichst Vieler bei der Bewältigung der Herausforderungen“, sagt Anke Hofmann-Domke, Dezernentin für Gesundheit. Jeder vierte Erwachsene erfülle im Laufe eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählen Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch.
Hinzu kommen natürlich auch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen: Psychische Erkrankungen sind nicht nur die zweithäufigste Ursache für Krankheitstage im Beruf, sie sind auch der häufigste Grund für Frühverrentungen. Daher ist es wichtig, dass alle Unterstützungsangebote in Erfurt für die Bürgerinnen und Bürger gut zusammenarbeiten, sodass die Fragen nach Unterstützung der betroffenen Erfurterinnen und Erfurter schnell geklärt werden.
Gemeindepsychiatrische Verbände haben in Deutschland eine junge Tradition. In Thüringen wurde der erste GPV im Jahr 2007 in Saalfeld-Rudolstadt gegründet. Die meisten Bundesländer in Deutschland haben regionale gemeindepsychiatrische Verbände, in denen eine verbindliche Zusammenarbeit geregelt ist. In diesen Verbänden arbeiten Anbieter von Hilfe und Unterstützung für Menschen mit psychischen und Suchtproblematiken an gemeinsamen Lösungen für eine gute Versorgung.