Erfurter Beispiel für eine gelungene Teilhabe am Arbeitsleben
3. Dezember – Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
In Erfurt leben rund 22.000 Menschen mit einer schweren Behinderung. Das entspricht einem Anteil von etwa zehn Prozent der Einwohner. Um die Probleme und Anliegen dieser Menschen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, gibt es seit 1993 den von den Vereinten Nationen ausgerufenen Gedenk- und Aktionstag für Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember. Es gilt, die Rechte und die Würde all dieser Menschen zu gewährleisten und ihnen in einer barrierefreien und inklusiven Stadt Teilhabe zu ermöglichen.
Meilensteine auf dem Weg zu mehr Teilhabe und einem gleichberechtigten und selbstbestimmten Leben für die Betroffenen sind die UN-Behindertenrechtskonvention, das Bundesteilhabegesetz oder das Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
Im Mittelpunkt der Behindertenpolitik der Stadtverwaltung Erfurt stehen nicht mehr die Fürsorge und Versorgung von behinderten Menschen, sondern ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Mit dem Bundesteilhabegesetz sind beispielsweise die Beschäftigungsangebote der anerkannten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen durch die Zulassung sogenannter „anderer Leistungsanbieter“ und die Einführung des Budgets für Arbeit ergänzt worden. Die „anderen Leistungsanbieter“ nach Paragraf 60 SGB IX bieten Menschen mit Behinderungen betriebsintegrierte Arbeitsplätze nach Fähigkeit und Interesse und mit individueller Betreuung und Unterstützung. Ein Weg in eine Werkstatt bleibt den Nutzern dieser Möglichkeit aber weiterhin immer offen.
Ein aktuelles Beispiel für gelingende Teilhabe ist das der jungen Erfurterin Isabelle K. Am 30. November 2022 wurde ihr feierlich in der Jugendberufsförderung (JBF) das Teilnahmezertifikat des Berufsbildungsbereichs im Beisein von Vertretern der JBF und der "Mit Menschen gGmbH", des Reha-Teams der Agentur für Arbeit, des Niederlassungsleiters der Tiptop-Group sowie der kommunalen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen überreicht.
Zum 1. Dezember 2022 trat Isabell in den Arbeitsbereich des Dienstleistungsunternehmens Tiptop-Group ein. Neben ihrer Qualifizierung im Berufsfeld Gebäudereinigung sind die weitere Stabilisierung der jungen Frau und perspektivisch der Übergang in eine Erwerbstätigkeit über das Budget für Arbeit das Ziel. Begleitet und betreut auf ihrem Weg in ein Arbeitsverhältnis wird Isabell vom nun an vom Individuellen Teilhabedienst der "Mit Menschen gGmbH".
Ursprünglich führte der Lebensweg die 21-Jährigen nach dem Besuch der Förderschule in die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Nach gut sechs Monaten reifte bei ihr, auch durch familiäre Unterstützung, der Entschluss, einen anderen Weg in die Arbeitswelt zu wählen. Hilfreich war ein erstes Praktikum in der JBF.
Im Anschluss daran führte sie ihren Berufsbildungsbereich in der JBF fort. Sie machte positive Erfahrungen in verschiedenen Betrieben, fühlte sich wohl und anerkannt. Letztendlich machte der Einsatz in der Gebäudereinigung so viel Spaß, dass sie manchmal fast den Feierabend vergaß. Mit dem Einstieg in den Arbeitsbereich bei der Tiptop-Group, mit der Zielstellung im kommenden Jahr in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bei diesem Arbeitgeber zu wechseln, hat sie die Möglichkeit, eigenes Einkommen zu erzielen und ihre Zukunft nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Sie ist in Erfurt die Erste, die diesen Weg erfolgreich beschritten hat.
Gute Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen
Im Gespräch mit dem Niederlassungsleiter der Tiptop-Group Thomas Seebauer und der Frage nach der Motivation seines Unternehmens, Isabell K. eine solche Möglichkeit zu eröffnen, sagt dieser: „Wir haben bereits gute Erfahrungen in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gemacht. Sie sind wertvolle, zuverlässige und engagierte Mitarbeitende und wir sehen hier auch Chancen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“.
„Dieses Beispiel zeigt, dass Menschen mit Behinderungen auf diesem Weg am Arbeitsleben in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes teilhaben und ein selbstbestimmtes Leben führen können und lässt hoffen, dass sich zunehmend mehr Arbeitgeber für die Beschäftigung dieser Menschen entscheiden“, sagt Carola Hettstedt, Erfurter Beauftragte für Menschen mit Behinderung.