Erfurter „Kontor“ bekommt Thüringer Denkmalschutzpreis
Unter den fünf von Kulturstaatssekretärin Tina Beer heute ausgezeichneten Projekten ist die Wiederherstellung des Lagergebäudes der Großhandelsgesellschaft (GHG) Haushaltswaren, Hugo-John-Straße 8 von 1959/60 in Erfurt. Es wurde in den letzten Jahren zum „Kontor – Zentrum für Kreativwirtschaft“ umgebaut und jetzt nachgenutzt.
Geehrt wird mit dem Preis zuallererst der Initiator und Bauherr Frank Sonnabend, der an der Rettung und Wiederherstellung, aber auch der vitalen Nutzung des denkmalgeschützten ehemaligen Lagergebäudes einen maßgeblichen Anteil hat. Das Projekt überzeugte nicht nur in denkmalpflegerischer Hinsicht, sondern gerade in der Verbindung mit anderen gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsanliegen: Geschichtsbewusstsein, hoher baukultureller Anspruch, Geschäftssinn und Innovationsfreude verbanden sich hier mit Heimatverbundenheit, Macher-Mentalität und mit dem Bedürfnis Kultur und Kunst lokal möglich zu machen und letztendlich so auch selbst schaffen zu wollen.
Damit ist Frank Sonnabend Teil und auch Vorantreiber der sich seit einigen Jahren vollziehenden Wiederentdeckung von Industrievergangenheit und -kultur in Thüringen und verschiebt hierbei den Fokus auf die immer noch wenig beachtete DDR-Industrie-Moderne. Mit dem Mix von Kunst- und Kulturschaffenden, Kunstbedarfshandel, Kreativwirtschaft und Unternehmen aus dem Bereich Industrie 4.0 als Mieter sowie Veranstaltungen und Events gelang eine sehr zukunftsfähige Aktualisierung der ursprünglichen Gebäudenutzung.
„Noch zu oft verfallen brachliegende Industriestandorte und werden vergessen oder abgerissen“, ist Frank Sonnabend überzeugt. Schon vor vielen Jahren hatte er das seit 1992 ungenutzte und verfallende Lagergebäude „entdeckt“ und das Potential erkannt neue Räume für Kreative und neue Arbeitswelten im Erfurter Norden zu schaffen. Wichtig war ihm dabei immer das Zeugnis der Arbeits- und Baugeschichte der DDR zu bewahren sowie gleichzeitig auch die Spuren des Hauses, die sich während der Jahrzehnte des Leerstandes ansammelten.
Dass sehr viel erhalten und meist auch sichtbar belassen wurde, imponiert auch den Denkmalpflegern der städtischen Denkmalschutzbehörde, die sich seit vielen Jahren verstärkt auch für die Erhaltung der historischen Industriearchitektur in Erfurt einsetzen. Sie hatten auf das zum Abbruch verurteilt erscheinende Kleinod in der Hugo-John-Straße immer wieder hingewiesen, haben sodann das Sanierungsprojekt begleitet und für den Preis vorgeschlagen.
Betonrahmenfenster, Fußböden und Deckenelemente aus der Frühzeit des seriellen Bauens prägen bis heute und bekommen ein zweites Leben zugestanden. Wo es irgendwie möglich war, wurde auf Verkleidungen und Anstriche verzichtet: rohes Material, abblätternde Erstanstriche, Reste originaler Wandbeschriftungen sowie Bombings und Tags der heimlichen Zwischennutzungen nach 1992 sorgen im Inneren für stylische Geschichtlichkeit, die durch die Ausstattung mit entstehungszeitlich passenden Hellerau-Möbeln geschmackvoll gesteigert wird. Vielfältige Kulturveranstaltungen, die seit der Eröffnung dort stattfinden, bieten Gelegenheit sind selbst einen Eindruck zu verschaffen; darüber hinaus kündigt das Kontor-Team auch Führungen im Rahmen der Erfurter Denkmaltage an, die dieses Jahr vom 7. bis 12. September 2021 stattfinden.