Arnold Odermatt: Polizist, Photograph, Schweizer
Schon früh hatte Arnold Odermatt die Fotografie für sich entdeckt und sich das entsprechende Wissen autodidaktisch erarbeitet. Als angehender Verkehrspolizist konnte er Ende der 1940er Jahre bei seinem Vorgesetzten erreichen, bei der Unfalldokumentation dieses 'neue' Medium anstatt der bis dahin üblichen Handzeichnungen einzusetzen. Dabei verfolgte er aber auch ein eigenes Interesse: Nicht selten suchte er, neben seinem beruflichen Auftrag der möglichst sachlichen, objektiven Dokumentation für die Beweisführung zum Unfallhergang, einen zweiten Blickwinkel, der ihn formal mehr ansprach, so dass es am Ende oft zwei Bildvarianten der Unfälle gab: eine für die Akten und die andere für ihn selbst.
Es ist die Gleichzeitigkeit des fotografischen Mediums, zwischen Objektivität und Subjektivität, zwischen Dokumentation und Interpretation, die sich in Odermatts Bildern von Unfällen fast plakativ offenbart und später sogar den Schweizer Kurator Harald Szeemann überzeugte, der im Jahr 2001 über dreißig Abzüge von Odermatts Karambolagen erstmals einem internationalen Kunstpublikum vorstellte – zur 49. Biennale in Venedig, in den historischen Hallen des Arsenale.
Doch die Vorarbeit dazu lieferte sein Sohn, der Regisseur und Autor Urs Odermatt, der Anfang der 1990er Jahre den Spielfilm Wachtmeister Zumbühl über einen leidenschaftlich fotografierenden Polizisten plante und dafür die Bildbestände seines inzwischen pensionierten Vaters sichtete. Er erkannte die Qualität dieses Konvoluts, arbeitete es auf und publizierte einen ersten Einblick des Werkes unter dem Titel Arnold Odermatt: Meine Welt. Photographien/Photographs 1939–1993 im Benteli Verlag Bern. Der anschließende Erfolg gab Urs Odermatt recht und beschäftigt ihn bis heute: große Ausstellungen vom Fotomuseum Winterthur bis zum Art Institute of Chicago, dazu zahlreiche monografische Publikationen aus dem Verlagshaus Steidl.
Dabei wollte Arnold Odermatt eigentlich nie Kunst machen, sondern allein gute Bilder. Und die mussten vor allem scharf sein. Neben Unfallfotos, den Karambolagen, wie sie später zusammengefasst, betitelt und publiziert wurden, hielt er über die Jahre auch viele andere nahliegende Motive seines Umfelds mit der Rolleiflex auf Film fest. Sein fotografischer Ansatz, also das Spannungsfeld zwischen Dokument und Inszenierung, zieht sich auch durch diese Arbeiten: vom polizeilichen Dienstalltag (veröffentlicht unter dem Titel Im Dienst) über die autobiografischen Fotografien aus dem Familienalbum (In zivil) bis hin zu seinen Beobachtungen des eidgenössischen Alltags (Feierabend).
Der Fotograf verfolgte dabei immer einen gleich hohen Anspruch, die Dinge ins richtige Licht zu setzen, egal, ob es sich um Selbstporträts, Kollegen, seine Tätigkeit, die eigene Familie und Freizeit oder die ländliche Umgebung handelte – und das je nach Situation mal nüchtern oder charmant, mal streng oder verschmitzt.
Dieser facettenreichen Qualität seiner Fotografien ist es zu verdanken, dass aus einem persönlichen Bildarchiv abseits des großen Kunstbetriebs ein eigenständiges künstlerisches Werk erwachsen konnte, welches diesen Namen unbedingt verdient.
Die über 180 fotografischen Prints in Schwarzweiß und Farbe stellte die Galerie Springer, Berlin, für die Ausstellung zur Verfügung.
(Daniel Blochwitz, Kurator)
Förderer der Ausstellung
Sparkasse Mittelthüringen
Pro Helvetia
Eröffnung
Sonnabend, 15.02.2020, 18 Uhr
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag: 11 – 18 Uhr
Donnerstag: 11 – 22 Uhr
Begleitprogramm
Führungen
Do: 05.03.; 19.03.; 26.03.; 09.04.2020 , jeweils 19:00 Uhr
So: 01.03.; 22.03.; 19.04., jeweils: 11:15 Uhr
Sonderführungen nach Anmeldung
Filmreihe
27.03.2020
„Lopper“
Ein Film von Arnold Odermatt und Urs Odermatt (35 Min.)
„Wachtmeister Zumbühl“
Ein Film von Urs Odermatt (100 Min.)
28.03.2020
Gekauftes Glück
Ein Film von Urs Odermatt (90 Min.)
Der böse Onkel
Ein Film von Urs Odermatt (100 Min.)
Urs Odermatt, der Regisseur, Autor und Herausgeber der Arbeiten von Arnold Odermatt, ist bei den Vorführungen anwesend und steht zu Gesprächen zur Verfügung.
Konzert
13.03.2020: Brise Manouche meets Joscho Stephan
Veranstalter
Kunsthalle Erfurt
Ansprechpartner
Daniel Blochwitz (Kurator)
Prof. Dr. Kai Uwe Schierz (Direktor Kunstmuseen) +49 361 655-1651