„Erfurter Naturkundemuseum muss Leitmuseum werden“
Kulturbeigeordneter Dr. Tobias J. Knoblich appelliert an den Freistaat
„Die Museumsperspektive 2025, die der Freistaat jüngst vorgelegt hat, ist ohne die Landeshauptstadt als größtem kommunalen Museumsträger Thüringens entstanden. Ich bin sehr irritiert, dass unsere Vorschläge entgegen anderslautenden Aussagen bisher nicht diskutiert wurden. Auch der Thüringer Museumsverband unterdrückt jede Form der Kritik. Bis heute haben wir gewartet, wann es zu den in Aussicht gestellten Gesprächen kommt. Wir hatten uns in Abstimmung mit dem Kulturausschuss umfassend erklärt und erhalten keine Antwort, weder vom Land, noch vom Verband. Das ist ziemlich brüskierend in einer demokratischen Diskurskultur. Zur institutionellen Förderung ab 2020 gab es bisher keine Gespräche“, so Knoblich. Dies deute darauf hin, dass alles beim Alten bleiben soll. „Damit sind wir nicht zufrieden, wir fordern die Wertschätzung ein, die uns zusteht.“
Das Naturkundemuseum hat nach Knoblichs Ansicht in den letzten Jahren deutlich an Exzellenz gewonnen und wirkt weit in die Fläche. „Darüber müssen wir reden. Immer mehr Naturkundemuseen in Thüringen arbeiten nicht mehr in größerem Umfang wissenschaftlich oder trennen sich von Sammlungen. Wir übernehmen die Bestände, damit sie nicht verlorengehen“, sagte er. Von Aufbau und Charakter her sei das Erfurter Naturkundemuseum bereits ein Leitmuseum. Daher sollte sich dessen Reichweite und Bedeutung auch im offiziellen Status und in der Haltung des Landes widerspiegeln. „Das Naturkundemuseum muss auch in die Lage versetzt werden, entsprechende Forschungsmittel zu beantragen“, so Knoblich. „Die Museumsperspektive 2025 des Landes bietet für solche Fälle keine Perspektive, sie denkt sehr allgemein in die Fläche und scheut Schwerpunkte.“
Den Leitmuseums-Gedanken hatte die Stadt schon mit dem Erfurter Kulturkonzept an den Freistaat Thüringen herangetragen. Das Echo sei leider verhalten ausgefallen. „Wir haben seit 1990 eine Landeslinie, die nicht nur Museumsträgerschaften des Landes ausschließt, sondern auch zentrale Leitfunktionen kritisch sieht. Bei allem Verständnis für Vielfalt wünsche ich mir zumindest eine Offenheit für Schwerpunktsetzungen im Land. Die Naturkunde benötigt ein fachliches Zentrum“, sagte der für die Erfurter Museen verantwortliche Beigeordnete.
Dank seiner fachlichen Breite ist das Naturkundemuseum in den vergangenen 20 Jahren im Freistaat zum Leitmuseum geworden. So sieht es auch Museumsleiter Matthias Hartmann. „Wir platzen wegen unseres guten Rufs aus allen Nähten.“ Erst letztes Jahr habe die Witwe eines Erfurter Sammlers dem Museum 8.000 Schmetterlingspräparate vermacht. Weitere drei Schmetterlingssammlungen seien schon avisiert, auch aus anderen Bundesländern. Aus einem Mühlhäuser Museum seien große Teile einer Vogelsammlung gekommen. Nur einige Beispiele, die aber zeigten, wie immens der Platzbedarf sei, so Hartmann. Dringend müsse das Erfurter Naturkundemuseum erweitert werden.
Das Konzept für die Sanierung und Nutzung eines Nachbarhauses liegt bereits vor. Allerdings kann die Stadt Erfurt die geschätzten Kosten von 1,8 Millionen Euro allein nicht tragen. Perspektivisch fehlen dem Museum laut Museumsdirektor Hartmann aber auch Mitarbeiter. „Wir haben viereinhalb bis 5.000 tote Tiere in unseren Kühlzellen. Dafür brauchen wir zwei, drei Präparatoren, die das aufarbeiten“, sagt er. Auch ein Geologe werde dringend gebraucht. „Wenn wir keinen Fachmann haben, dann ist eine Sammlung in zehn, 15 Jahren verloren. Denn jede Tier- oder Pflanzensammlung braucht Pflege. Schädlinge machen sie ansonsten kaputt“. Aktuell habe das Naturkundemuseum neun Mitarbeiter – viel zu wenige für alle anstehenden Aufgaben. Dr. Tobias Knoblich: „Solange wir uns nicht einig sind, dass wir mehr als ein kommunales Museum wollen, wird der künftige Betrieb auf kommunalem Niveau gehalten – leider, selbst wenn es uns gelingt, Städtebaufördermittel einzusetzen, um die baulichen Voraussetzungen für eine Entfaltung zu schaffen. Ein erweiterter Betrieb ohne Unterstützung des Landes wird nicht möglich sein.“