Saugbagger soll das Unmögliche möglich machen
Wie ein überdimensionaler Staubsauger nimmt er Erde auf und legt Leitungen und alte Wurzeln schonend frei, bevor herkömmliche Maschinen die Arbeit fortsetzen. In einem Pilotprojekt soll das tonnenschwere Baugerät die Weichen dafür stellen, wie Garten- und Friedhofsamt, Tiefbau- und Verkehrsamt sowie die Versorgungsunternehmen die Arbeit an Baumgruben zukünftig handhaben.
Seit vielen Jahren ringt die Stadtverwaltung gemeinsam mit der Stadtwerkegruppe, dem Entwässerungsbetrieb und den Telekommunikationsunternehmen darum, ehemalige und natürlich auch neue Baumstandorte für mehr Grün in der Stadt zu suchen. Wenn oberirdisch sich oftmals Lösungen finden, so machen bisher die technischen Regelwerke mit ihren Mindestabständen von Baum zu Trinkwasser- oder Gasleitung, Stromkabel, Telekommunikationsanlagen und Abwasserleitungen, diese Ideen zunichte oder zumindest enorm teuer. Bisher verblieb als letzte Lösung nur die Umverlegung aller Medien, um einem neuen Baum einen nachhaltigen Entwicklungsraum zu geben.
Alle Partner haben sich jetzt zusammen verabredet und wollen gemeinsam an vorher ausgewählten Stellen die Regelabstände von Versorgungsanlagen zu Bäumen unterschreiten und dabei Erfahrungen für generelle Lösungsansätze bei Baumnachpflanzungen sammeln. „Per se sind uns nur sehr einzelne Beispiele bekannt, bei denen Bäume und Versorgungsleitungen kein auskömmliches Nebeneinander gefunden haben. Wenn wir also zukünftig neue Bäume in unmittelbarer Nachbarschaft zu Versorgungsanlagen pflanzen wollen, tragen wir zukünftig die Risiken gemeinsam und erreichen aber dabei, dass wir sehr viele ehemalige Baumstandorte wiederbeleben können“, erklärt Alexander Reintjes, der Leiter des Tiefbau- und Verkehrsamtes.
„Mit dem Saugbagger legen wir die Pflanzgrube für einen Baum vollständig frei. Alle Leitungen verbleiben in ihrer vorgefundenen Lage und werden für die Pflanzung eines neuen Baumes entsprechend vorbereitet. Befindet sich im Untergrund noch der alte Stubben oder kann der Saugbagger allein den anstehenden Boden nicht aufnehmen, helfen wir mit der Stubbenfräse und dem Minibagger nach. Der entscheidende Vorteil bei der Arbeit mit dem Saugbagger bleibt aber erhalten. Dieser legt alle Leitungen frei, so dass notfalls mit herkömmlicher Technik weitergearbeitet werden kann“, so Reintjes weiter.
Dr. Sascha Döll, der Leiter des Garten- und Friedhofsamtes ergänzt: „Wir haben uns auf die Verwendung eines Bodensubstrates verständigt, das dem Baum eine gute Entwicklungsperspektive bietet und gleichzeitig die Vorgaben des Straßenbaulastträgers erfüllt. Wir können also Bäume pflanzen, die Leitungen werden nur gesichert und anschließend wird die Straße oder der Gehweg wieder fachgerecht geschlossen.“ Es werden mehr als 30 Jahre vergehen müssen, bevor ein Baum tatsächlich zum Gegner einer Versorgungsleitung wird.
Ob er dann aber Schaden anrichtet oder doch gar nicht stört, dieses Risiko definieren die Partner gemeinsam für jeden einzelnen Standort und legen Schutzmaßnahmen für die Leitungen und den neuen Baum fest. „Unsere Regelwerke existieren, weil sie unsere Anlagen und die Bäume schützen. Regelwerke standardisieren unsere Abläufe und regeln technische und finanzielle Verantwortlichkeiten. Jetzt weichen wir gemeinsam davon ab, dazu haben wir uns prinzipiell verständigt, es bleibt aber für jeden neuen Baum eine Einzelfallentscheidung, die wir miteinander abstimmen. Wir begrüßen diese Initiative, denn auch wir als Stadtwerkegruppe wollen eine grüne Stadt versorgen und insbesondere ist für uns natürlich wichtig, wie wir Schutzmaßnahmen an vorhandenen Bäumen organisieren, wenn wir unsere Anlagen reparieren oder neu verlegen müssen“, so Charles Vité von der SWE Netz GmbH.
Insgesamt sind sich alle Beteiligten darüber einig, dass Regellösungen in engen Stadträumen oft keine Ansätze bieten, Bäume zu erhalten oder neue Bäume an alte Standorte zu pflanzen. Mit Herz und Verstand stimmen die Ingenieure individuell die konstruktive Lösung für jede neue Baumgrube ab oder bestimmen die Maßnahmen für den Erhalt. Langfristig muss es jetzt gelingen, die finanzielle Ausstattung für diese Vorhaben im städtischen Haushalt zu sichern. Der Aufwand ist mit diesem Verfahren noch immer beachtlich, es ist aber für das gemeinsame Ziel gelungen, den Weg für die technische Lösung zu finden.
An zwei Standorten in der Bergstraße hat sich diese Technologie bereits bewährt. Die Baumgruben sind vorbereitet, die Leitungen gesichert und im Herbst erfolgt dann die Pflanzung der neuen Bäume.
Seine Effektivität soll der Saugbagger nun an weiteren Stellen beweisen. „Und vielleicht schaffen wir es mit dieser neu entwickelten Methode auch, Standorte in der Innenstadt, die die Bürgerinitiative Stadtbäume statt Leerräume bisher erfolglos als neue Baumstandorte vorgeschlagen hatte, doch noch zu aktivieren“, fügt Alexander Hilge, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften und Ideengeber für das seinerzeit mit der Bürgerinitiative vereinbarte Baumkonto hinzu.