Präparat der größten und seltensten Süßwasserschildkröte in Hanoi präsentiert: Zwei deutsche Präparatoren konservierten die „Heilige Schildkröte“ von Vietnam
Das am 19. Januar 2016 verstorbene stattliche Männchen der Yangze-Riesenweichschildkröte (Rafetus swinhoei) lebte viele Jahrzehnte inmitten der Hauptstadt Hanoi in einem See. Mit ca. zwei Metern Gesamtlänge und rund 170 kg Gewicht ist sie das größte Exemplar ihrer fast ausgestorbenen Art. Marco Fischer vom Naturkundemuseum Erfurt und Jürgen Fiebig vom Museum für Naturkunde Berlin, beide Welt- und Europameister im Präparieren, stellten sich 2016 der großen Herausforderung, dieses sowohl zoologisch einzigartige wie auch heilig geltende Objekt während mehrerer Arbeitsaufenthalte in Hanoi zu präparieren.
Die Schildkröte aus dem Hoan-Kiem-See ist nicht nur eine zoologische Rarität, sie wurde in Vietnam auch als ein berühmtes Nationalheiligtum verehrt, deren Legende bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Jedes Kind in Vietnam kennt die Geschichte der heiligen Schildkröte, die im Volksmund auch liebevoll „Cu Rua“, Großväterchen, genannt und als Beschützer des Landes vergöttert wurde. Aus diesem Grund wird sie in einem Tempel auf einer Insel des Sees neben einer weiteren Schildkröte dieser Art ausgestellt, die 1968 aus dem See geborgen und konserviert worden war. Da die damalige Konservierung kein zufriedenstellendes Ergebnis erbrachte, bat die vietnamesische Regierung diesmal um die Hilfe der deutschen Experten.
Die besondere Schwierigkeit bestand unter anderem darin, dass diese Schildkrötengruppe keinen Hornpanzer, sondern einen weichen, lederartigen Panzer hat, dessen Seiten und hinterer Teil biegsam sind. In mehreren arbeits- und zeitaufwändigen Schritten erfolgte die Konservierung durch PEG-Imprägnierung. Die nicht konservierbare Hautfärbung konnte mit der Airbrush-Technik nahezu lebensecht wiederhergestellt werden. Marco Fischer weist auch auf die schwierigen Arbeitsbedingungen hin, mit denen er und sein Kollege zu kämpfen hatten. „Wir mussten Equipment aus Deutschland mitnehmen, da vor Ort kaum geeignete Materialien und Werkzeuge vorhanden waren. Eine sehr genaue Planung und Vorbereitung unserer Besuche war notwendig; wir haben vorab Pakete verschickt und Material im Ausland bestellt.“
Dass sich die Mühe gelohnt hat, freut nicht nur die Präparatoren und ihr unterstützendes Team des „National Museum for Nature“ in Hanoi. Auch die weltweite Resonanz auf das anspruchsvolle und aufwändige Projekt ist groß, die öffentliche Aufmerksamkeit reicht bis zur „New York Times“.
„Wir sind sehr glücklich, dass wir dieses anstrengende, aber sehr besondere Projekt erfolgreich abschließen konnten“, freut sich Fischer. „Bisher gab es noch niemanden, der je so ein Tier präpariert hat und bei der Seltenheit dieser Art wird das wohl auch niemand mehr machen können.“
Zweifelsohne gehört die Yangze-Riesenweichschildkröte zu den bedrohtesten Tierarten der Welt. Es lebt inzwischen nur noch ein Paar dieser seltenen Art in einem chinesischen Zoo, wo Versuche zur künstlichen Nachzucht bisher erfolglos blieben. Die Existenz von ein bis zwei weiteren Exemplaren, die in vietnamesischen Seen gesichtet worden sein sollen, ist nicht gesichert.