Neue Bildungsangebote am Erinnerungsort Topf & Söhne und Eröffnung der Fachbibliothek als Zweigstelle der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt

26.09.2013 17:10

Als historisch-politischer Lernort gewinnt der Erinnerungsort Topf & Söhne 30 Monate nach seiner Eröffnung weiter Profil. Bietet er schon seit zwei Jahren Schülergruppen die Möglichkeiten, sich in der Dauerausstellung eigenständig mit historischen Quellen zur Mittäterschaft der Firma Topf & Söhne am Holocaust auseinander zu setzen, so liegen nun auch Arbeitsmaterialien zu den im Nationalsozialismus Verfolgten vor.

Zwei junge Frauen stehen, sich unterhaltend, in einer Bibliothek. Eine der beiden hält ein grünes Buch in der Hand.
Foto: "Wir saugen das Wissen förmlich in uns auf" : Jana Sonnenburg und Jeanette Dötsch, beide Freiwillige im FSJ Kultur, in der Bibliothek des Erinnerungsortes Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Für das Projektangebot „Perspektivenwechsel – Vernichtung und Überleben“ wurden 13 Lebensgeschichten mit ganz unterschiedlichen Verfolgungsschicksalen aufbereitet. Anhand von eigens geführten Filminterviews, Fotos und Dokumenten lernen die Jugendlichen Menschen kennen, die - damals so jung wie die Schüler heute - den Lagerterror auch durch die Solidarität von Mithäftlingen überlebten oder von nicht-jüdischen Deutschen versteckt wurden. Sie erfahren auch von Menschen, die deportiert und ermordet wurden oder - insbesondere als Ältere - keine andere Möglichkeit sahen, als sich der Deportation durch Selbstmord zu entziehen. Sieben dieser Geschichten stammen aus Thüringen.

Mithilfe von Arbeitsblättern erkunden die Schüler Motive, Handlungen und Handlungsoptionen der Verfolgten und ihrer Helfer. Eine besondere Chance zur Reflexion bietet die Möglichkeit des punktuellen Vergleichs mit Entscheidungen einzelner Mittäter in der Firma Topf & Söhne. Deren wissentliche Beteiligung an einem unmenschlichen Tun wird kontrastiert mit der Bereitschaft Anderer, auch unter eigenem Risiko die Mitmenschlichkeit gegenüber den Verfolgten nicht aufzukündigen.

Durch ihre Themenfülle bieten die Arbeitsblätter sowohl unterrichtsbezogene als auch fächerübergreifende Ansätze für Geschichte, Ethik und Sozialkunde. Lob kam von den Lehrkräften, die mit ihren Klassen die Arbeitsmaterialien testeten. Sie fördern Selbsttätigkeit und die eigenständige Urteilsbildung und entsprechen deshalb hervorragend dem Leitgedanken der neuen Lehrpläne, so die Einschätzung der Lehrkräfte. In bewährter Weise wurden die neuen Arbeitsmaterialien vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien gefördert. Alle Bildungsangebote des Erinnerungsortes von der dialogischen Führung bis zu den projektorientierten Angeboten finden sich in einer neuaufgelegten Broschüre.

Eine junge Frau mit blauem Schal sitzt in einer Bibliothek und schaut auf einen Computerbildschirm. Im Hintergrund Bücherregale.
Foto: "Die Bibliothek ist eine wirkliche Bereicherung": Carolin Franchini liest oft in der Bibliothek im Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz Foto: © Stadtverwaltung Erfurt / S. Glaubrecht

Ebenfalls pünktlich zum neuen Schuljahr wird die Fachbibliothek des Erinnerungsortes als Zweigstelle der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt der Öffentlichkeit übergeben. Mehr als zehn studentische Praktikanten und Freiwillige haben gemeinsam mit dem Team des Erinnerungsortes diese wissenschaftliche Bibliothek aufgebaut. Es wurden Spendenbriefe an Verlage und Institutionen geschrieben, eine eigene Systematik entwickelt, Datenbanken angelegt und durch die Mitarbeiter der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt alle Titel in deren Online-Katalog (OPAC) eingepflegt. Die Kooperation mit der Stadt- und Regionalbibliothek macht es möglich, dass die bislang rund 1000 Bücher, Zeitschriften und DVDs nun über http://bibliothek.erfurt.de bzw. über http://opac.erfurt.de international recherchiert werden können. Unterstützt wurden Buchanschaffungen von der Sparkasse Mittelthüringen und dem Förderkreis des Erinnerungsortes Topf & Söhne. Das pädagogische Material wurde durch eine Kooperation mit der SWE Stadtwerke Erfurt GmbH gefördert.

Die Bibliothek mit Literatur zu Nationalsozialismus, jüdischer Geschichte, Industriegeschichte, Erinnerungskultur, Wirtschaftsethik, Rechtsextremismus und weiteren für den Erinnerungsort einschlägigen Themenbereichen ist die wissenschaftliche Basis für die Forschungs- und Ausstellungstätigkeit des Erinnerungsortes und erweitert das Bildungsangebot. An fünf Computerarbeitsplätzen können die Besucher im Katalog recherchieren und die Medienangebote des Erinnerungsortes nutzen. Einzelbesucher und Gruppen können die Präsenzbibliothek nach telefonischer Voranmeldung unter 0361 655-1681 in der Zeit von Dienstag bis Freitag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr nutzen.