In kleinen Schritten am Reißbrett zur Erfurter Sonderlösung

08.03.2025 13:00

Die neue Brücke Warschauer Straße wird zur planerischen Herausforderung, Behelfsbrücken kommen 2025

Parkaufnahme mit Brücke und Straßenbahn
Foto: Die 1973 erbaute Gerabrücke in der Warschauer Straße muss dringend erneuert werden. Im kommenden Jahr soll der Ersatzneubau starten. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

2021 hatte Erfurt zur Bundesgartenschau geladen und sich dafür vorher natürlich chic gemacht. Ein Großprojekt war die Umgestaltung der Geraaue zum größten durchgehenden Landschaftspark Thüringens. Aus alten Grünflächen, Stadtteilparks und Brachflächen entstand ein fünf Kilometer langes grünes Band mit Sport- und Spielmöglichkeiten, dem Auenteich, dem neuen Gera-Radweg, neuen Wegen und Brücken. Eigentlich sollte bis dahin auch die Brücke über die Gera im Zuge der Warschauer Straße einem Neubau weichen. Eigentlich.
Nun liegt die Buga bereits ein paar Jahre zurück, an der Brücke selbst hat sich bislang nichts getan – zumindest nichts Sichtbares. Dennoch wurde intensiv gearbeitet. Das Team der Brückeningenieure im Tiefbau- und Verkehrsamt hat nach machbaren Lösungen gesucht, die es so in vergleichbarer Form bislang noch nicht gab und die konstruktiv überaus anspruchsvoll sind.
Aber der Reihe nach. Die Brücke über die Gera im Zuge der Warschauer Straße ist eine gemeinsame Stadtbahn- und Straßenbrücke. Über sie rollen täglich 5.400 Fahrzeuge, dazu die Stadtbahnlinien 1 und 6 gewöhnlich im 10-Minuten-Takt. „Wir können die Brücke nur in Gänze erneuern – ein Grund von vielen, die uns das Bauvorhaben erschweren“, erklärt Alexander Reintjes, der Leiter des Tiefbau- und Verkehrsamtes.

Spannungsrisskorrosion spielt auch hier eine Rolle

Trotzdem muss eine Lösung her, denn die Brücke – rund 22 Meter breit und 25 Meter lang – ist auch durch Spannungsrisskorrosion gefährdet, jenem Übel, das zum Einsturz der Carolabrücke in Dresden führte und ebenso zu den aktuellen Einschränkungen an der Brücke Schwarzburger Straße in Marbach. Zum Glück gehört sie noch nicht zu den Brücken, bei denen akuter Handlungsbedarf besteht, so Reintjes‘ Erläuterung zum Zustand des Bauwerks aus dem Baujahr 1973.
Ein weiterer Aspekt bei der Erneuerung war der Gedanke, die Radwege zu beiden Uferseiten unter der Brücke hindurchzuführen. Bis dato gibt es an dieser Stelle nur oberirdisch die Möglichkeit, die Warschauer Straße zu queren – durch die Stadtbahn für Fußgänger und Radfahrer allerdings umständlich und unkomfortabel.
Die Planungen für den Neubau gestalteten sich hochkomplex und sind für alle beteiligten Ingenieure eine große Herausforderung. Reintjes: „Fest stand für uns, dass die Lage der Gleise unveränderlich ist. Dazu kam die Anforderungen aus dem Hochwasserschutz, einen zukünftig noch größeren Querschnitt für den Durchfluss der Gera zu gewährleisten, als das heute der Fall ist. Dabei darf die Brückenplatte nicht dicker werden als heute, obwohl die Stützweite größer wird.“ Beide Anforderungen zusammen sollten eine neue Brücke mit einem sehr schlanken Überbau ergeben, kombiniert mit der geringst möglichen Aufbauhöhe für die Schienen selbst und deren Verankerung auf der Brücke.

In kleinen Schritten entsteht am Reißbrett die Sonderlösung

Das war nur mit einer Sonderlösung zu erreichen, für die es in Deutschland kein geprüftes Beispiel gibt. „Zwar existieren ähnliche und durchaus vergleichbare Sonderkonstruktionen, für die bei uns erforderliche Gesamtlösung gibt es aber keine Vorlage. Das macht es für unsere planenden Ingenieure und die für die Evag zuständige technische Aufsichtsbehörde sehr schwer, eine genehmigungsfähige Lösung zu erarbeiten, ohne diese vorher im Praxisbetrieb auf ihre Tauglichkeit geprüft zu haben“, so Reintjes.
In nur kleinen Schritten und über modellhafte Annahmen aus vergleichbaren Lösungen entsteht das neue Brückenbauwerk – aktuell immer noch am Reißbrett. Und so erklären sich dann auch die Jahre, die seit der Buga ins Land gegangen sind.
Dennoch kam jetzt die frohe Botschaft: Die Planungen sind so weit vorangekommen, dass das Tiefbau- und Verkehrsamt in diesem Jahr die beiden Behelfsbrücken errichten kann, ab 2026 folgt der eigentliche Neubau der Brücke. Bestenfalls ab 2028 rollt der Verkehr über die neue Brücke.
Diese besteht künftig aus zwei getrennten Überbauten, einem nur für die Stadtbahn und einem für Kraftfahrzeuge. Radfahrer und Fußgänger erhalten längs der Warschauer Straße auf beiden Brückenteilen jeweils eine kombinierte Rad-/Gehbahn. Die Stadt investiert für das Gesamtvorhaben rund 9 Mio. Euro. Und zumindest der westliche Geraradweg führt dann auch unter der Brücke hindurch – für Fußgänger und Radfahrer eine schnelle und bequeme Variante, die Warschauer Straße zu unterqueren. Wie der östliche Radweg später einmal verläuft, steht aktuell noch nicht fest. Umweltaspekte und ein großer Kabeldüker eines Telekommunikationsunternehmens sprechen bislang gegen eine Verlagerung unter die Brücke.
In den zurückliegenden Wochen wurden bereits Gehölze entfernt, um Baufreiheit zu schaffen. Denn: „Lange genug hat es gedauert, wir sind gewillt, ab diesem Jahr zu bauen“, so Reintjes.