Martin-Andersen-Nexö-Straße: „Jetzt wird nur noch gebaut!“

19.02.2025 18:00

Die Neugestaltung der Martin-Andersen-Nexö-Straße – eine Baugeschichte, die im Erfurter Tiefbau- und Verkehrsamt viele Meter Aktenordner füllt. Seit dem Jahr 2018 steht fest: Es wird gebaut. Jetzt steht auch fest, wie, denn der Bauausschuss hat in seiner Novembersitzung grünes Licht gegeben für die vom Tiefbau- und Verkehrsamt gemeinsam mit dem beauftragten Planungsbüro, der IGS Ingenieure GmbH & Co.KG aus Weimar, vorgelegten Entwurfsplanung. Auf dieser Grundlage wird nun weitergearbeitet. Das Ziel ist abgesteckt: Noch im Jahr 2025 sollen die Arbeiten beginnen.

Bauausschuss macht den Weg frei für die Neugestaltung der Südeinfahrt

Foto: Seit 2007 will die Stadt die südliche Stadteinfahrt sanieren und aufwerten. Hier rollen täglich rund 17.000 Fahrzeuge. Foto: © Freiraumpioniere Weimar

Für Alexander Reintjes, den Leiter des Tiefbau- und Verkehrsamtes, Projektleiterin Gabriele Heim sowie ein großes, ämterübergreifendes Team der Stadtverwaltung nimmt damit ein langer Planungsprozess, der über weite Strecken – nicht nur in der Verwaltung – kontrovers diskutiert wurde, das ersehnte Ende. Reintjes zeigt sich erleichtert: „Wir sind dem Bauausschuss dankbar für seinen Beschluss, wir sind auf der Zielgeraden. Jetzt wird nur noch gebaut!“

Seit 2007 will die Stadt die südliche Stadteinfahrt aufwerten. Hier rollen täglich rund 17.000 Fahrzeuge, und das seit Jahrzehnten. Diese Belastung geht an keiner Straße spurlos vorbei. „Unser Ziel war es immer, diese für die Stadt so wichtige Einfahrt modern und leistungsfähig zu entwickeln, sodass sie allen aktuellen Anforderungen an eine nachhaltige und sichere Verkehrsanlage entspricht. Zudem muss sie vielen weiteren Aspekten Rechnung tragen: dem Natur- und Artenschutz, dem Schutz vor Überflutung, der Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer“, so Reintjes.

Der lange Weg von den ersten Planungen bis zum jetzigen und letzten Beschluss, der die bauliche Lösung endgültig macht, wurde von Beginn an von einer Bürgerinitiative begleitet. Diese Dokumentation soll den nunmehr knapp 20 Jahre währenden Prozess zur Neugestaltung der südlichen Stadteinfahrt aufzeigen.

2007 bis 2015

Seit 2007 stand die Frage: Wie soll die südliche Stadteinfahrt künftig aussehen?
2010 bestätigte der Stadtrat eine Vorplanung der Verwaltung, die in ihren Grundzügen den Schindleichsgraben aus dem Steiger kommend als offenes Gewässer durch die Martin-Andersen-Nexö-Straße (MAN-Straße) führte und die heutige Verkehrsanlage nahezu vollständig in die Arndtstraße verlagerte. Am Steigerrand sollte eine große Trasse entstehen, die die Anwohner der MAN-Straße vom Durchgangsverkehr der südlichen Stadteinfahrt befreit und beste Wohnumfeldbedingungen geschaffen hätte für die damals noch in Aufstellung befindliche Bebauung auf dem Lingelquartier.

Mehr als zwei Jahre ruhte das Vorhaben. Erst 2013 konnte der Stadtrat das Geld für die Weiterführung der Planungen bewilligen und naturschutzrechtliche Gutachten wurden beauftragt. Im Ergebnis dieser Gutachten wurden unter anderem 17 schützenswerte Fledermausarten festgestellt und die Unantastbarkeit des nördlichen Steigerrandes konstatiert, der zwischenzeitlich den Schutzstatus eines europäischen Fauna- und Flora-Habitates (FFH) erreicht hatte.

Die Intention, die Südeinfahrt in die Arndtstraße zu verlegen, war damit zum unlösbaren Problem geworden. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative sollten weitere Gutachten und Studien beauftragt werden, um bauliche Lösungen aufzuzeigen, die alle Belange aus dem Umwelt-und Naturschutz in einem Korridor der Arndtstraße abbilden sollten, ohne die Flächen des Tennisplatzes und des zukünftigen Baugebietes an der Lingelfläche zu tangieren. Kein weiterer Gutachter war aber überzeugt, bessere Erkenntnisse zu erzielen als die, die bereits vorlagen. Auch fand sich kein Bauingenieur, der eine bis dato unbekannte Lösung vorstellen konnte, die konstruktiv und funktionell in die Trasse der früheren Arndtstraße passen wollte.

2015 mussten Stadtverwaltung und Bürgerinitiative eingestehen, dass es keine wirtschaftlich vertretbare oder überhaupt nur sinnvolle Planung für die Arndtstraße als zukünftige Stadteinfahrt geben kann. Alle vorstellbaren technischen Lösungen scheiterten entweder am enormen Flächenverbrauch der Verkehrstrasse zu Lasten des Tennisplatzes und der Lingelfläche oder an der Unantastbarkeit des Steigerrandes als FFH-Schutzgebiet. Noch im gleichem Jahr sah sich daher auch der Stadtrat gezwungen, die bisherige Vorplanung aufzugeben und nunmehr eine qualifizierte Status-Quo-Lösung für die südliche Stadteinfahrt weiter zu verfolgen.

2015 bis 2019

Seit 2017 erarbeitet eine Ingenieurgemeinschaft aus Weimar zusammen mit der Stadtverwaltung eine neue Vorplanung, die sich in Lage und Funktion an der bisherigen Südeinfahrt orientiert. Flankiert von einer fortgesetzten und sehr intensiven Arbeit mit der Bürgerinitiative verfestigte sich dabei die Erkenntnis, dass die MAN-Straße auch zukünftig die Hauptlast des Verkehrs tragen muss. Im November 2018 bestätigte der Stadtrat die neue Vorplanung für die Südeinfahrt und schloss damit auch den Prozess der Bürgerbeteiligung formal ab. Die grundlegende Gestaltung aller Bauabschnitte ist seither festgelegt und im Frühjahr 2019 wurden der Öffentlichkeit die weiteren Schritte bis zum Baubeginn der einzelnen Straßen vorgestellt.

Eine Fahrbahn mit daneben liegenden Fahrradweg
Foto: angeSo könnte die MAN-Straße nach 2028 aussehen: Radwege auf beiden Seiten sind nur ein Vorteil der neuen Straßengestaltung. Foto: © Freiraumpioniere Weimar

2019 bis heute

Den Auftakt des Baustellenreigens machte die Carl-Spier-Straße, nachdem der Stadtrat zuvor den Entwurf für diesen Abschnitt freigegeben und die Finanzierung bestätigt hatte. Im Jahr 2021 wurde der erste Bauabschnitt der Südeinfahrt in Asphalt gegossen. Spatenstich für die Arndtstraße war im Frühjahr 2023. Auch hier hatte zuvor der Stadtrat die finale Planung bestätigt und die Finanzierung auf den Weg gebracht. Mitte des Jahres 2025 ist mit der Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts der Südeinfahrt zu rechnen.

Für den dritten und finalen Bauabschnitt, die MAN-Straße selbst, ist die Entwurfsplanung seit Ende 2024 fertig, im November wurde sie öffentlich vorgestellt. Zwischenzeitlich hatten sich Richtlinien für den Straßenbau geändert, neue Erkenntnisse zum Schutz vor den Folgen von Starkniederschlägen mussten in die Planung eingearbeitet werden.

Parallel dazu hatte die Verwaltung in den zurückliegenden Jahren Erfahrungen gesammelt, wie neue Stadtbäume zukünftig besser wachsen können. Gemeinsam hatten die beteiligten Fachbereiche mit den Naturschutzbehörden gegen den Erhalt der vorhandenen Bäume abgewogen. Die Entscheidung, alle Bäume neu zu pflanzen, wurde dabei auch von der Absicht getragen, dass zukünftig jedes Grundstück einen eigenständigen Abwasseranschluss erhalten soll und damit die vorhandenen Bäume an allen vier Seiten sehr tief abgegraben werden müssen. Die neuen Baumreihen erhalten beidseitig der Straßenbordfluchten einen sehr großen durchgehenden unterirdischen Wurzelraum und an den Kreuzungspunkten der Flugrouten der Fledermäuse werden sehr große neue Bäume gepflanzt. Erfurts Fledermausbeauftragte Inken Karst unterstützt diese Lösung, da in den geplanten drei Jahren Bauzeit in der MAN-Straße kein schnellfahrendes Auto unterwegs sein kann, mit dem die schützenswerten Tiere kollidieren könnten.

Die Neupflanzung von sehr großen Bäumen ist keine leichte Aufgabe. Zur Unterstützung dafür wird entlang der Baumtrasse eine Versorgung mit Gießwasser installiert. Jens Düring, der die Untere Naturschutzbehörde in der Landeshauptstadt leitet, trägt die Entscheidung mit. „Die Erhaltung unserer Bäume bleibt unser oberstes Ziel. Die Neupflanzung kommt dabei nur in Betracht, wenn wir die Baumstandorte auch für kommende Baumgenerationen nicht sichern können. Wir verbessern die Lebensbedingungen für unsere Bäume nicht, bauen wir um diese nur herum oder graben diese sogar an allen Seiten sehr tief ab. Nachhaltiger, und so haben wir uns hier entschieden, ist es, den Leitungsbestand neu zu ordnen, nachfolgend große zusammenhängende Wurzelkorridore anzulegen und neue Bäume zu pflanzen.“

Auch die Straße selbst verändert zukünftig ihr Bild. Beidseitig begleiten Radfahrstreifen die neuen Richtungsfahrbahnen. Der ursprünglich geplante 2,50 m breite Mittelstreifen wird auf das Mindestmaß reduziert und der Stadteinwärts- und der Stadtauswärtsverkehr wie bisher baulich voneinander getrennt geführt – hier stand zuvor ein Geländer. Die bewährte Verkehrsorganisation für das gesamte „Dichterviertel“ bleibt erhalten. Neue Ampelanlagen und Querungsstellen sichern Fußgängern und Radfahrern komfortable Nutzungen. Breite Gehwege, neu angelegte Grundstückszufahrten und ein insgesamt barrierefreier Straßenraum erfüllen die Anforderungen an eine zukunftstaugliche Stadteinfahrt. Der mit 5,30 m sehr breit angelegte Grünstreifen entlang der historischen Reihenhaussiedlung speichert das Wasser vom Gehweg und Teilen der Grundstückszufahrten. Ein Spezial-Asphalt begrenzt die Lärmemission der neuen Fahrbahnen. Weit vor der MAN-Straße wird eine sogenannte Verkehrsbeeinflussungsanlage errichtet, die den in die Stadt einfahrenden Verkehr dosiert und lange Staus an der Kreuzung zur Johann-Sebastian-Bach-Straße in der Vergangenheit zurücklässt.

Zusätzlich zur vollständigen Neuordnung und Neuverlegung der unterirdischen Versorgungsleitungen werden zwei große Stauraumkanäle angelegt, die Starkniederschläge puffern und Überflutungen der tieferliegenden Straßen minimieren. Die Verrohrung des Schindleichsgrabens, die über die Arndtstraße bis in den Flutgraben führt, war in ihrer Dimension nicht zu verändern. Nun sollen die zusätzlichen Anlagen in der MAN-Straße für Entlastung sorgen. Auch das Oberflächenwasser der MAN-Straße wird hier hineingeführt. Zuvor wird dieses aber mechanisch gereinigt und baulich installierte Abscheideanlagen sorgen weiter für den Schutz unserer Gewässer.

Die neue und smarte Stadtbeleuchtung korrespondiert bei ihren Masthöhen und Standorten mit den Flugrouten der Fledermäuse, dimmt sich bei zunehmender Dunkelheit und stört Insekten weniger, da über die Farbtemperatur die Blaulichtanteile abgeregelt werden.

„Bei allen positiven Aspekten, die die neue MAN-Straße haben wird, ist es uns leider nicht gelungen, die Anwohner der MAN-Straße für dieses Vorhaben zu gewinnen. Auch wenn wir über nahezu den gesamten Planungszeitraum in der Kritik der Bürgerinitiative standen und weiter stehen, haben wir gemeinsam keine Lösung dafür gefunden, die Stadteinfahrt in die Arndtstraße zu verlegen. Ich habe immer wieder betont, dass es nie unser originäres Ziel war, diese Lösung zu verhindern“, betont Alexander Reintjes. „Warum auch, wir wollen und wir müssen bauen. Unsere Aufgabe bleibt dabei allerdings, eine Planung zu erarbeiten, die von den Umwelt- und unseren Aufsichtsbehörden mitgetragen und bestätigt wird. Wie sich eine Planung final ausgestaltet, geben uns die Fachbereiche aus der gesamten Verwaltung vor. Wir führen deren Anforderungen zusammen und nur daraus generieren wir die Lösungen, die wir dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen“, verteidigt Reintjes die Arbeit seiner Kolleginnen und Kollegen.

„Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Stadtrat im November den Schlussstein zu unserer Planung gesetzt hat und ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Verwaltung für ihr Engagement und ihre Ausdauer. 2028 sind die Arbeiten zur Südeinfahrt der Stadt hoffentlich abgeschlossen und damit auch ein langes Kapitel zur Stadtgestaltung. Ich kenne kein Verkehrsprojekt in unserer Stadt, das vergleichbar viel Zeit und Kraft verbraucht hat, für eine Lösung, die nahe am Bestand liegt, und dessen Visionen leider nicht zum Ziel führen konnten. Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der Bürgerinitiative und allem gemeinsamen Ringen, um die mögliche Lösung im Stadtrat, in den Gremien, in den Workshops und bei allen Gesprächen, die in mehr als 25 Jahren, einen Konsens für eine neue Südeinfahrt erzielen wollten. Ich habe aber auch die herzliche Bitte, die Entscheidungen des Stadtrates zu respektieren, der die Erneuerung der Südeinfahrt abschließend beschlossen hat“, fasst Erfurts Baubeigeordneter Matthias Bärwolff den Planungsprozess zusammen.