Ein Meilenstein für Erfurts jüdisch-mittelalterliches Erbe

01.02.2025 11:00

Eine große Geburtstagsfeier im August, die feierliche Übergabe der offiziellen Unesco-Urkunde, ein Besucherrekord in der Alten Synagoge und im Hintergrund aktive Netzwerkarbeit – das Jahr 2024 brachte positive Entwicklungen für das Erfurter Welterbe. Am 11. Dezember bestätigte der Stadtrat schließlich den Standort für das zukünftige Welterbe-Informations- und Bildungszentrum, zu dessen Einrichtung Erfurt durch den Welterbetitel verpflichtet ist. Entstehen soll es auf dem Parkplatz hinter dem Rathaus.

Planung des Welterbe-Informations- und Bildungszentrums: Stadtrat hat Standort bestätigt

Drohneaufnahme des Rathauses mit Parkplatz und Gera
Foto: Dort, wo einst Erfurts zweite jüdische Gemeinde ihren Mittelpunkt hatte, befindet sich heute der Rathausparkplatz. Hier soll gemäß Stadtratsbeschluss das Welterbe-Informations- und Bildungszentrum entstehen. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

„Wir sind heilfroh, dass wir den Beschluss haben und in die weitere Planung einsteigen können“, sagt Unesco-Beauftragte Dr. Maria Stürzebecher. Geprüft wurden im Vorfeld verschiedene Bestandsgebäude – die Sparkasse am Fischmarkt, das Haus „Zum güldenen Krönbacken“, die Neue Mühle, auch eine Umnutzung von Räumen der Erfurt Tourismus und Marketing GmbH am Benediktsplatz 1 stand zur Debatte. „Alle diese Gebäude haben gemeinsam, dass sie unter Denkmalschutz stehen und nicht ohne Weiteres verändert werden können“, so Dr. Karin Szech. „Am Benediktsplatz zum Beispiel würden außerdem Kapazitäten wegfallen, die anderswo bereitgestellt werden müssten.“

Dass beide Unesco-Beauftragte auf den Rathausparkplatz als Standort für das Welterbe-Informations- und Bildungszentrum hofften, ist kein Geheimnis: „Hier sind wir im Herzen des jüdischen Viertels“, so Sczech. Das Areal war ursprünglich dicht bebaut – und das eigentliche Zentrum der zweiten jüdischen Gemeinde. „Die geophysikalischen Untersuchungen zeigen: Es gibt Strukturen, die über das hinausgehen, was beim Bau des Rathausparkplatzes dokumentiert wurde“, so Sczech weiter. „Dass da eine vielversprechende Grabung auf uns zukommt, ist ein tolles Signal für das neue Jahr.“ Die Unesco-Beauftragten erhoffen sich mit möglichen neuen Befunden auch eine inhaltliche Ausweitung ihrer Themen – denn den Welterbetitel gab es für die Objekte der ersten jüdischen Gemeinde.

Nach dem Stadtratsbeschluss können nun die Planungen beginnen. Schnellstmöglich sollen Gespräche mit dem Landesamt für Archäologie geführt werden, parallel sollen Fördermöglichkeiten für die einzelnen Planungsschritte recherchiert werden. Erste Sondagen und Voruntersuchungen sollen im Idealfall noch in diesem Jahr stattfinden. Einen Zeitplan, der die einzelnen Schritte beinhaltet, soll der Stadtrat so bald wie möglich erhalten. „Das alles funktioniert erst jetzt, wo wir den Beschluss haben“, so Stürzebecher. Parallel soll ein temporäres Welterbe-Informations- und Besucherzentrum geplant werden, denn so motiviert alle Beteiligen sind – Planung, Finanzierung und Bau des Welterbe-Informations- und Bildungszentrums werden viele Jahre in Anspruch nehmen. „Für die Zwischenzeit brauchen wir einen Anlaufpunkt für Menschen, die sich für unser Welterbe interessieren, denn wir haben einen unglaublichen Zuwachs an Besuchern und müssen die bestehenden Museen entlasten“, erklärt Stürzebecher. Zwar ist die Alte Synagoge einer der größten ihrer Art – doch das Gebäude stößt an seine Grenzen und bietet sowohl für Gäste als auch für Mitarbeitende zu wenig Platz. „Hier brauchen wir dringend eine Lösung. Mit der bestehenden Infrastruktur ist ein weiterer Sommer kaum zu stemmen“, so die Einschätzung der Unesco-Beauftragten.

Schritt für Schritt – so, dass der Besucherverkehr nicht wesentlich beeinträchtigt wird – soll auch die Dauerausstellung in der Alten Synagoge überarbeitet werden. Die Inhalte sollen auf den aktuellen Stand der Forschung gebracht und den neuesten technologischen Entwicklungen angepasst werden. Mittelfristig soll auch für das nicht öffentlich zugängliche Steinerne Haus ein museales Konzept entstehen. „Hier brauchten wir dringend die Perspektive für ein Welterbe-Informations- und Bildungszentrum, denn im Gebäude bzw. im Gebäudekomplex bestehen keine Ertüchtigungsmöglichkeiten für ein vollständiges Museum“, erläutert Stürzebecher. Damit beschreibt sie die Besonderheit des Erfurter Welterbes: Die einzelnen Komponenten sind schlicht und einfach zu klein. Das Welterbe-Informations- und Bildungszentrum muss daher neben Flächen zur inhaltlichen Darstellung des jüdisch-mittelalterlichen Erbes jede Menge Logistik vorhalten: Besucherlenkung, Ticketing, Museumsshop, Sanitärbereiche und mehr.