Nach Einsturz in Dresden: Wie steht es um Erfurts Brücken?

26.09.2024 13:48

Am Morgen des 11. September sorgte eine Nachricht aus Dresden für Schreckmomente: In den Nachtstunden war ein Teil der Carolabrücke über die Elbe eingestürzt. Dass niemand verletzt wurde, ist wohl vor allem der Uhrzeit zu verdanken. Auch in Erfurt gibt es nun besorgte Fragen: Wie steht es um die Brücken der Landeshauptstadt? Hat die Stadt den Verschleiß der Bauwerke im Blick?

Spannbetonbrücken werden jährlich geprüft

Zwei Männer stehen in einem Hubsteiger und prüfen eine Brücke
Foto: Zwei Bauwerksprüfingenieure kontrollieren die Brücke in der Nordhäuser Straße über die Straße der Nationen. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Die Carolabrücke in Dresden besteht aus Spannbeton – so wie 40 der insgesamt 260 Brücken in Erfurt. 27 dieser Brücken wurden vor 1993 errichtet und sind somit potenziell für Spannungsrisskorrosion der Spannglieder gefährdet. Das Phänomen betrifft alle Spannbetonbauwerke seit den 1950er Jahren bis zum Beginn der 1990er Jahre. Die damals verbauten Spannstähle können durch Korrosion an Tragfähigkeit verlieren und die Brücken statisch schwächen. „Schon seit den 1980er Jahren prüft die Stadt Erfurt ihre Brückenbauwerke regelmäßig“, erklärt Michael Räuber, Sachgebietsleiter Brückenverwaltung im Tiefbau- und Verkehrsamt. „Heute wird nach DIN-Vorgaben alle drei Jahre eine Einfachprüfung, alle sechs Jahre eine Hauptprüfung vorgenommen.“ In besonderen Fällen, zum Beispiel bei gefährdeten Spannbetonbrücken, wird die Prüfung in Erfurt jährlich durchgeführt. „Durch diese kontinuierliche Überwachung sind wir stets über den Erhaltungszustand der einzelnen Bauwerke informiert“, so Räuber. „Bei beginnenden Schäden können wir mit Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen den Verschleiß verlangsamen.“

Im Jahr 2011 wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen erstmals normierte Vorgaben für den Umgang mit Brücken getroffen, die durch Spannungsrisskorrosion gefährdet sind. Daraufhin hat auch die Stadt Erfurt die betroffenen Bauwerke untersuchen lassen und Prioritäten gesetzt. „Die Erneuerung der durch Spannungsrisskorrosion gefährdeten Brücken wird auf lange Zeit die Maßnahmenliste im städtischen Brückenbau mitbestimmen“, so Räuber. Dabei stellen potenzielle Sanierungen und Neubauten nicht nur fachlich eine Vielzahl von Anforderungen, sondern müssen auch Aspekte der Verkehrsplanung, des Städtebaus und des Hochwasserschutzes berücksichtigen. „Ein Erneuerungsprogramm für diese Bauwerke ist immer von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadt Erfurt abhängig und konkurriert dabei auch mit allen anderen Aufgaben einer Kommune“, sagt Alexander Reintjes, Leiter des Tiefbau- und Verkehrsamtes. „Ein kontinuierliches Erhaltungsmanagement soll daher ermöglichen, dass die Brücken möglichst lange und ohne Einschränkungen genutzt werden können.“

Als nächste große Brückenbaumaßnahme steht der Neubau für die Gerabrücke in der Warschauer Straße an – auch ein Spannbetonbauwerk. Daneben arbeitet das Tiefbau- und Verkehrsamt am Ersatzneubau der Brücke über die Hannoversche Straße im Zuge der Schwarzburger Straße und an den Ersatzneubauten der Brücken über die Straße der Nationen im Zuge der Nordhäuser Straße.

Stellt der Teileinsturz der Carolabrücke das Tiefbau- und Verkehrsamt nun vor neue Herausforderungen? „Wir brauchen zuerst die Erkenntnisse aus Dresden, um unsere Prüfmethodik und unsere Arbeit hinterfragen zu können“, so Reintjes. „Erst wenn die Ursachen des Unglücks bekannt sind, können Strategien zur Eindämmung möglicher und gegebenenfalls bisher noch nicht bekannter Gefahren entwickelt werden.“