Neue Wege zu mehr bezahlbarem Wohnraum in Erfurt
Andreas Bausewein und Alexander Hilge über Möglichkeiten, wie Mieten sozialverträglich bleiben
Alexander Hilge: „Der neu gebaute Quadratmeter Wohnfläche kostet, je nach Ausstattung und ob zum Beispiel zusätzlich Tiefgaragenplätze oder besondere Anforderungen am Grundstück bestehen, zwischen 3.200 und 4.500 Euro.“ Warum so viel? „Die hohen Preise für die Bauunternehmen und deren Bezugskosten für besondere Materialien oder Technik. Ganz zu schweigen von den zusätzlichen Kosten zum Erwerb von Grundstücken und den höheren Zinsen, die in der Kaltmiete mehrere Euro ausmachen können“, sagt Hilge.
Die Folgen für Mieter sind drastisch. Die Leerstandsquote liegt je nach Anbieter zwischen null und unter vier Prozent. Hilge: „Meist gibt es pro Wohnung dann bis zu 100 Bewerbungen und wer dann schon ein paar Mal erfolglos war, ist deutlich genervt.“ Die Mieten im Bestand liegen je nach Lage zwischen fünf und neun Euro je Quadratmeter. Neuvertragsmieten bei Neubau und nach Kernsanierung schwanken von 10 bis 14 Euro, liegen auch mal darüber. Bausewein: „Der Mietspiegel wurde dank der Zustimmung der Erfurter Wohnungswirtschaft gerade auf Basis der vorherigen Mieten um ein Jahr verlängert, was zusammen mit der Mietpreisbremse dämpfend wirkt.“
An zu wenig Bauland kann das Problem nicht liegen. KoWo-Chef Hilge: „Es gibt in Erfurt viele Flächen für die Investoren, die bereits Baurecht haben oder die Verfahren hierzu laufen, wie zum Beispiel in der Oststadt, dem Braugold-Areal, der Marienhöhe. Auch haben wir viele Rückbauflächen in den Großwohnsiedlungen. Ich schlage vor, erst diese zu aktivieren, bevor wir komplett neue Flächen in der Peripherie entwickeln.“ Bausewein: „Dazu gibt es auch noch die Möglichkeit, über Nachverdichtung zu reden – also Dachgeschossausbau, Aufstockung der Gebäude oder Bebauung von einzelnen Lücken.“
„Wir müssen gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft einen Weg finden, wie Wohnungen in Größenordnungen gebaut oder aktiviert werden können, die auch bezahlbar sind“, sagt Bausewein. Und um diese Wege zu finden, kündigt der OB die Gründung eines Expertenrates an – ihm sollen Vertreter von Wohnungsbaugenossenschaften, privaten Wohnungsunternehmen und der Verwaltung angehören.
Welche Wege führen noch aus der Krise? Alexander Hilge: „Der Bund sollte die Anforderungen bei der Neubauförderung überdenken. Diese sind nur an Effizienzkriterien orientiert. Es gibt keine besonderen Instrumente für gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen.“ Bausewein ergänzt: „Der Bund könnte z. B. Niedrigzinsdarlehen vorrangig für kommunale Gesellschaften, Wohnungsbaugenossenschaften und Stiftungen auflegen, die dauerhaft als lokale Akteure in den Städten da sind, und die nicht nur den schnellen Euro oder die Dividendenausschüttung für Aktionäre suchen.“
Eine weitere Idee von Hilge: „Thüringen sollte die Förderung für den sozialen Wohnungsbau reformieren, es sollte feste Zuschüsse je Quadratmeter geben wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder Bayern. Die nächste Förderrichtlinie des Landes sollte auch eine Staffel-Förderung ermöglichen, von der nicht nur die heutigen Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen, sondern auch Mieter mit niedrigem und mittlerem Einkommen profitieren. Auch ein Doppelverdienerhaushalt aus der Mitte der Gesellschaft muss Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben.“
Auch dem Wunsch aus dem Kreis der Wohnungsbaugenossenschaften, Ortsteile durch neue Bauprojekte zu verbinden, findet interessierte Ohren im Rathaus. Andreas Bausewein: „Wir wollen kurze Wege mit dem ÖPNV haben und trotz unserer großen Fläche eine kompakte Stadt sein. Wir sollten in diesem Zusammenhang prüfen, einige Straßenbahnlinien in entfernte Stadtteile zu verlängern, und hinterfragen, an welchen Stellen behutsames Wachstum bestehende Infrastrukturen sinnvoll nutzt.“
Und welche unkonventionellen Ideen gibt es? Hilge: „Zum Beispiel verstärkt Dachgeschosse ausbauen oder eine Etage aufsetzen. Ich wünsche mir da klare und einfache gesetzliche Regelungen, dass dann das Gebäude nicht von Grunde auf immer neu rechtlich bewertet werden muss. Es ist ja schon da.“ Andreas Bausewein: „Wichtig ist, dass Mieten bezahlbar sind. Da könnte es auch hilfreich sein, mal zu schauen, wie in der Vergangenheit Wohnungsnot bekämpft wurde. Die Platte ist und war ein durchaus attraktiver Wohnraum.“