Ministerpräsidentin besucht Mikwe und Steinernes Haus

18.01.2012 18:36

Gestern besuchte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht die mittelal­terliche Mikwe hinter der Krämerbrücke und das so genannte "Steinerne Haus" am Benediktsplatz/Rathausgasse.

Foto: Oberbürgermeister Andreas Bausewein, der Baubeigeordnete Ingo Mlejnek, Vertreter des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie sowie die beiden Beauftragten der Stadtverwaltung für das Unesco-Weltkulturerbe begleiteten die Ministerpräsidentin und beantworteten ihre Nachfragen zur Geschichte und Nutzung des Hauses und zur Mikwe. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Sichtlich beeindruckt wiederholte die Ministerpräsidentin nach dem Besuch ihre Zusage zur Unterstützung der Stadt Erfurt bei der Bewerbung um den Unesco-Weltkulturerbetitel und sagte, man solle die Welt teilhaben lassen an diesen Schätzen kulturhistorischer Bedeutung. Die Alte Synagoge mit dem Erfurter Schatz, die Mikwe und das "Steinerne Haus" sind einzigartige historische Zeugnisse von Erfurts jüdischer Geschichte und Kern der Unesco-Bewerbung.  

Hintergrund
Das " Steinerne Haus" ist Teil der städtischen Hofanlage "Zum Paradies" in einem mehrteiligen Gebäudekomplex am Benediktsplatz/Rathausgasse. Die frühesten Bauphasen des Kellers können anhand eines romanischen Portals in das 12. Jahrhundert datiert werden, der übrige Bau stammt überwiegend aus dem 13. Jahrhundert und wurde im 14. Jahrhundert in einigen Teilen verändert. Deutschlandweit einzigartig ist die erhaltene Ausstattung des Obergeschossraumes mit spitzbogiger Lichtnische mit Rauchabzug, kaum veränderten Außenwänden mit sog. Ritzfugen sowie einer farbig gefassten Holzbalkendecke. Die Deckenbretter sind einheitlich mit einem Radmotiv verziert, während die Balken jeweils unterschiedliche Ornamentik aufweisen. Die Deckenbalken konnten auf das Jahr 1241/42 datiert werden. Bei dem so genannten "Steinernen Haus" handelt es sich um ein herausragendes Zeugnis spätmittelalterlicher profaner Baukultur. Zudem kann nach Auswertung der mittelalterlichen Quellen das Gebäude spätestens seit 1294 jüdischen Besitzern zugeordnet werden.

Die mittelalterliche Mikwe ist ein jüdisches Ritualbad und wurde im Jahr 2007 entdeckt. Das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie konnte den urkundlich seit Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnten Bau bei den anschließenden archäologischen Grabungen fast vollständig freilegen. Von dem rechteckigen Baukörper sind jeweils Teile des Untergeschosses noch vorhanden. Die Reste weisen deutliche Brandspuren auf. Der Eingang zur Mikwe ist nicht erhalten. Die älteste Synagoge in Erfurt ist bereits am Ende des 11. Jahrhunderts nachgewiesen, daher kann die Mikwe in das 12. Jahrhundert datiert werden.

Bewerbung um den Titel "Unesco-Weltkulturerbe": In der in großen Teilen intakten mittelalterlichen Altstadt von Erfurt haben sich einmalige bauliche Zeugnisse der bedeutenden jüdischen Gemeinde aus der Zeit zwischen dem ausgehenden 11. und der Mitte des 14. Jahrhunderts erhalten. Ergänzt und aufgewertet werden die Bauzeugnisse durch eine weltweit einzigartige Fülle von Sachzeugnissen, die gemeinsam Aufschluss über das jüdische Gemeinde- und Alltagsleben sowie die Koexistenz von Juden und Christen in mittelalterlichen Städten bieten – in einer Komplexität, die mit keiner bekannten Stätte vergleichbar ist.

Aus diesem Grund hat sich die Thüringer Landeshauptstadt Erfurt entschieden, für ihr jüdisches Erbe des Mittelalters den Titel "Unesco-Weltkulturerbe" anzustreben.

Vorrangiges Ziel der Beantragung ist es, den Rang der Alten Synagoge Erfurt als Einzeldenkmal wie auch als Zeugnis der jüdischen Religion und Kultur in Mitteleuropa zu bestärken. Gleichzeitig soll dadurch die Präsenz des Judentums in Europa seit der Antike angemessen gewürdigt und anerkannt werden: Die Auseinandersetzung von Juden und Christen hat Europa in seiner heutigen Form entscheidend beeinflusst. Die Landeshauptstadt Erfurt kommt damit der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands nach, die gemeinsamen Wurzeln von Juden und Christen in Europa in Erinnerung zu rufen und den Beitrag jüdischer Bürger zu Gelehrsamkeit und wirtschaftlicher Blüte angemessen zu würdigen.