Die Mignon, der "Liebling" unter den Schreibmaschinen
Unter dem großen Thema "Was man sonst nicht sieht…auf eine halbe Stunde ins Museum" lud der Kustos im Stadtmuseum, Harald Baum, heute alle an der jüngeren Geschichte Interessierten ins Stadtmuseum Erfurt in der Johannesstraße 169 ein. Diesmal drehte sich alles um die "Mignon 4, 1924" und die Revolution in der Schreibtechnik - von AEG bis Optima.
Ab 1924 begann nach der Verlegung des AEG - Werkes aus Berlin nach Erfurt die Schreibmaschinenfertigung auch in der Landeshauptstadt. Das erste Modell, welches in Erfurt gefertigt wurde, war die "Mignon 4" (Mignon: französisch "Liebling"). Es handelt sich dabei um eine Ein-Zeiger-Tastenmaschine, deren Vorläufer schon ab 1902 hergestellt wurden. Doch bereits um 1930 wurde die Produktion der "Mignon 4" in Erfurt wieder eingestellt.
Die Besucher erfuhren vieles über die Geschichte der Schreibmaschinen. 1830 war es in Deutschland ein Freiherr v. Draise (Fahrrad "Draisine") der versuchte, eine erste Maschine zum Schreiben zu entwickeln. Wenige Jahrzehnte später (1864) war es der Österreicher Peter Mitterhofer (Tischler, Zimmermann), der eine Schreibmaschine aus Holz, später aus Metall baute. Die Serienproduktion begann dann erst 1873 in den USA. Bis zum 1. Weltkrieg hatte man in den USA ca. 2 Mio Schreibmaschinen gebaut, in Deutschland waren es nur 1/2 Million, weil Vorbehalte gegenüber den so geschriebenen Texten bestanden. Nach dem 1. Weltkrieg allerdings geriet dann auch in Deutschland die Produktion richtig in Fahrt: 2,5 Mio deutsche Maschinen wurden gefertigt, z.B. von den Firmen Adler, Ideal, Mercedes oder Olympia.
Die Erfurter Mignon 4, 1924 in den Farben schwarz, weiß oder rot gab es übrigens zu einem Preis von etwa 150 Mark. Das entsprach ganz grob mindestens einem Monatsverdienst eines Arbeiters. Ähnliche Maschinen, wie diese Einhebelschreibmaschine, wurden in Erfurt ab 1952 für China und ab 1954 als Kinderschreibmaschine "Bambino" gebaut. Die Mignon war "einfach gebaut und von jedermann leicht zu schreiben", wie im Reichspatent für diesen Maschinentyp vom 22.12.1901 nachzulesen ist. Insgesamt wurden in Erfurt 400.000 Stück produziert.
In absehbarer Zeit wird auch ein Buch von Eberhard Lippmann zur Schreibmaschinenfertigung in Erfurt erscheinen. Größere Schreibmaschinensammlungen gibt es nur noch in Dresden und in Südtirol, im Schreibmaschinenmuseum.