Neubau Rathausbrücken: Realisierung 2015 bis 2017
„Erfurt liegt am besten Orte, da muss eine Stadt stehen …“ – wusste schon Martin Luther 1533 zu schätzen.
In Erfurt kreuzten sich zwei europäische Handelsstraßen und dieser Handel verhalf der Stadt zu großer Blüte und Wohlstand. Prächtige Bürgerhäuser, bedeutende Profanbauten, Kirchen und Klöster entstanden in den Epochen der Gotik, Renaissance und des Barocks und prägen heute das Angesicht der Erfurter Altstadt.
Die Krämerbrücke ist ein einzigartiges Wahrzeichen unserer Stadt. Früher querten die Händler auf der Via Regia an dieser Furt die Gera. Heute genießen Einheimische und Touristen den Anblick der 32 Häuser und das Flair der Brücke, deren Bewohner noch heute in der Tradition der Krämer Waren anbieten und Handel treiben.
Südlich der Brücke gelangte man auf Mühlenstegen vom Benediktsplatz zum Wenigemarkt über das Wasser des Breitstroms. Im Jahr 1895 wurden diese Stege durch breite Brücken ersetzt und diese bilden den Ausgangspunkt ihrer Erneuerung im Jahr ab 2015.
Ein Gestaltungswettbewerb sollte 2010 eine architektonische Grundlage für die Erneuerung der zwischenzeitlich vom Einsturz bedrohten Rathausbrücken schaffen. Den Ideen lagen die Aufgabenstellungen wie die vorrangige Nutzung durch Fußgänger, die Erlebbarkeit der Krämerbrücke, die Sicherstellung der infrastrukturellen Anforderungen an die Quartierserschließung und die zurückhaltende eigene Formgebung zugrunde.
Die neuen Rathausbrücken sollten den Einheimischen und Touristen eine Promenade zwischen Benediktsplatz und Wenigemarkt bieten, einen Außenanblick auf die Krämerbrücke ermöglichen und nur den Fahrverkehr zulassen, der unvermeidbar das öffentliche und individuelle Leben in diesem Altstadtquartier absichert. Eine Jury kürte einen Beitrag zum Siegerentwurf und die Bürgergemeinschaft und der Stadtrat schlossen sich diesem Urteil an. Im Sommer 2014 wurde der fertiggestellte Entwurf der Öffentlichkeit und dem Stadtrat noch einmal vorgestellt, er erhielt erneut die Zustimmung zur Realisierung. Erst im November 2014, als die Stadträte über letztmalige Änderungen an den Freiflächen im Umfeld der neuen Rathausbrücken informiert wurden, formierte sich lautstark öffentlicher Widerstand gegen das Fällen der Bäume im unmittelbaren Umfeld. Der Prozess zur Erneuerung der Rathausbrücken, der 2015 seinen Abschluss finden sollte, kam damit bereits zum zweiten Mal zum Erliegen, da bereits 2002 und 2003 keine Einigung erzielt werden konnte, wie und damals noch wo, die neue(n) Brücke(n) errichtet werden soll(en).
Der Stadtrat folgte den Einwendungen der Bürgerinitiative „Stadtbäume statt Leerräume“ und beschloss, nunmehr zwei der vier großen Bäume zu erhalten. Die Pläne wurden geändert, Sicherheitsaspekte abgewogen, Gestaltungsziele korrigiert und zwei neue Bäume ersetzen heute den unvermeidlichen Verlust. Im November 2017 sind die neuen Rathausbrücken nach fast zweijähriger Bauzeit fertig. Von jetzt an können wieder mehr als 100 Jahre vergehen, bis kommende Generationen darüber befinden, wie die Überquerung der beiden Arme des Breitstromes aussehen soll.
So unscheinbar und ohne öffentliches Interesse wie die früheren Brücken mehr als 120 Jahre ihren Dienst verrichteten, so sollen auch die neuen Brücken den Benediktsplatz mit dem Wenigemarkt verbinden. Sie sollen allen Nutzern ausreichend Platz und Sicherheit bieten und das durchströmende Gewässer ein wenig attraktiver und durchgängiger machen.
Die neuen Rathausbrücken schützen die Krämer. Sie tragen das Wehr, das im Rettungsfall auf der Nordseite der Krämerbrücke die Furt für die Feuer-wehr passierbar macht und sie sind Teil des Evakuierungskonzepts für die Krämerbrücke. Die neuen Brücken tragen alle Lasten, auch wenn der Fahrverkehr auf das Minimum beschränkt bleibt. Die neuen Brücken bieten Raum zum Verweilen, zum Beobachten, zum Genießen, zum Passieren. Sie geben dem Wasser mehr Platz und gestalten den Straßenraum. Sie bieten Laufkomfort und liebevoll gestalterische Details. Die Architektur der neuen Brücken soll dabei nicht für sich wirken, sie soll zurückhaltend dem Auge die wirkliche Attraktion zeigen: Die Krämerbrücke. Das Wahrzeichen Erfurts in den Focus zu rücken und den Blick auf die Altstadt zu konzentrieren – das sind die Aufgaben der neuen Rathausbrücken.
Darunter und im Verborgenen kommen technische Funktionen hinzu, die die Stadt mit Strom und Gas und schnellem Internet versorgen. Und schlussendlich wurde der Neubau der Brücken genutzt, um Kanäle, Schächte und Anschlussleitungen zu erneuern, um all das neu zu ordnen, was dem Auge verborgen bleiben soll, das Leben aber komfortabel macht.
Überall da, wo es Flussläufe gibt oder gab, ist der Baugrund entsprechend schwierig und für den Architekten, den Ingenieur und den Bauherrn anspruchsvoll und kostspielig. Dies haben unsere Vorfahren schon gewusst und dafür die Krämerbrücke und die früheren Rathausbrücken auf Holzpfähle gestellt, die zuvor tief in den Boden eingerammt waren, bis sie die Lasten sicher auf tragfähigen Grund ableiten konnten. Tief im Boden verankert sind die bis zu 18 Meter langen Pfähle, die die neuen Rathausbrücken tragen. Sie sind heute aber nicht mehr aus Holz, sondern aus Stahlbeton und werden nicht gerammt, sondern gebohrt. Die dazu erforderliche moderne Technik wirkt dennoch gewaltig und brachial, das Ergebnis wird aber beinahe unvergängliche und tragende Sicherheit geben.
Haben unsere Vorfahren die Brücken auf große Fundamente gesetzt, die von Holzpfählen getragen wurden, darüber Stahlträger gelegt und mit Beton vergossen, bilden die neuen Brücken jeweils einen Rahmen und alle Bauteile sind konstruktiv und starr miteinander verbunden. Um alle auftretenden Kräfte aus Temperaturänderung, Verkehrs- und eigenen Lasten sicher miteinander zu verbinden, war eine sehr komplex wirkende Anordnung von Bewehrungsstählen erforderlich, die augenscheinlich wenig Raum für den umhüllenden und schützenden Beton bot. Die aufwändige Gründung und das Kräftespiel aus der gewählten Bauform haben die beiden neuen Rathausbrücken schlussendlich doch zu anspruchsvollen Bauwerken werden lassen. Auch wenn man diese starre Form nur an den schmalen Fugen vor und hinter den Brücken erkennen kann.
Die Seitenansicht beider Brücken wirkt sehr filigran. Dies ist der gewölbten Unterseite geschuldet, die in der Achse der Brücke sehr dick, an den Rändern aber sehr schlank gelungen ist und damit insgesamt einen unscheinbaren Eindruck hinterlässt.
Aus Richtung Süden soll der Blick auf die Krämerbrücke nicht abgelenkt werden und selbst auf Wasserhöhe ist nicht erkennbar, dass der Brückenüberbau mehr als einen Meter dick ist. Gleiches gilt für das Geländer, auch hier war es wichtig, das Panorama der Krämerbrücke nicht zu verdecken. Gleichzeitig muss das Geländer aber alle konstruktiven Anforderungen erfüllen, die für große Menschenansammlungen und langsamen Fahrverkehr gelten. Die gewählte Form gewährleistet die gewünschte Transparenz und die geforderte Sicherheit.
Der neue Straßenraum ist barrierefrei und bietet den Fußgängern die gesamte Breite zur Nutzung an. Haben in der Vergangenheit genau vor der Krämerbrücke Fahrzeuge geparkt, bleibt dieser Bereich in Zukunft den Fußgängern vorbehalten. Autos, Fahrräder und LKWs müssen Rücksicht nehmen und sich unterordnen. Bordsteinkanten gehören der Vergangenheit an. Der Straßenzug soll erlebens- und aufenthaltswert sein. Intarsien zu beiden Seiten, eingelassen im Beton auf der Mittelinsel, bieten attraktive Details der Straßengestaltung und erinnern an die Historie der Via Regia, des mittelalterlichen Erfurts und natürlich an die Krämerbrücke. Zuletzt ist es das Licht, das den neuen Straßenzug in den Nachtstunden in Szene setzt und dies nicht nur auf, sondern auch unter den Brücken.
Die Bürgerinitiative „Stadtbäume statt Leerräume“ gab den Anstoß dazu, dass die Stadt die Treppenanlage, die unter der Krämerbrücke hindurch zur Mikwe führt, nachträglich umgestaltete. Die ursprüngliche Planung hatte diesen Bereich völlig unbeachtet gelassen, da auch kein Beitrag des Gestaltungswettbewerbes die Treppenanlage einbezog. Das gesamte Umfeld des Brückenbogens wurde in die neue Planung aufgenommen. Das Ergebnis der Neugestaltung der Treppenanlage wertet den Zugang zur Mikwe stark auf. Zum Wasser des Breitstromes hin laden große Sitzstufen ein, die Treppenanlage weist großzügig und offen den Weg zur vielleicht zukünftigen Weltkulturerbe-Stätte „Alte Synagoge und Mikwe“. Während der Bauarbeiten wurden Teile der früheren Mühle entdeckt, gesichert und für die Nachwelt erhalten. Insgesamt fügt sich die neue Gestaltung in die Freiräume nördlich der Krämerbrücke ein und verbindet heute beide Seiten miteinander.
In Erfurt ist der Kika zuhause. Pittiplatsch wartet auf Schnatterinchen
Es sind nun schon einige Figuren, die in Erfurt an das Kinderfernsehen erinnern. Verteilt über die Stadt sind Sandmann, Käpt‘n Blaubär und Hein Blöd, die Tigerente, Bernd das Brot, Maus und Elefant beliebte Fotomotive bei Groß und Klein.
Und jetzt ganz neu der Pittiplatsch. Wo vorher der Sandmann sein Zuhause hatte, nimmt jetzt „Pittiplatsch, der Liebe“ seinen Platz ein. Das Sandmännchen selbst behält sein Umzugsquartier nun als dauerhaften Wohnsitz und beobachtet das Treiben der Schokoladenkrämer am Kreuzsand. Seine engste Freundin Schnatterinchen und auch Moppi haben noch keine Bleibe in der Stadt. Es wird aber wohl nicht viel Zeit vergehen, bis sie ihrem Pitti Gesellschaft leisten.
Brückenfläche Ost und West | 290 m2 |
Tiefengründung mit 16 Bohrpfählen | Ø 90 cm |
Stahlbeton | 355 m2 |
Betonstahl | 97 t |
Asphalt | 480 m2 |
Großpflaster | 625 m2 |
Stahlbeton | 42 m2 |
Betonstahl | 11 t |
Tiefengründung mit 10 Bohrpfählen | Ø 60 cm und 16 Mikro-Verpresspfähle |
Bauzeit | 2015 bis 2017 |
Kosten (Planung und Bau) | rund 2,5 Mio. EUR |