Krämerbrückenfest: Till Eulenspiegel in Erfurt
Till Eulenspiegel in Erfurt
Warum eröffnet ausgerechnet Till Eulenspiegel seit 1975 das Stadtfest?
Schon zur ersten Auflage erschien Till Eulenspiegel dem Publikum und eröffnete mit einer Posse das Volksfest rund um die Krämerbrücke. Seither ist das Stadtfest ohne diesen Schelm nicht mehr denkbar. Der „Erfinder" des Volksfestes - Henning Pawel - selber Schriftsteller und damaliger Chef der Kulturverwaltung im Stadtbezirk Erfurt Mitte - hat dem Krämerbrückenfest diese Tradition mit bedacht und Weitsicht in die Wiege gelegt. Zum Einen hat es seine Wurzeln in den Eulenspiegelgeschichten, von denen drei der listigen Taten des Eulenspiegels auch in Erfurt spielen. Zum anderen hat es seine Bewandtnis garantiert auch darin, dass man dem Eulenspiegel zu Zeiten der DDR, aber auch heute noch, Worte in den Mund legen konnte und kann, die das Handeln und Entscheiden der Obrigkeit aufs Korn nehmen, ohne Gefahr zu laufen, aus der Stadt verbannt zu werden oder sogar Bekanntschaft mit dem städtischen Kerker zu machen.
Und das tut Till Eulenspiegel nun seit vielen Jahren sehr genüsslich und zum Spaß des Publikums zu jedem Krämerbrückenfest.
Die drei listigen Taten des Eulenspiegels in Erfurt
Die 29. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Erfurt einen Esel in einem alten Psalter lesen lehrte.
Eulenspiegel hatte große Eile, nach Erfurt zu kommen, nachdem er in Prag die Schalkheit getan hatte, denn er befürchtete, dass sie ihm nacheilten. Als er nach Erfurt kam, wo ebenfalls eine recht große und berühmte Universität ist, schlug Eulenspiegel auch dort seine Zettel an. Und die Lehrpersonen der Universität hatten von seinen Listen viel gehört. Sie beratschlagten, was sie ihm aufgeben könnten, damit es ihnen nicht so erginge, wie es denen zu Prag mit ihm ergangen war, und damit sie nicht mit Schande bestanden. Und sie beschlossen, dass sie Eulenspiegel einen Esel in die Lehre geben wollten, denn es gibt viele Esel in Erfurt, alte und junge. Sie schickten nach Eulenspiegel und sprachen zu ihm: „Magister, Ihr habt gelehrte Schreiben angeschlagen, dass Ihr eine jegliche Kreatur in kurzer Zeit Lesen und Schreiben lehren wollt. Darum sind die Herren von der Universität hier und wollen Euch einen jungen Esel in die Lehre geben. Traut Ihr es Euch zu, auch ihn zu lehren?" Eulenspiegel sagte ja, aber er müsse Zeit dazu haben, weil es eine des Redens unfähige und unvernünftige Kreatur sei. Darüber wurden sie mit ihm einig auf zwanzig Jahre.
Eulenspiegel dachte: Unser sind drei; stirbt der Rektor, so bin ich frei; sterbe ich, wer will mich mahnen? Stirbt mein Schüler, so bin ich ebenfalls ledig. Er nahm das also an und forderte fünfhundert alte Schock dafür. Und sie gaben ihm etliches Geld im voraus.
Eulenspiegel nahm den Esel und zog mit ihm in die Herberge „Zum Turm", wo zu der Zeit ein seltsamer Wirt war. Er bestellte einen Stall allein für seinen Schüler, besorgte sich einen alten Psalter und legte den in die Futterkrippe. Und zwischen jedes Blatt legte er Hafer. Dessen wurde der Esel inne und warf um des Hafers willen die Blätter mit dem Maul herum. Wenn er dann keinen Hafer mehr zwischen den Blättern fand, rief er: „I-A, I-A!" Als Eulenspiegel das bei dem Esel bemerkte, ging er zu dem Rektor und sprach: „Herr Rektor, wann wollt Ihr einmal sehen, was mein Schüler macht?" Der Rektor sagte: „Lieber Magister, will er die Lehre denn annehmen?" Eulenspiegel sprach: „Er ist von unmäßig grober Art, und es wird mir sehr schwer, ihn zu lehren. Jedoch habe ich es mit großem Fleiß und vieler Arbeit erreicht, dass er einige Buchstaben und besonders etliche Vokale kennt und nennen kann. Wenn Ihr wollt, so geht mit mir, Ihr sollt es dann hören und sehen."
Der gute Schüler hatte aber den ganzen Tag gefastet bis gegen drei Uhr nachmittags. Als nun Eulenspiegel mit dem Rektor und einigen Magistern kam, da legte er seinem Schüler ein neues Buch vor. Sobald dieser es in der Krippe bemerkte, warf er die Blätter hin und her und suchte den Hafer. Als er nichts fand, begann er mit lauter Stimme zu schreien: „I-A, I-A!" Da sprach Eulenspiegel: „Seht, lieber Herr, die beiden Vokale I und A, die kann er jetzt schon; ich hoffe, er wird noch gut werden."
Bald danach starb der Rektor. Da verließ Eulenspiegel seinen Schüler und ließ ihn als Esel gehen, wie ihm von Natur bestimmt war. Eulenspiegel zog mit dem erhaltenen Geld hinweg und dachte: solltest du alle Esel zu Erfurt klug machen, das würde viel Zeit brauchen. Er mochte es auch nicht gerne tun und ließ es also bleiben.
Die 59. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Erfurt einen Metzger noch einmal um einen Braten betrog.
Nach acht Tagen kam Eulenspiegel wieder zu den Fleischbänken. Da sprach derselbe Metzger Eulenspiegel mit Spottreden an: „Komm wieder her und hol dir einen Braten!" Eulenspiegel sagte ja und wollte nach dem Braten greifen. Da war der Metzger flink und nahm den Braten schnell an sich. Eulenspiegel sagte: „Warte, lass den Braten liegen, ich will ihn bezahlen." Der Metzger legte den Braten wieder auf die Bank.
Da sprach Eulenspiegel zu ihm: „Wenn ich dir ein Wort sage, das dir von Nutzen ist, soll dann der Braten mein sein?" Der Metzger sagte: „Du könntest mir solche Worte sagen, die mir nichts nützen. Du könntest mir aber auch Worte sagen, die mir von Nutzen sind, und dabei den Braten hinwegnehmen." Eulenspiegel sprach: „Ich will den Braten nicht anrühren, wenn dir meine Worte nicht gefallen." Und er sagte weiter: „Ich spreche jetzt dies: Wohlauf, her, mein Säckel, und bezahle die Leute! Wie gefällt dir das? Gefällt dir das etwa nicht?" Da sagte der Metzger: „Die Worte gefallen mir wohl, sie behagen mir sehr." Da sprach Eulenspiegel zu denen, die umherstanden: „Liebe Freunde, das hörtet ihr wohl, also ist der Braten mein."
Eulenspiegel nahm den Braten, ging damit hinweg und sagte spöttisch zu dem Metzger: „Nun habe ich mir wieder einen Braten geholt, wie du mich ansprachst." Der Metzger stand da und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Zweimal war er genarrt worden und hatte zu seinem Schaden den Spott seiner Nachbarn, die bei ihm standen und über ihn lachten.
Anhang 5. sagt, wie Eulenspiegel ein Paar Schuh kauft ohn' Geld.
Auf ein Zeit ging Eulenspiegel zu Erfurt durch die Schuhmachergasse. Da sprach ihn eine Schuhmacherfrau an, er sollt ein gut Paar Schuh abkaufen. Er versucht ein Schuh an, der war ihm gerecht, und tät den andern auch an und trollt sich die Gasse hinaus. Die Frau lief ihm nach und Schrie: „Haltet den Dieb!"
Die Nachbarn wollten ihn halten, da schrie er: „Hei, lasst mich gehn, wir laufen die Wett um ein Paar Schuh."
Also kam er davon und gab die Schuh dem Knecht in seiner Herberge.