Die Mädchen von Zimmer 28. L 410, Theresienstadt
12 bis 14 Jahre waren die Mädchen alt, die im Zimmer 28 des sogenannten Mädchenheim L 410 im Ghetto Theresienstadt zu einer Gemeinschaft zusammenwuchsen. Sie stammten aus jüdischen Familien in der Tschechoslowakei und Österreich. Die Ausstellung wirft ein Licht auf die Entrechtung und Beraubung der Juden in diesen Ländern und schildert das Leben und den Alltag im Ghetto Theresienstadt zwischen 1942 und 1944. Sie berichtet von den Mädchen im Zimmer 28 – von einer „Insel im tobenden Meer“. Betreut von Erwachsenen, jüdische Häftlinge wie sie, wuchs die Gruppe zusammen. Immer wieder wurde diese Gemeinschaft auseinandergerissen. Mädchen mussten antreten zum gefürchteten „Transport nach Osten“. Von etwa 50 bis 60 Mädchen, die für eine Weile im Zimmer 28 untergebracht waren, überlebten nur 15 Mädchen den Holocaust. Die meisten starben in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau.
Die Ausstellung basiert auf dem 2004 erschienenen Buch Die Mädchen von Zimmer 28 von Hannelore Brenner. Die von den Mädchen selbst verfassten Dokumente, das Tagebuch von Helga Pollak, das Poesiealbum von Anna Flach, das Notizbüchlein von Handa Pollak, sowie Fotos, Gedichte, Sketche, Bilder, die Hymne vom Zimmer 28 und viele weitere Zeugnisse aus Theresienstadt und Auschwitz geben einen Einblick in die Lebenswelt und das Schicksal der Mädchen. Damit vermittelt die Ausstellung die Geschichte dieser Kinder anschaulich auch jüngeren Generationen. Viele Jahre begleiteten die Überlebenden die Ausstellung. Gewidmet ist sie den Kindern von Theresienstadt, die im Holocaust ermordet wurden.
Die Ausstellung ist auch eine Hommage an jene Erwachsenen in Theresienstadt, die für die Kinder wichtig wurden. Freiwillige Erzieherinnen versuchten in den Grenzen des Möglichen den Mädchen durch einen illegalen Unterricht Bildung zu ermöglichen und moralische Werte zu vermitteln. Sie setzten alles daran, die Kinder vor dem Elend und dem Terror abzuschirmen und ihnen ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen. Trotzdem war die Angst immer da, die Angst vor den Transporten in das Vernichtungslager Auschwitz.
Was im Mikrokosmos Zimmer 28 dank dieser engagierten Erwachsenen – Pädagogen, Lehrer, Künstler – geschah und sich durch die Überlebenden und durch die überlieferten Dokumente und Zeugnisse manifestiert, lässt erahnen, welche elementare Bedeutung kulturellem Schaffen, künstlerischen Leistungen und ethischen Werten zukommt. Trotz des täglichen Kampfes um Nahrung, Sauberkeit und Gesundheit und vor allem dem völligen Ausgeliefertsein an die Willkür der deutschen Lagerleitung gelang es den Verantwortlichen, den traumatisierten, entwurzelten Kindern einen emotionalen Halt und eine soziale Gemeinschaft zu bieten.
So gab beispielsweise die berühmte Bauhaus Künstlerin Friedl Dicker-Brandeis in ihren Malstunden ihren Erfahrungsschatz an die Kinder weiter. „Ihre Art zu unterrichten – darin lag etwas, was uns für Augenblicke ein Gefühl der Unbeschwertheit gab“, erinnert sich Helga Pollak-Kinsky. Die damals entstandenen Zeichnungen der „Mädchen von Zimmer 28“ sind Teil der Ausstellung.
Die Ausstellung erzählt von einer außergewöhnlichen Gemeinschaft. Die Geschichte der Mädchen von Zimmer 28 zeigt, welche Kraft Kunst und Kultur zu entfalten vermögen im Ringen um Selbstbehauptung in einer unmenschlichen Zeit, um die Behauptung der eigenen Identität und Würde. In einem menschenverachtenden Umfeld schufen die Mädchen sich im Zimmer 28 eine individuelle Gegenwelt, in der sie Werte wie Mitmenschlichkeit, Freundschaft, Solidarität und tolerantes Umgehen miteinander hochhielten und lebten. Mit der Gründung ihrer kleinen Organisation Ma'agal setzten sie sich hohe Ziele und machten sich diese zum Lebensmotto. So wurde aus dem Zimmer 28 gleichsam eine „Keimzelle der Menschlichkeit“.
Die Geschichte der Mädchen ist eng verbunden mit den Theresienstädter Aufführungen der Kinderoper Brundibár von Hans Krása und Adolf Hoffmeister. Einige der Mädchen spielten selbst in der Oper mit, so spielte Ela Stein die Katze, Maria Mühlstein häufig den Spatz, einige sangen im Chor der Schulkinder und alle haben die Aufführungen besucht und kannten die Lieder auswendig. Die Überlebenden erinnern die Oper als „ein Licht in der Dunkelheit“.
Die Ausstellung, die von der Autorin Hannelore Brenner gemeinsam mit Überlebenden von Zimmer 28 entwickelt wurde, wurzelt in deren Wunsch, dass mit der Erinnerung an das Zimmer 28 auch jene Werte weiterleben, die für die Frauen wichtig wurden: Mitgefühl, Respekt, Solidarität, Freundschaft, Kultur. Es wurzelt auch in der Hoffnung, dass die Geschichte dieser Mädchen als Mahnung und als Beispiel dafür dienen möge, „wie leicht ein neuer Holocaust geschehen kann, wenn gutwillige Menschen gleichgültig sind und es hasserfüllten Fanatikern erlauben, an die Macht zu kommen.“ So hat es Handa Drori, eine der Überlebenden von Zimmer 28, formuliert.