Spielzeug und so weiter...: 125 Jahre Hahns Laden in Kranichfeld
Kranichfeld und die Geschäftsgründungen Georg Hahns
Kranichfeld war bis 1913 eine politisch geteilte Stadt, was auch an den beiden Burgen Niederburg und Oberschloss erkennbar ist. 1875 lebten etwa 950 Menschen in dem Teil, der zum Herzogtum Sachsen-Meiningen gehörte, im weimarischen Teil gab es 1880 etwa 790 Bewohner. Der Grenzverlauf war skurril und ging zum Teil quer durch die Häuser und Wohnungen. Es gab aber auch Gemeinsames: Vereine, die Kirche und den Rathaussaal, der aber auch von der Grenze direkt durchschnitten wurde. Die meisten Menschen ernährten sich von der Landwirtschaft oder gingen einem Handwerk nach. Einkaufsmöglichkeiten gab es - außer für Lebensmittel und Textilien und die Dinge, die die ortsansässigen Handwerker fertigten - vor 1888 nur wenige. Seit der Verleihung der Stadtrechte 1651 fanden dreimal jährlich Krammärkte oder Jahrmärkte statt und der Buchbinder Schüffler betrieb nebenbei seit 1854 einen kleinen Handel mit Büchern, Tapeten, Papier- und Schreibwaren und bot manchmal auch Spielzeug an.
Hahn-Druck, die Ilm-Zeitung und Hahns Laden
In diesem Haus in der Oberen Marktstraße 31 in Kranichfeld gründete Georg Hahn seine Druckerei, dort erschien seit dem 1. April 1888 Georg Hahns Ilm-Zeitung und die Galanteriewaaren- und Schreibmaterialien-Handlung, schon bald Hahns Laden genannt, wurde eröffnet. In der Ilm-Zeitung gab es neben einem überregionalen politischen Teil Nachrichten aus Kranichfeld und den umliegenden Ortschaften und einen umfangreichen Anzeigenteil. Es war sehr zweckmäßig, dass in der Ilm-Zeitung bis zum Verbot der Zeitung durch die Nazis 1941 ständig kostenlos Reklame für den eigenen Laden gemacht werden konnte und so erschienen Tausende Anzeigen, die uns heute noch erzählen, was es in Hahns Laden zu kaufen gab.
Diese Anzeigen sind ein wichtiger Leitfaden für die Ausstellung
1899
Im ausgehenden 19. Jahrhundert ging es in Deutschland wirtschaftlich aufwärts und auch die Kaufkraft der Menschen in der Kleinstadt stieg leicht an, so dass viele etwas Geld übrig hatten, über die reine Existenzsicherung hinaus. Buchdruckerei und Laden hatten sich in Kranichfeld gut etabliert und Georg und Maria Hahn kauften sich 1899 ein neues, größeres Haus in der Georgstraße 7, wo sich auch heute noch Druckerei und Laden befinden. Kurz vor dem Umzug kam es zu einem großen Brand in Kranichfeld. Hahns neues Haus grenzte direkt an den Brandherd, konnte aber gerettet und für die Zwecke des Ladens und der Druckerei umgebaut werden.
In der Ausstellung ist ein Foto von Familie Georg Hahn zu sehen, entstanden um 1908, in einer Zeit, als Georg und Maria viel erreicht hatten. Ihre beiden Geschäfte gingen gut, sie waren gesund und es war eine friedliche Zeit.
Neben der Möglichkeit des kostenlosen Inserierens ergänzten sich Buchdruckerei und Laden immer wieder auch in anderer Hinsicht. So wurden seit 1895 Ansichtskarten gedruckt, die man im Laden verkaufte.
1914 bis 1932
Nach vielen Jahren ohne Krieg in Deutschland veränderte der 1. Weltkrieg das Leben. Neben althergebrachten Artikeln gab es jetzt auch neue Waren im Laden. Die Steinbaukastenfabrik von Richter in Rudolstadt lieferte Schützengrabengeduldspiele und Festungsbaukästen mit feldgrauen Steinen. Feldpostkartons und Trauerkarten für gefallene Krieger hatten Konjunktur.
Für die Rüstungsproduktion wurde so viel Metall benötigt, dass man fast alle Kleinmünzen einschmolz. 1918 wurde deswegen von Otto Hahn Kriegsnotgeld aus Papier für Kranichfeld gedruckt.
Noch verrückter wurde es mit dem Geld 1923. Alle Waren kosteten jetzt Milliarden oder Billionen Mark, eine Ilm-Zeitung im November 1923 z. B. 25 Milliarden. Das war die Inflation, Folge riesiger Kriegsschulden und einer extremen Geldvermehrung. Das Geld, das man tagsüber im Laden einnahm, hatte am Abend kaum noch einen Wert!
Georg Hahn erlitt seit 1909 mehrere Schlaganfälle. Sohn Otto wurde im Krieg verschüttet, am linken Arm verletzt und ausgemustert. Wegen der Erkrankung des Vaters musste er bereits 1916 mit 26 Jahren die Verantwortung für die Druckerei übernehmen. Die Ilm-Zeitung erschien weiterhin ununterbrochen. Im gleichen Jahr heiratete er Ottilie, die später für den Laden zuständig war. Sie hatten zwei Kinder, Elfriede (*1917) und Hansgeorg (*1921). 1921 und 1922 starben Maria und Georg Hahn. Ab Mitte der 1920er Jahre folgten für Otto und seine Frau Ottilie einige ruhige Jahre.
1933 bis 1945
Die Extra-Ausgabe der Ilm-Zeitung zeigt, dass Adolf Hitler bereits 1932 bei der Reichspräsidentenwahl sehr viele Stimmen erhielt. Nach der Machtübernahme der Faschisten veränderte sich auch der Alltag in der Kleinstadt, in der Buchdruckerei und im Laden in einem atemberaubenden Tempo. Kinderzeichnungen von 1934/35 deuten das an. Die Lokalzeitungen verloren im Zusammenhang mit der sogen. Gleichschaltung der Presseorgane ihren Spielraum in der Berichterstattung. Für Otto Hahn begannen Jahre tiefer und bitterer Konflikte. Ab 1939 wurde er gedrängt, seine Verlagsrechte an einen Gau-Verlag zu verkaufen. Dem widersetzte er sich. Dann begann Deutschland den 2. Weltkrieg. Es folgten unermessliches Leid und viele Millionen Tote.
Flächendeckend im ganzen Deutschen Reich musste Ahnenforschung betrieben werden. Bereits die Kinder in den Schulen hatten sich damit zu beschäftigen. Auf Familien, die keine arischen Vorfahren hatten, kamen schlimme Zeiten zu. Die Formulare für die Ahnenforschung gab es auch bei Hahns im Laden.
Otto Hahn starb 1941. Sein Sohn Hansgeorg war von 1940 bis 1945 Soldat. Kurz nach Otto Hahns Tod wurde die Ilm-Zeitung, wie viele andere Lokalzeitungen auch, von den Nazis verboten. Tochter Elfriede, ihre Mutter Ottilie und Karl Hoffmeister, ein versierter Setzer, Drucker und langjähriger Mitarbeiter, brachten die Firma über die schlimmen Kriegsjahre. Im Krieg wurde es immer schwieriger, Waren für den Laden zu bekommen.
Ottilie Hahn war seit 1941 Witwe. Auf einem der Fotos in der Ausstellung stehen ihre Tochter Elfriede und der Enkelsohn Hans-Joachim beim Hochwasser 1942 in der Ladentür. Beim Ladenumbau 1919 waren die Schaufenster vergrößert und modernisiert worden. Im Krieg war wegen des Mangels an Waren aber nur noch ein Schaufenster bestückt.
1945 bis 1989
Im Spätsommer 1945 wurde im Laden eine Kranichfeld-Karte mit russischen Eindrucken verkauft. Der fürchterliche Krieg war zu Ende und nach einigen Wochen amerikanischer Besatzung gehörte Kranichfeld zur sowjetischen Zone und dann zur DDR. Hansgeorg und Anneliese Hahn entwickelten die Buchdruckerei seit 1945 zu einem leistungsfähigen, privaten Handwerksbetrieb, den sie nun Hahndruck nannten. Den Laden führte Ottilie Hahn weiter mit ihrer Tochter Elfriede Klink, die 1961 nach Westdeutschland übersiedelte. Die Warenbeschaffung für den Laden war in den Nachkriegsjahren schwierig. Hans-Joachim erinnerte sich daran, dass er zusammen mit seiner Mutter Elfriede tagelange Einkaufstouren, oft mit langen Wegstrecken zu Fuß, in den Thüringer Wald unternahm, um persönlich bei Spielwarenherstellern, Glasbläsern oder Großhändlern neue Waren einzukaufen. Da Bücher kaum zu bekommen waren, druckte Hansgeorg Hahn seit 1946 mehrere Kinderbücher, u. a. Das Gedankengärtlein.
Die Nachkriegszeit ging über in die sozialistische Mangelwirtschaft, die sich 1972, nach der Verstaatlichung aller Privatbetriebe mit mehr als zehn Beschäftigten, weiter verschärfte. Manchmal half auch wieder die Druckerei bei der Warenbeschaffung. Nach Einführung eines neuen Verfahrens zum Lackieren von Druckbögen nach 1970 war der Knabe-Verlag Weimar bei Hahndruck ein guter Kunde und deswegen gab es im Laden viele Bände von Knabes Jugendbücherei.
Ottilie war bis kurz vor ihrem Tod 1975 für den Laden zuständig und Schwiegertochter Anneliese Hahn schloss dann einen Kommissionsvertrag mit der Konsumgenossenschaft Weimar, um das Geschäft überhaupt weiterführen zu können.
Seit 1990
1990 erlebte die DDR eine Explosion der Warenwelt. Schon vor der Wiedervereinigung Deutschlands gaben sich Glücksritter aus dem Westen, die das schnelle Geld machen wollten, und seriöse Händler in Hahns Laden die Türklinke gegenseitig in die Hand. Ostprodukte, auch qualitativ gute, wurden nicht mehr gekauft. Denn plötzlich gab es all das, was viele lange erträumt hatten: Barbie-Puppen, Lego-Bausteine, Micky-Maus-Hefte, Playmobil, Video-Kassetten, Bild-Zeitungen, Alf und die Turtles, die Simpsons, völlig neuartige Geschenke, Matchbox-Autos …
Hahns Laden war in der Überfluss-Gesellschaft angekommen.
Anneliese Hahn löste 1990 den Kommissionsvertrag mit dem Konsum und wurde mit 68 Jahren Jungunternehmerin. Die wichtigsten Spielwarenmessen waren nun in Nürnberg, nicht mehr in Leipzig. 1994/95 erfolgten Umbau und Erweiterung des Ladens und seitdem hat Renate Hahn den Staffelstab übernommen, zusammen mit der Verkäuferin Brigitte Merkel und bis vor wenigen Jahren tatkräftig unterstützt durch ihre Schwiegermutter Anneliese.
Johannes und Alexandra Gentsch, geb. Hahn, führen seit dem Tod des Vaters 1983 die Druckerei, meisterten in den vergangenen zwei Jahrzehnten die elektronische Revolution im Druckgewerbe und führen heute eine hochmoderne leistungsfähige Firma, die aber auch das alte Handwerk noch beherrscht.
Die Mutter, Anneliese Hahn, kann die Ausstellung zum Laden-Jubiläum nicht mehr erleben. Sie ist am 17. September 2013 mit 91 Jahren gestorben.