Neue Jüdische Friedhof
Einziger aktiver jüdischer Friedhof in Thüringen
Die Gemeinde, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Erfurt gründete, bestattete ihre Toten zunächst auf dem Alten jüdischen Friedhof in der Cyriakstraße. Da nach jüdischem Glauben die Totenruhe ewig währt, werden Gräber nicht wie in der christlichen Kultur nach einer bestimmten Anzahl an Jahren aufgehoben. Dies und das schnelle Anwachsen der Erfurter jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert führten dazu, dass sich die Friedhofsfläche als zu klein für weitere Bestattungen erwies. Eine Erweiterung war aus städtebaulichen Gründen nicht möglich.
In Abstimmung mit der Stadt Erfurt suchte die jüdische Gemeinde deswegen nach einem neuen Gelände, das sie für Bestattungszwecke ankaufen konnte. Der Vorschlag, einen Teil des Südfriedhofs zu nutzen und dort ein eigenes jüdisches Gräberfeld anzulegen, wurde geprüft. Doch erwies sich die dortige Fläche im Hinblick auf die einmalige Belegung und die ewige Grabesruhe als zu klein.
Im Süden der Stadt, bei der heutigen Thüringenhalle, fand man im Jahr 1871 ein geeignetes Gelände, das groß genug war, alle Anforderungen zu erfüllen. Doch bei der Einrichtung des Friedhofs stieß die Gemeinde auf Widerstände: Der Eigentümer des Nachbargrundstücks, das Bürgerschützenkorps, reichte Beschwerde beim Magistrat der Stadt Erfurt ein und monierte, dass sich der Friedhof gesundheitsschädigend auf seine Mitglieder auswirken würde. Die Argumentation des Bürgerschützenkorps trägt antijüdische Züge, war aber zu dieser Zeit kein Einzelfall in Erfurt. Nach einem längeren Verhandlungsprozess und einem sanitätspolizeilichen Gutachten, welches befand, dass durch den Friedhof keine Grundwasserverunreinigung zu befürchten sei, konnte der Neue jüdische Friedhof angelegt werden.
Am 10. September 1878 wurde er feierlich eröffnet. Auch ein offizieller Vertreter des Magistrats war zugegen. Im Vorfeld der Eröffnung gab es einen plötzlichen Todesfall. Damit die Bestattung durchgeführt werden konnte, wurde die Eröffnung des Friedhofs kurzerhand vorverlegt. Seitdem finden dort die Toten der jüdischen Gemeinde ihre ewige Ruhe.
Der Neue jüdische Friedhof in Erfurt ist der einzige aktive in Thüringen. Er beherbergt Grabsteine vom 19. Jahrhundert bis heute. 1894 hatte die Gemeinde eine Leichenhalle auf dem Friedhof errichtet, sie ist bis heute zu sehen. Hier wird die Leichenwaschung vollzogen: Nach der körperlichen Reinigung des Körpers erfolgt die rituelle Waschung, die Tahara: Hierbei wird der Leichnam mehrfach mit Wasser übergossen, während man verschiedene Verse aus den Psalmen und aus dem Hohelied spricht. Danach kleidet man den Leichnam in ein weißes, schlichtes Totengewand.
Der Architekt der Leichenhalle war Baumeister Hugo Hirsch. Er schuf einen funktionsgerechten Bau im orientalischen Stil mit neoklassizistischen Elementen.