976 – 1140 | Die Herausbildung der Stadt
Um 1000
Im Zuge der Ottonischen Reichskirchenreform erhalten die Erzbischöfe von Mainz weitgehende Privilegien in Thüringen. Die weltliche Herrschaft über den thüringischen Zentralort Erfurt geht an das Erzbistum Mainz über. Die kirchlichen Bindungen in Erfurt werden stabilisiert. Erfurt bildet den Mittelpunkt der mainzischen Besitzungen in Thüringen.
In Erfurt vollzieht sich die Entwicklung zur Stadt. Gegenüber der alten Siedlungen zwischen Petersberg und Gera entsteht eine neue Niederlassung auf dem östlichen Flussufer. Handwerker, vorwiegend aber Kaufleute siedeln dort. Es kommt zu einem Aufschwung der Kaufmannssiedlung zwischen Lehmannsbrücke, Kaufmannskirche und Anger. Erfurt entwickelt sich in enger Wechselwirkung zum Umland als Gewerbe- und Nahmarktort.
Die einstigen durch Erfurt führenden Völker- und Verkehrswege wandeln sich zu viel benutzten Handelsstraßen. An der Gerafurt in Erfurt kreuzt sich die vom Rhein nach Russland führende Hohe Straße oder Königsstraße (via regia) mit Verkehrswegen, die Süddeutschland mit den Küsten im Norden verbinden. Nicht zuletzt durch den regen Durchgangs- und den ertragreichen Eigenhandel wird Erfurt zu einem wirtschaftlichen Mittelpunkt des Binnenlandes.
Vom wirtschaftlichen Erstarken der Stadt und von ihrer herausragenden Rolle als eines politischen und kirchlichen Zentrums kündet die rege Bautätigkeit des Hohen Mittelalters. Das Netz der Klöster, Kapellen, Orden und Pfarrkirchen wird engmaschiger. Erfurt erwirbt sich damit den Ruf einer türmereichen Stadt. Erste monumentale Steinbauten entstehen. Vor allem vollziehen sich auf dem Domhügel, dem Hauptsitz der Geistlichkeit, und auf dem Petersberg wesentliche architektonische Veränderungen.
1060
Urkundliche Ersterwähnung eines Kollegiatstiftes St. Peter auf dem Petersberg. Von Erzbischof Siegfried I. (1060-1084) wird das Chorherrenstift in ein reformiertes Benediktinerkloster umgewandelt. Seinem hier herrschenden cluniazensisch-hirsauischen Reformgeist schließen sich die thüringischen Klöster Reinhardsbrunn, Paulinzella und Thalbürgel an.
Um 1066
Bau erster umfangreicher Befestigungsanlagen zum Schutz der Stadt. Nur wenige Städte in den fortgeschrittenen westlichen und südlichen Reichsteilen erhalten im 11. Jahrhundert Stadtmauern. Die Erfurter Stadtumwallung von 1066 gehört zu den frühesten Befestigungen in Deutschland.
1073, 1074 und 1075
Erzbischof Siegfried I. hält in Erfurt Synoden ab. Heinrich IV. greift in den Thüringer Zehntstreit ein. Die Aufteilung der Zehnten zwischen dem Mainzer Erzstift und den Klöstern Hersfeld und Fulda wird festgelegt, die Thüringer sollen die Zehntforderung anerkennen.
1080
Im Verlauf des Investiturstreites schließt sich der Mainzer Erzbischof dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden an. Heinrich IV. wendet sich aufgrund dieser Entscheidung gegen das mainzische Erfurt; die Stadt wird erobert und in Brand gesteckt. Durch den Brand werden Teile der Klostergebäude auf dem Petersberg zerstört. Von 1103 bis 1147 werden sie neu errichtet. Gleichzeitig mit diesen entsteht die Peterskirche, die den südöstlichen Teil der Klosteranlage bildet. Als dreischiffige romanische Pfeilerbasilika ist sie der erste monumentale Bau der Hirsauer Schule auf thüringischem Boden.
11. und 12. Jahrhundert
Die Doppelstellung Erfurts im frühen Mittelalter als königliche und erzbischöflich mainzische Stadt wird durch die Erfurter Münzen bestätigt. Im 11. und 12. Jahrhundert werden nebeneinander königliche und mainzische Münzen geprägt. Die Brakteaten zeigen König Konrad III. (1142), Kaiser Friedrich Barbarossa (1165), die Erzbischöfe Heinrich I. (1142-1153) bzw. Siegfried II. von Eppstein (1201-1230) oder Siegfried III. von Eppstein (1230-1249).
1104
Die mächtigen Grafen von Tonna-Gleichen haben die Erfurter Vogtei als erzbischöfliches Lehen inne. Ihr Dienstlehen war der Gleichenhof an der Bartholomäuskirche, deren Turm heute ein Glockenspiel trägt.
1108
Die Lehmannsbrücke, die Liepwinesbrucca, die auf Lebuin von Deventer hinweist, wird erstmals erwähnt und lässt auf flämisch-friesische Ansiedler schließen.
1108
König Heinrich V., der später Kaiser Heinrich V., hält sich erstmals in Erfurt auf. Er ist auch noch 1113 und 1114 in der Stadt.
1110
Erste Erwähnung der Ägidienkirche am Wenigemarkt. Mit der mittelalterlichen, 1810/89 abgebrochenen Benediktikirche (auf der gegenüberliegenden westlichen Auffahrt zur Krämerbrücke) dient St. Ägidi als Wegekapelle. Um 1324 Neubau der Kirchengebäude nach einem Brand von 1293. Ende des 15. Jahrhunderts Anbau des Chorerkers im Zusammenhang der Veränderungen, die nach dem Brand von 1472 im gesamten Bereich der Brücke nötig geworden sind. Im Jahr 1582 Einsturz von Teilen der Kirche und danach Wiederaufbau. In Privatbesitz ab 1827. Seit 1960 Nutzung als methodistische Gemeindekirche.
1111 bis 1137
Erzbischof Adalbert I. lässt am östlichen Abhang des Domberges eine Burg errichten, die wegen ihrer Form „Krummhaus“ genannt wird. Reste sind noch im Garten des Severi-Pfarrhauses zu erkennen sowie in der fälschlich so genannten Bonifatiuskapelle, einem ehemaligen Turm der erzbischöflichen Pfalz aus der Zeit Adalberts I. Der Umbau der Kapelle erfolgt 1624.
1117
Gründung eines Stiftes der regulierten Augustiner-Chorherren. Nach 1130 Errichtung einer dreischiffigen Basilika. Deren Westportal und deren Südturm sind als Teile der Reglerkirche in der Bahnhofstraße noch erhalten. Anfang des 14. Jahrhunderts erfolgte nach einem Brand von 1291 der Neubau des Chores und 1743 der Neubau des nördlichen Turms nach dessen Einsturz. Von 1857 bis 1860 und 1960 bis 1973 fanden Umgestaltung und Restaurierungsarbeiten im Innenraum der Kirche statt.
1120
In einer Urkunde Erzbischof Adalberts von Mainz ist erstmals von „Bürgern Erfurts“ die Rede: „pro [...] fidelitate civium meorum“ (wegen der Treue meiner Bürger).
1123
Der Thüringer Zehntstreit flammt während der Amtszeit Adalberts I. wieder auf. Etwa 20.000 Bauern beabsichtigen 1123, von der Trettenburg aus in die Stadt Erfurt einzudringen, in der sich der Erzbischof aufhält. Durch geschicktes Verhandeln und Versprechungen werden sie von ihrem Vorhaben abgehalten.
1125
Erste Erwähnung der Allerheiligenkirche („Zu Ehren aller Heiligen“) und eines Klosters und Hospitals an der Stelle der „Engelsburg“ (Augustiner-Chorherren). 1222 Zerstörung der Anlage nach einem Brand. Ende des 13. Jahrhunderts Neubau der Kirche in der heutigen Form.
1132
Erste urkundliche Erwähnung der Georgskirche in der Michaelisstraße. Um 1290 Bau einer Kirche an der Stelle einer älteren Kapelle und 1380 Bau des heute noch vorhandenen Turmes. Der Abbruch des Kirchenschiffes durch die Schweden erfolgt 1632 für den Festungsbau. Größere Reparaturen am Turm erfolgen 1620 und 1987.
1136
Stiftung des Schottenklosters (Jakobi- und Nikolaikirche) in der Schottenstraße durch den Grafen Walter von Gleisberg und Besetzung mit irischen Benediktinermönchen. Baubeginn um 1140/50. Um 1200 Fertigstellung der dreischiffigen Basilika mit Querschiff und Doppelturm an der Westfassade. Von 1472 bis 1512 Neubau des Chores nach der Zerstörung durch Brand und 1727 Errichtung der barocken Westfassade. Von 1956 bis 1966 Restaurierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen.
1140
Erste urkundliche Erwähnung eines Kirchenbaus auf dem Gelände der heutigen Lorenzkirche in der Schlösserstraße. Von den romanischen Vorgängerbauten ist nichts erhalten. Der Neubau der Kirche erfolgt 1300. Älteste Teile sind der quadratische Turm und ein Teil der Westwand.
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gibt es Umbauarbeiten nach einem Stadtbrand von 1413 und den Anbau des nördlichen Seitenschiffes und der südlichen Langhausfassade. Schließlich beginnen 1990/91 umfangreiche Sanierungsarbeiten am Turm und im Dachbereich.