"Tolle Jahre - An der Schwelle der Reformation": Ausstellung, Geschichtslabor und Luther-Sammlung im Stadtmuseum
Die Dauerausstellung "Tolle Jahre - An der Schwelle der Reformation" gibt erstmals einen Überblick über die gesellschaftlichen und religiösen Verhältnisse, die der Student und Mönch Martin Luther in der Mittelaltermetropole Erfurt vorgefunden hat. Jene "Metropolis Thuringiae", eine der größten Städte des Reiches, hat den späteren Reformator nachhaltig geprägt. Eindrucksvolle Exponate aus dem alten Rathaus lassen Macht und Pracht der Quasi-Reichsstadt lebendig werden, zahlreiche Kirchenschätze stehen für die sakrale Gemeinschaft des Mittelalters im "thüringischen Rom".
Die mittelalterliche Stadtgeschichte wird in fünf Schwerpunkten ausführlich dargestellt: Der Erfurter Rat, Das Rathaus, Die Gerichtsbarkeit, Die Stadtverteidigung, Das Volk von Erfurt. Neben einer Reihe wertvoller Exponate können die Besucher sich auch in zahlreiche historische Dokumente, wie Urkunden und Handschriften, vertiefen. Mit dem "Spiel der Mächte" kann zugleich aktiv das außenpolitische Spannungsfeld Erfurts zwischen Kaiser, Mainzer Erzbischof und sächsischem Kurfürst nachvollzogen werden.
In Erfurt hat der junge Martin Luther entscheidende Anregungen für sein späteres reformatorisches Wirken erhalten.
Raum schaffen für eigene kreative Aneignung! Das ist das Programm des neu entstandenen Geschichtslabors: Hier werden dem Besucher die konkreten stadthistorischen Bedingungen und Ereignisse der Reformation in Erfurt vor Augen geführt. Gleichzeitig ist es auch eine installative Konfrontation von Geschichte und Gegenwart, die den Besucher zur Auseinandersetzung mit Fakten und Überlieferungen auffordert, deren Fortwirken im eigenen Leben hinterfragt wird.
In den fünf Ausstellungsabschnitten "Tolle Jahre?", Freie Künste?", "Am Anfang war das Wort?", "Macht oder Liebe?" und "Ich und das Andere?" setzt sich der Besucher aktiv mit den Fragestellungen auseinander.
Die "Luther - Sammlung" besteht aus insgesamt 1200 Inventaren, die 1321 Exponate enthalten. Den Kern der Sammlung bildet die Druckgrafik aus vier Jahrhunderten. Sie enthält zahlreiche qualitätvolle Werke aus der Reformationszeit, wie z. B. Holzschnitte nach Lucas Cranach oder von Hans Sebald Beham.
Unbestrittene Spitzenstücke sind die antipäpstlichen Flugschriften, die sich, von einem Anonymus entworfen, ab 1523 von Basel aus nach Norden durch das von Unruhen durchzogene Europa verbreiteten. Ihr ungemein heftiger, antiklerikaler Zug machte sie berühmt und berüchtigt. Zwar wurden sie tausendfach verbreitet, dank des beschleunigten Informationstransfers durch bessere Drucktechnologien seit den Erfindungen Johann Gutenbergs, aber gleichzeitig wurden sie immer wieder vernichtet, so dass sich nur wenige davon in musealen Sammlungen erhalten haben. Das Stadtmuseum besitzt acht Blätter.
Zahlreiche Blätter zeigen Zeitgenossen Luthers und die Arbeiten des 19. Jahrhunderts thematisieren Szenen aus dem Leben des Reformators. Dreidimensionale Objekte der Erinnerungskultur gehören ebenso zur Sammlung, wie Ansichtentassen, Porzellanpfeifenköpfe, Vasen, Teller, Medaillen etc.
Die Bedeutung der Sammlung liegt zum einen in ihrer kunsthistorischen Qualität. Zum anderen ist die "Luther-Sammlung" ein hervorragender und in dieser Breite äußerst seltener Beleg für den Wandel der Luther-Rezeption. In ihrer Geschlossenheit über vier Jahrhunderte hinweg ist sie spannungsvoll und hervorragend geeignet, während der gegenwärtigen Luther-Dekade fortgeschrieben zu werden.