Das Stadtarchiv Erfurt hat eine neue Direktorin
„Für die Akten ist das Archiv der Himmel und der Papierkorb die Hölle“
„Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht.“ Dr. Nadine Hofmann zitiert gerne Theodor Heuss, den ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik, wenn sie gefragt wird, warum ein Stadtarchiv wichtig ist. „Es bewahrt das Gedächtnis der Stadt.“
Seit dem 1. April ist die gebürtige Sächsin Direktorin des Erfurter Stadtarchivs. Sie hat Geschichte und klassische Archäologie studiert, ist Landeshistorikerin für Thüringen. Nach einem Zwischenstopp in Marburg ist sie jetzt in Erfurt: „Hier passt alles. Eine Stadt mit viel Kultur, mit viel Flair, mit herzlichen Bewohnerinnen und Bewohnern. Und vor allem – hier habe ich ein fantastisches Team antreffen dürfen.“
Wer denkt, Archivarbeit ist staubig, irrt: „Wir haben natürlich die Aufgabe, das Verwaltungshandeln zu spiegeln, Schriftgut über einen Zeitraum zu archivieren. Aber wir müssen und wollen vor allem das Alltagsleben der Stadt dokumentieren – Kunst, Kultur, Sport, Wirtschaft. Wir dokumentieren, wie unsere Stadt funktioniert, versuchen, die ganze Bandbreite darzustellen. Dafür braucht man viel Fingerspitzengefühl, damit man nicht zu viel bewahrt oder zu wenig weglässt.“ Die Fragen dabei: Was könnte für kommende Generationen wichtig sein, was darf nicht in Vergessenheit geraten? „Das Wissen und das Verständnis der Vergangenheit ist unglaublich wichtig für die Zukunft“, sagt Dr. Hofmann.
Dabei helfen u.a. fünf Kilometer Akten, rund 200.000 entwickelte Fotos aus den vergangenen 150 Jahren – das älteste ist von 1855 und zeigt die Sanierung der Kaufmannskirche. Die älteste Urkunde, ein Schenkungsdokument, ist aus dem 12. Jahrhundert, das wertvollste Stück eine Universitätsmatrikel, in dem sich Martin Luther 1501 eintragen ließ, einzigartig der Erfurter Judeneid aus dem Jahr 1183. Das Ganze verteilt auf drei Etagen, inklusive Lesesaal und Bibliothek.
„Mich fasziniert die Vergangenheit, schon als Kind habe ich von Zeitreisen geträumt, wollte einmal das Mittelalter live erleben“, sagt Hofmann. Für Akten, sagt sie, ist das Archiv der Himmel und der Papierkorb die Hölle. „Man muss diesen Job einfach lieben, wir sind vielleicht alle ein wenig wie Nerds.“ Das sind Menschen, die sich so sehr auf eine Sache konzentrieren können, dass sie die Welt um sich herum vergessen.
Eines ist den Kolleginnen und Kollegen des Stadtarchivs noch wichtig: „Wir sind ein offenes Haus, freuen uns über jeden, den wir zum Beispiel bei seiner Recherche unterstützen können. Und auch unsere wechselnden Ausstellungen können sich durchaus sehen lassen.“