Fachhochschule und Stadt starten Versuch mit Pionierbäumen
Zwei Kubikmeter groß sind die sieben Baumscheiben, die am Donnerstag in der Puschkinstraße bepflanzt wurden. Laut Norm sollten sie eine Mindestgröße von zwölf Kubikmetern haben. „Das ist in Altstädten nicht mehr realisierbar“, sagt Prof. Jonas Reif, Lehrgebiet Pflanzenverwendung und Vegetationskonzepte an der FH Erfurt. „Die Konsequenz ist, dass gar kein Baum mehr gepflanzt wird. Wir nehmen jetzt einfach hin, dass wenig durchwurzelbarer Raum zur Verfügung steht, und wollen zeigen: Kein Baum ist auch keine Alternative.“
Neben den kleinen Baumscheiben, die in vielen Erfurter Straßenzügen noch vorhanden sind, stehen auch langfristige Planungen „herkömmlichen“ Baumpflanzungen im Weg. Die Puschkinstraße muss für eine zukünftige Stadtbahnentlastungstrasse freigehalten werden. Für Stadtbäume in der Regel ein Ausschlusskriterium – denn sie haben eine Lebenserwartung von 60 bis 80 Jahren. Anders die „Versuchsbäume“: „Wir pflanzen Bäume, die schnell wachsen und hoffentlich nach fünf bis acht Jahren ihre Funktionen erfüllen“, so Reif. „Sie werden aber wahrscheinlich nur 20 bis 25 Jahre alt, bis sie die ersten Probleme bekommen.“
Für das Stadtgrün könnte das zu Grundsatzfrage werden. Dr. Sascha Döll, Leiter des Garten- und Friedhofsamtes: „Es ist legitim zu fragen, ob Stadtbäume überhaupt noch so groß und alt werden können, wie wir das kennen. Es sind vor allem die großen Bäume, die vom Klimawandel betroffen sind und absterben, weil Nährstoffe und Wasser nicht mehr in die gesamte Krone gelangen. Eine Konsequenz kann also sein: Wir brauchen kleinere Bäume.“
30 Bäume werden in der Puschkinstraße und der Gustav-Freytag-Straße gepflanzt, weitere Standorte sind in Planung. Die Gehölze, die zwei Jahre lang an der Fachhochschule vorkultiviert wurden, sollen sich möglichst gut an den begrenzten Wurzelraum gewöhnen. Zu den gewählten Arten zählen unter anderem Birkenpappeln und Blauglockenbaumhybride, die ursprünglich in China zu Hause sind, und Robinien und Hybridahorne aus Nordamerika. An einem geschützten Standort soll sogar Eukalyptus getestet werden. „Wir haben in der Stadt Rohboden mit minimal organischer Masse“, so Reif. „Aber genau diese Pionierbäume schaffen es, auch auf diesen Böden eine Erstbesiedlung vorzunehmen.“ Von jeder Art sollen – im Idealfall – sechs Exemplare gepflanzt werden, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten. Der Versuch könnte nicht nur für die Landeshauptstadt, sondern auch darüber hinaus zukunftsweisend sein. Reif: „Erfurt ist ein guter Teststandort für Deutschland. Es gibt heiße Sommer mit langanhaltenden Trockenperioden, aber auch Kälte im Winter. Somit können wir das gesamte Portfolio der Umweltfaktoren testen, was die Ergebnisse des Versuchs besonders wertvoll macht.“
Die Materialkosten für den Versuch liegen aktuell bei rund 2.000 Euro. Die Bäume werden von der Fachhochschule Erfurt zur Verfügung gestellt.