Zwei neue Aquarelle für das Stadtmuseum
Erfurter Stadtansichten aus dem Jahr 1886
„Die beiden Werke haben neben ihrer kunsthistorischen Bedeutung zugleich einen hohen dokumentarischen Wert für die Stadtgeschichte“, sagt Dr. Steffen Raßloff, Vorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt e. V. „Die Motive führen uns zurück ins 19 Jahrhundert, hin zu Orten, die so in dieser Form nicht mehr existieren.“ Ein Aquarell zeigt den Blick vom Steiger aus in Richtung Hochheim bis zum Petersberg – mittig ein Haus, das bis heute noch in der Hochheimer Straße steht. „Die Giebelwand verdeutlicht, dass die großstädtische Entwicklung an dieser Stelle stehengeblieben ist, denn die geplante Reihenbebauung hat nie stattgefunden“, erklärt Dr. Martin Sladeczek, Direktor der Erfurter Geschichtsmuseen. Das zweite Motiv zeigt den Blick von den Mühlstegen – die Rathausbrücke existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht – über den Breitstrom in Richtung Barfüßerkirche.
Die Aquarelle stammen von Leopold von Kalckreuth (1855-1928). Er hatte in Weimar an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule unter seinem Vater studiert und war nach weiteren Stationen ab 1885 als Kunstlehrer in Weimar tätig. 1903 war er erster Präsident des Deutschen Künstlerbundes. „Kalckreuth bevorzugte Sommermotive und hat eine fantastische Lichtstimmung und Alltagsszenen wie die auf der Leine hängende Wäsche eingefangen“, so Sladeczek. „Es war typisch für die Zeit, dass Maler der Weimarer Kunstschule nach Erfurt kamen, um sich mit der historischen Bausubstanz zu beschäftigen.“ Auffällig ist dabei die romantische Hinwendung: Die Schornsteine der Gewehrfabrik im Brühl beispielsweise sind im Bild nicht zu sehen.
Beide Werke stammen aus dem Besitz der Familie von Richthofen. Dr. Jasper von Richthofen, Leiter des Kulturhistorischen Museums in Görlitz, war auf das Stadtmuseum zugekommen. Die Objekte sollten von der Erbengemeinschaft abgegeben werden. „Aufgrund seiner musealen Erfahrung hat Jasper von Richthofen die Aquarelle, die um 1930 in einem Berliner Kunsthandel erworben wurden, als kulturhistorische Objekte erkannt. Dafür sind wir sehr dankbar“, so Sladeczek.
Spender Wilfried Wolf machte den Kauf möglich. Wolf: „Zukunft kann nicht gestaltet werden, wenn wir die Vergangenheit nicht kennen. Ich finde es wichtig, dass wir etwas für die nachfolgende Generation tun, daher müssen solche Werke in Museumshänden bleiben.“
Die beiden Aquarelle sind gut erhalten, lediglich die Rahmen müssen restauriert werden. In der neuen Sonderausstellung „Erfurt Entfesselt“, die am 7. Juli eröffnet wird, sollen die Aquarelle voraussichtlich im September als Objekt des Monats zu sehen sein.
Über den Kaufpreis wurde mit dem Verkäufer Stillschweigen vereinbart.