Flugunfähiger Wanderfalke gefunden – Verdacht auf Straftat
Das Tier konnte nicht mehr fliegen, da die Schwungfedern seines rechten Flügels stark eingekürzt worden waren, sonst befand es sich in einem guten Zustand. Zur weiteren Versorgung wurde es in die Staatliche Vogelwarte Seebach gebracht, denn erst wenn die Schwungfedern in der nächsten Mauser nachwachsen, kann der Vogel wieder ausgewildert werden.
Wie viele Wanderfalken war auch das in Gispersleben aufgefundene Weibchen mit zwei wissenschaftlichen Ringen versehen, um eine Wiedererkennung zu ermöglichen und Daten zu den Lebensumständen dieser Vogelart zu gewinnen. So stellte sich heraus, dass es am 11. Mai 2021 im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald als Nestling beringt worden war. Vor allem im ersten Lebensjahr sind Wanderfalken noch nicht reviertreu und machen ihrem Namen alle Ehre.
Ohne die schnelle Hilfe wäre das junge Falkenweibchen jedoch kläglich verhungert, da es flugunfähig nicht in der Lage ist, Beute zu schlagen. Da die Jagdtechnik der Wanderfalken auf geradlinig fliegende Vogelarten abzielt, sind u.a. Tauben eine bevorzugte Beute, zumal die schnellen Beutegreifer gern an hohen Gebäuden brüten und Tauben im Siedlungsbereich eine der häufigsten Vogelarten sind.
Leider akzeptiert nicht jeder den natürlichen Kreislauf und greift zur Selbstjustiz. Fang, Verletzung oder gar Tötung sind jedoch nicht nur artenschutzrechtlich eine Straftat, sondern stellen gleichzeitig einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar und sind obendrein als Jagdwilderei zu werten, da der ganzjährig geschonte Wanderfalke auch dem Jagdrecht unterliegt. Aufgrund der Fundumstände könnte dieser Sachverhalt (Fang, Inbesitznahme und Verletzung durch Abschneiden der Schwungfedern) auch bei dem in Gispersleben aufgefundenen Falkenweibchen vorliegen.
Sachdienliche Hinweise zur weiteren Ermittlung des Vorfalls nimmt das Umwelt- und Naturschutzamt unter Tel. 0361 655-2558 oder per E-Mail an umweltamt@erfurt.de entgegen.
Hintergrund
Wanderfalken sind hoch spezialisierte Vogeljäger, die Vögel bis ca. 500 Gramm Gewicht im Sturzflug ergreifen und im Gegensatz zum Mäusebussard weder Nagetiere noch Aas fressen. Bei ihren spektakulären Jagdflügen im freien Luftraum erreichen diese Vögel bis zu 320 km/h und sind damit die schnellsten Tiere der Welt. Trotz dieser einmaligen Anpassung und weltweiter Verbreitung sind Wanderfalken in Mitteleuropa noch immer selten: Einerseits aufgrund gezielter Verfolgung durch den Menschen, andererseits durch massive Bestandseinbrüche aufgrund des Insektengiftes DDT, das bis in die 1970er Jahre eingesetzt wurde.