Ergebnisse des Verkehrsversuchs in der Talstraße liegen vor
Überbreiter Fahrstreifen bleibt dauerhaft bestehen
Das Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung und das Tiefbau- und Verkehrsamt haben gemeinsam in der Talstraße einen Verkehrsversuch auf der Grundlage der Straßenverkehrsordnung (§ 45 Absatz 1 Satz 6) durchgeführt. Im Kern ging es um die Neuaufteilung des Straßenraumes zu Gunsten des Rad- und Fußverkehrs, mit der eine Führung des Kfz-Verkehrs auf einem überbreiten Fahrstreifen einherging. Da diese Verkehrsführung in Erfurt bisher noch nicht eingesetzt worden ist, wurde die Variante im Rahmen des Verkehrsversuchs getestet sowie durch einen externen Gutachter begleitet und ausgewertet. Nun liegen die Ergebnisse der Begleitforschung vor.
„Fakt ist, dass der innerstädtische Straßenraum begrenzt ist“, führt Mattias Bärwolff, Beigeordneter für Bau, Verkehr und Sport aus. „Deshalb müssen wir zur Förderung des Radverkehrs auch Maßnahmen ergreifen, die in Erfurt bisher noch nicht üblich waren. Vor diesem Hintergrund liefert uns der Verkehrsversuch in der Talstraße wertvolle Erkenntnisse im Hinblick darauf, welche Effekte eine Lösung mit einem überbreiten Fahrstreifen auf alle Verkehrsteilnehmer hat.“
Durch eine Vorher-Nachher-Untersuchung wurden die konkreten Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen untersucht. Von besonderem Interesse waren dabei Fragestellungen zur Verkehrssicherheit, zum Verkehrsablauf und zur Akzeptanz dieser Lösung. Dazu sind Verkehrserhebungen und Verkehrsbeobachtungen an verschiedenen Wochentagen und zu verschiedenen Tageszeiten – insbesondere in den Spitzenstunden am Morgen und am Nachmittag – durchgeführt worden, die den fließenden Kfz- und Radverkehr sowie den Fußverkehr und die möglichen Konflikte berücksichtigen. Vor allem verkehrssicherheitsrelevante Situationen im Kurvenbereich, im Übergang von und zur überbreiten Spur bzw. an Beginn und Ende des Schutzstreifens und im Zusammenhang mit dem Ein- und Ausparken wurden beobachtet und bewertet. Die Entwicklung und das Ausmaß von Rückstaus im Kfz-Verkehr waren zu prüfen, fokussiert auf potenzielle Stauerscheinungen bis auf den Talknoten und daraus resultierende Behinderungen des Straßenbahnverkehrs. Zudem wurden Aussagen zu eventuellen Verkehrsverlagerungen in andere Bereiche des Straßennetzes abgeleitet.
Zusammenfassend lassen sich folgende Erkenntnisse aus dem Verkehrsversuch und den durchgeführten Untersuchungen ableiten:
- Der untersuchte Abschnitt in der Talstraße weist in der Vorher-Situation deutliche Defizite auf. Diese gehen in erster Linie zu Lasten des Radverkehrs und des Fußgängerverkehrs. Neben Sicherheitsmängeln führt dies auch zu einer mangelnden Attraktivität der umwelt- und klimafreundlichen Verkehrsarten.
- Unfallzahlen, die Anzahl der beobachteten kritischen Situationen und mangelnde Attraktivität für den nicht-motorisierten Verkehr begründen einen deutlichen Handlungsbedarf zur Änderung der bisherigen Verkehrsführung.
- Die durchgeführten Maßnahmen mit einer Änderung von zwei Fahrstreifen auf einen überbreiten Fahrstreifen führen nicht zu einer Verschlechterung der Verkehrsqualität für den Kfz-Verkehr oder zu Verlagerungen in das benachbarte Straßennetz.
- Die Verkehrsstärken für alle Verkehrsarten bleiben weitestgehend gleich und unterliegen nur saisonalen Schwankungen.
- Der ursprünglich erwartete optimierte Verkehrsablauf mit nebeneinander fahrenden Pkw stellt sich nicht ein. Es tritt vielmehr ein versetztes Fahren auf, die vorhandene Fahrbahnbreite führt bei höherem Verkehrsaufkommen zu einem häufigeren Überfahren des Schutzstreifens. Die Geschwindigkeiten bleiben auf einem niedrigen, verträglichen Niveau.
- Für den Radverkehr treten deutliche Verbesserungen auf. Die Gefahr durch Dooring-Unfälle – also Stürze, die durch das Öffnen von Autotüren verursacht werden – sinkt merklich und bei geringen und mittleren Verkehrsstärken treten weniger Störungen und Behinderungen auf. Problematisch bleibt der Verkehrsablauf bei hohen Verkehrsstärken, dabei wird die Schutzstreifenmarkierung häufig überfahren.
- Die verfügbaren Breiten für den Fußgängerverkehr sind größer geworden, auch wenn die laut Regelwerk empfohlenen Maße nicht umgesetzt werden können.
Der Gutachter empfiehlt unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse die Beibehaltung der Lösung mit dem überbreiten Fahrstreifen, auch wenn nicht alle Defizite beseitigt werden konnten. Die Stadtverwaltung wird daher voraussichtlich in der Woche vom 11. bis zum 15. Oktober 2021 die bisherige versuchsweise Führung in eine Dauerlösung überführen und hierbei geringfügige Anpassungen vornehmen, um insbesondere den Beginn und das Ende des Untersuchungsbereichs noch zu optimieren.
„Letztendlich zeigen die Ergebnisse positive Effekte der Maßnahme für den Rad- und Fußverkehr auf, ohne dass hieraus negative Auswirkungen für den Kfz-Verkehr entstehen“, ergänzt Matthias Bärwolff. „Jedoch sind auch Grenzen dieser Verkehrsführung erkennbar, sodass eine Übertragung dieser Regelung auf andere Straßen oder Straßenabschnitte im Detail sehr genau geprüft werden muss.“