Gemeinsame Presseerklärung der Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte in Thüringen: Kommunaler Finanzausgleich: Gutachten bestätigt deutliche Unterfinanzierung kreisfreier Städte
Bausewein: „Wir wollen nur, was uns zusteht!“
Nach diesem Gutachten muss den kreisfreien Städten, ausgehend von der Schlüsselmasse des Jahres 2019, zum Ausgleich dieser Benachteiligungen in Summe ein Betrag von mindestens 70 Millionen Euro jährlich mehr zur Verfügung gestellt werden. Da eine Erhöhung der Schlüsselmasse in 2020/2021 tatsächlich bereits stattgefunden hat, sind in Anwendung der Berechnungsmethoden des Gutachtens keine weiteren signifikanten Erhöhungen zu erwarten.
Für die einzelnen kreisfreien Städte ergibt sich für die Schwerpunktzuweisungen in Form von Schlüsselzuweisungen zuzüglich des Kulturlastenausgleiches folgendes Bild:
Stadt | Ergebnis 2019 Ist (in Mio. Euro) |
„Bedarfsgerecht“ 2019 Soll (in Mio. Euro) |
Unterfinanzierung in 2019 (in Mio. Euro) |
---|---|---|---|
Erfurt | 145,17 | 168,23 | 23,06 |
Gera | 79,66 | 90,02 | 10,36 |
Jena | 57,09 | 73,17 | 16,08 |
Suhl | 21,88 | 26,90 | 5,02 |
Weimar | 48,72 | 56,28 | 7,56 |
Eisenach | 29,69 | 35,41 | 5,72 |
Quelle: FiFo-Gutachten
Das mit dem Gutachten vorgestellte novellierte Finanzausgleichsmodell wird ausdrücklich begrüßt, da es für die kreisfreien Städte grundsätzlich in die richtige Richtung weist. Es kann aber trotzdem nicht vorbehaltlos unterstützt werden, denn die vorgesehenen höheren Zuweisungen werden weiterhin nicht in allen Kommunen zur Deckung des Finanzbedarfes ausreichen. Es zeigt sogar für einige Kommunen zukünftig geringere Zuweisungen als sie derzeit schon erhalten.
Ziel der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs muss sein, dass alle Thüringer Städte, Gemeinden und Landkreise mit einer entsprechenden Finanzausstattung durch das Land dauerhaft in die Lage versetzt werden, ausgeglichene Haushalte aufstellen zu können.
Die im Gutachten zur Ermittlung des Finanzbedarfes verwendeten Faktoren erscheinen zum Teil insoweit nicht umfassend sachgerecht, als z. B. für viele kommunale Aufgabenbereiche die Einwohnerzahl anstatt z. B. die Fläche als bedarfsbestimmender Faktor herangezogen wird. Auch wesentliche Sonderbedarfe einzelner Kommunen, die sich u. a. aus atypischen Besonderheiten (z. B. der Ausdehnung eines Stadtgebietes, besonderer Topografie oder aus der historischen Entwicklung übernommenen Finanzierungspflichten für Einrichtungen mit überregionalem Charakter) ergeben und nicht aus eigener Kraft finanziert werden können, müssen im kommunalen Finanzausgleich Berücksichtigung finden.
Mit dem Gutachten werden die Landesregierung und der Gesetzgeber (Landtag) aufgefordert, bei der künftigen Bemessung der Höhe der Finanzausgleichsleistungen des Landes an die Kommunen, insbesondere an die kreisfreien Städte, die tatsächlichen Aufwendungen im Sozial- und Jugendhilfebereich deutlich besser abzubilden und zu gewichten. Ausdrücklich wird kritisiert, dass bei der Bedarfsbemessung die Fallzahlen nur unzureichend berücksichtigt werden. Schon seit Jahren sorgen die massiven Kostensteigerungen im Sozial- und Jugendhilfebereich zu einer Unwucht in den kommunalen Haushalten, mit der Folge, dass nötige Unterhaltungsmaßnahmen und Investitionen in Infrastrukturen wie Schulen, Straßen und Wege, Gebäude, Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch in freiwillige Leistungen immer mehr zurückgefahren werden müssen.
Die kreisfreien Städte fordern die Landesregierung und die Fraktionen im Landtag auf, ihre Ankündigung einer Umgestaltung des Kommunalen Finanzausgleiches schnellstmöglich, in einem ersten Schritt bereits im Jahr 2022, umzusetzen.
Die coronabedingten Sonderzahlungen des Bundes und des Landes in den Jahren 2020 und 2021 verdecken das bestehende strukturelle Dilemma aller kreisfreien Städte. Mit Auslaufen dieser Sonderzahlungen zeigen sich massive Deckungslücken der kreisfreien Städte, die in einzelnen Städten, wie z .B. in Eisenach, Gera und Suhl bereits seit Jahren mit unterschiedlicher Ausprägung bestehen und diskutiert werden.
Die Aufstellung der Haushalte und damit die Handlungsfähigkeit der kreisfreien Städte ist konkret in Gefahr.
Andreas Bausewein, Oberbürgermeister Landeshauptstadt Erfurt:
„Die Studie des Innenministeriums beweist, was wir seit Jahren wissen. Die kreisfreien Städte sind grandios unterfinanziert. Wir wollen keine Extrawürste gebraten haben. Wir wollen nur, was uns zusteht.“
Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb betonte: „Die Stadt Gera begrüßt das vom Land beauftragte Gutachten, da es doch aufzeigt, dass die Gemeinden gegenüber dem Land und den Landkreisen bisher am schlechtesten finanziert sind. Wir können kann dem Gutachten in der vorliegenden Form jedoch nicht in seiner Gesamtheit folgen, da Gera als einzige kreisfreie Stadt geringere Schlüsselzuweisungen für die kreislichen Aufgaben erhalten würde. Die Landesregierung sollte in einem ersten Schritt die Zahlenbasis – welche dem Gutachten zugrunde liegt – aktualisieren lassen, um darauf die Berechnungen neu aufzusetzen. Mit dem Ziel zukünftig ausgeglichene Haushalte aufstellen und handlungsfähig bleiben zu können, fordere ich signifikante Änderungen im Finanzausgleich.“
„Das Gutachten adressiert eine überaus wichtige Gerechtigkeitsfrage: die Konnexität. Die Finanzausstattung der Kommunen ist nur dann angemessen, wenn sie im Einklang steht mit den Aufgaben, die von den Kommunen übernommen werden. Das Gutachten zeigt, dass es da deutliche Schieflagen gibt, und zwar sowohl im Vergleich der kommunalen Ebene mit der des Landes, als auch innerhalb der kommunalen Familie im Vergleich zwischen den Gemeinden und den Kreisen. Nachdem dies nun so klar offen liegt, ist es politisch nicht länger zu verantworten, wenn das nicht korrigiert wird.“ Dr. Thomas Nitzsche, Oberbürgermeister der Stadt Jena.
Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine zeigt sich positiv überrascht, dass ein von der Landesregierung selbst in Auftrag gegebenes Gutachten zu solch deutlichen Ergebnissen kommt: „Auch wenn der Kommunale Finanzausgleich eine sehr schwierige und trockene Materie ist: Für die Kommunen ist eine angemessene und bedarfsgerechte Finanzausstattung überlebenswichtig. Mit einer schnellen Umsetzung der Gutachterergebnisse kann im Sinne einer partnerschaftlichen und fairen Mittelaufteilung endlich eine Planungssicherheit für die nächsten Jahre geschaffen werden.“
Katja Wolf, die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach, hebt hervor: „Mit dem Gutachten wird die Notwendigkeit einer auskömmlichen Finanzierung der Kommunen unterstrichen, was ich begrüße. Gerade diejenigen Kommunen, die als Mittelzentren mit oberzentralen Funktionen eine wichtige Stadt-Umlandfunktion zu tragen haben, müssen auskömmlich über den kommunalen Finanzausgleich finanziert werden, damit diese die ihnen obliegenden vielfältigen Aufgaben – auch für das Umland – bedarfsgerecht erbringen können.“
Suhls Oberbürgermeister André Knapp erklärte: „Die Stadt Suhl begrüßt das Gutachten grundsätzlich, kann jedoch nicht vorbehaltlos zustimmen. Ein Haushaltsausgleich wird trotz steigender Schlüsselzuweisungen weiterhin nicht möglich sein. Das Land hat im Rahmen des allgemeinen Finanzausstattungsgebotes dafür zu sorgen, dass die Kommunen als Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können. Deshalb muss noch stärker als bereits mit dem vorliegenden Gutachten geschehen, eine sachgerechte und transparente Ermittlung der tatsächlichen Finanzbedarfe und deren Gewichtung erfolgen. Durch die mit dem Gutachten vorgenommene Berechnung werden die kreisfreien Städte der Kategorie Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums schlechter gestellt, als kreisangehörige Kommunen, die Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums sind. Darüber hinaus müssen Regelungen zur Finanzierung bestehender „Sonderbedarfe“, die aus der Historie einer Stadt resultieren und für eine ganze Region bedeutsam sind, wie z. B. Museen, Tierparks oder Kultur- und Kongresszentren ergänzt werden, um Haushaltsdefizite auszugleichen, die die Kommunen aus eigener Kraft auch unter größten Konsolidierungsbemühungen nicht ausgleichen können.“