Wie ganz normale Organisationen den Holocaust ermöglichten: Buchvorstellung mit dem Autor Stefan Kühl am 20. Mai im Erinnerungsort Topf & Söhne
Wie konnten aus ganz normalen Männern Massenmörder werden, die sich am Holocaust beteiligten? Diese Frage beschäftigt seit langer Zeit Historiker, wie Christopher Browning und Daniel Goldhagen. Anhand der gut dokumentierten Gerichtsprozesse gegen das Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101 wiesen Historiker nach, dass Massenerschießungen nicht von brutalen Fanatikern, sondern von durchschnittlichen, ganz normalen Männern durchgeführt wurden. Rund 50.000 jüdische Frauen, Kinder und Männer wurden durch Angehörige und Helfer dieses Polizeibataillons erschossen.
Stefan Kühl erweitert diese historische Debatte um die soziologische Perspektive: Die Männer und Frauen, die sich an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligten, waren Mitglieder in Organisationen, die grundsätzlich nicht anders funktionierten als Organisationen, die Kranke pflegen, für Eiscreme werben, Schüler unterrichten oder Autos bauen. Es brauchte keine völlig neuartigen Programme zur Durchführung der Tötungsaktion, keine neuen Kommunikationswege und kein speziell ausgewähltes Personal. Der NS-Staat konnte auf Organisationen zurückgreifen, die von ihren zentralen Strukturen her ganz normale Organisationen waren. Über eine Vielzahl von Motiven wie Kameradschaft, Geld und Zwang waren die Menschen an ihre Organisation gebunden. Die Bereitschaft zu Folter und Massenmord gehörte ursprünglich nicht dazu – doch sie konnte in diesen ganz normalen Organisationen erzeugt werden.
Die Veranstaltung ist kostenfrei.